Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Zur DDR-Zeit Geisterbahnhof – heute gehört seine Unterwelt zu den „Geheimnisvollen Orten“
Die Eisenbahnstrecke zwischen Berlin, der Hauptstadt Preußens, und Stettin, Hauptstadt der Provinz Pommern mit dem Berlin nächstgelegenen Seehafen, wurde in den Jahren 1842 und 1843 von der Berlin-Stettiner Eisenbahn-Gesellschaft (BStE) erbaut. Damals war die Strecke nur für Gütertransporte gedacht. Sie gehört damit zu den ältesten in der Geschichte der Eisenbahn in Deutschland. Stettin wurde deshalb auch als „Seehafen von Berlin“ bezeichnet. Ab 1872 nutzte man die Strecke auch für Personenverkehr. Der Bahnhof war dafür nicht ausgelegt. Deshalb entstand der prachtvolle Bahnhof mit einer monumentalen Bahnhofshalle, die seinerzeit mit 1100 Quadratmetern die größte von Berlin war. Auf fünf Gleisen fuhren jetzt die Züge Richtung Norden.
Berlin hatte bis in das vorige Jahrhundert noch etliche Kopfbahnhöfe im Fernverkehr, die außerhalb des Stadtzentrums endeten. So verschwanden beispielsweise nach dem Zweiten Weltkrieg der Görlitzer, der Potsdamer und der Anhalter Bahnhof. Im Norden war es der bekannte Stettiner Bahnhof an der Invalidenstraße, der trotz starker Zerstörung seine Funktion noch bis in die 1950er Jahre innehatte. Heute kündet von diesem stolzen Bahngebäude kaum noch etwas.
Die große Zeit der Bahn
Nach dem Potsdamer und dem Anhalter Bahnhof wurde 1842 in Berlin der Stettiner Bahnhof eröffnet, der auf dem Gelände einer alten Scharfrichterei entstand. Auf dieser Strecke der Berliner Nordbahn verkehrten die Fern- und Eilzüge vorerst bis Angermünde und dann ab 1843 nach Stettin, auch bis Rostock und Stralsund und auch auf der anderen Seite nach Königsberg/Ostpreußen. Später wurde nach Plänen des Architekten Theodor August Stein ein neues Gebäude an der Invalidenstraße errichtet und 1876 dem Verkehr übergeben, seitdem gab es die Personenbeförderung für Reisen an die Ostsee.
Die Nordbahn weihte in Richtung Rostock auch das erste Teilstück bis Neubrandenburg über Neustrelitz 1877 ein und am 1. Juli 1886 kam der erste Schnellzug vom Berlin-Stettiner Bahnhof in Warnemünde an. Damals fuhren die gutgestellten Familien, hauptsächlich die Frauen mit ihren Kindern und Hausangestellten für die Sommermonate von diesem Bahnhof mit den zwei achteckigen Türmen am Portal in Richtung der Ostseebäder, so auch nach Swinemünde, wohin seit 1876 über Ducherow und die berühmte Karniner Brücke eine Bahnverbindung bestand.
Bis in die 1920er Jahre des vorigen Jahrhunderts, als auf dieser Trasse auch die Nord-Südbahn der S-Bahn gebaut wurde, die am 8. August 1924 eröffnet wurde, herrschte hier auf den Bahnsteigen ein reger Verkehr und auf dem Vorplatz bestimmten Pferde- und Kraftdroschken sowie die Straßenbahn das Stadtbild. Bis 1945 verlief auch der internationale Zugverkehr Berlin-Kopenhagen über Rostock auf dieser Nordbahn-Strecke. Schmerzlich. Auf diesem Bahnhof kamen 1945 viele Flüchtlinge aus Pommern und Ostpreußen an. Der nahe der Berliner Sektorengrenze gelegene Stettiner Bahnhof, in dem in den ersten Nachkriegsjahren noch alle Fernzüge aus dem Norden der „SBZ“ endeten, wurde 1950 in Nordbahnhof umbenannt. Der Personenverkehr wurde zwei Jahre später ganz eingestellt und der anliegende Güterbahnhof wurde nach dem Bau der Mauer, die über das Reichsbahngelände verlief, geschlossen, dem der Abriss der oberirdischen Anlagen bis 1965 folgte. Nach dem Mauerbau 1961 waren die ab hier beginnenden S-Bahnhöfe Richtung Zentrum nur noch Geisterbahnhöfe, die von der DDR-Reichsbahn betrieben wurden.
Tunnel im Geisterbahnhof
Ein Kuriosum war der nördlich gelegene Stettiner Tunnel, der unter den oberirdischen Gleisen von der Gartenstraße (West) zur Schwartzkopffstraße (Ost) führte und eine willkommene Abkürzung bedeutete. Dieser Tunnel existiert noch heute, zwar zugemauert, er wäre nach dem Bau der Mauer ein Fluchtobjekt gewesen. Zu Mauerzeiten war der S-Bahn Zugang östlich nur für die Westberliner erreichbar. Jetzt ist in der Nähe des Bahnhofs die Bernauer Straße zu einem denkwürdigen Ort mit einem Dokumentationszentrum geworden, das auf die lange Teilung Berlins verweist. Der Stettiner Tunnel wird von einer Interessengruppe namens Berliner Unterwelten verwaltet.
Die S-Bahn verkehrt nach dem Mauerfall wieder in alle nördlichen Richtungen. Der schlichte Haupteingang mit einigen Nebengebäuden wird überragt von einem Turm mit dem S-Bahn Zeichen. Das Areal des früheren Geländes mit dem großen Empfangsgebäude bis zum Zweiten Weltkrieg nimmt heute eine moderne Bebauung ein.
Die Überbleibsel
Das gegenwärtig noch bestehende Gebäude des damaligen Vorortbahnhofs war einst westlich neben der großen Halle des Stettiner Fernbahnhofs angebaut worden, „Kleiner Stettiner“ genannt, es ist als historisches Denkmal aus den Anfängen zu sehen. Erbaut wurde es nach den Plänen des Eisenbahnbauinspektors Armin Wegner. Heutzutage ist es eine Veranstaltungslokalität. Ab August 1924 verkehrte von hier aus der erste elektrisch betriebene S-Bahn-Zug Richtung Bernau.
Bereits im Jahr 2006 ließ der Berliner Senat den ehemaligen Bahnhofsvorplatz neu gestalten. Zwischen alten Bahngleisen, die in das neue Pflaster flächenbündig eingelassen wurden, sind einige Namen der ehemals durch die Stettiner Bahn erreichbaren Städte in Pommern und an der Ostsee – in ihrer deutschen und gegebenenfalls auch ihrer polnischen Form – in die Platzfläche eingeschrieben.
Heute fahren vom neuen Berliner Hauptbahnhof Züge über Angermünde wieder bis Stettin [Szczecin]. Die alte Strecke wird nach dem Verkehrswegeplan wieder für schnellere Verbindungen ausgebaut, denn nach dem Zweiten Weltkrieg und der neuen Grenze gab es hier nur einen sehr eingeschränkten Verkehr, der erst seit dem Eintritt Polens in die EU wieder forciert wurde.
Auf dem Gelände des früheren Stettiner Bahnhofs entstand 2011 das Stettiner Carré, dieser Komplex bildet in Deutschland den größten Bürostandort der Deutschen Bahn.
Schön, dass der aufmerksame Besucher auch heute noch Spuren des einst bedeutenden Bahnhofs mit der wichtigen Verbindung in Pommerns einstige Hauptstadt finden kann.
Bernd Krüger am 03.08.21, 13:10 Uhr
Sie schreiben: "Zu Mauerzeiten war der S-Bahn Zugang östlich nur für die Westberliner erreichbar."
Verstehe ich nicht. Zugang zu einem Geisterbahnhof?
Peter Fallier am 03.08.21, 10:53 Uhr
Ich muß leider der Aussage, dass die Stettiner Bahn anfangs keinen Personenverkehr hatte widersprechen, nach meinen Quellen verkehrten von Anfang an, wie damals auf allen Fern-Bahnen Reisezüge.
sitra achra am 31.07.21, 11:03 Uhr
Ein Stück erinnerungswürdige Stadtgeschichte. Danke dafür!
Siegfried Hermann am 31.07.21, 10:13 Uhr
Zu Mauerzeiten fuhr der Zug ab Lichtenberg über Stettin bis nach Danzig.
Das war Abenteuer pur. Nur die wilden Indianer waren durch Vopos ersetzt. ;-)