16.06.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Am 2. Mai im Regierungssitz des libanesischen Ministerpräsidenten: Der Hausherr, Najib Mikati, und die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
Foto: pa/Marwan MamaaniAm 2. Mai im Regierungssitz des libanesischen Ministerpräsidenten: Der Hausherr, Najib Mikati, und die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen

EU-Außenpolitik

Was bringen die Migrationsabkommen?

Brüssel hat nach Tunesien und Ägypten nun auch mit dem Libanon einen „Flüchtlingsdeal“

Peter Entinger
23.05.2024

Es mag mit den bevorstehenden Europawahlen zu tun haben, dass sich die EU-Institutionen in den vergangenen Monaten massiv darum bemüht haben, die Migrationspolitik in geordnete Bahnen zu lenken. Und es mag auch mit den Erfolgen rechter Parteien zusammenhängen. Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat von Beginn an klar gemacht, dass es ein „Weiter so“ mit ihr nicht geben wird.

Doch es läuft längst nicht alles nach Plan. Im Juli 2023 etwa unterzeichneten die EU, Italien und Tunesien einen Pakt gegen irreguläre Migration. Das ließ man sich in Europa eine Milliarde Euro kosten, doch schon die erste Rate überwies das afrikanische Land zurück. Hintergrund war die europäische Kritik an den tödlichen Abschiebungen in die Wüste und auch über den Wunsch der EU nach Abschiebungen von Staatsbürgern ohne tunesischen Pass in das Land.

Meloni reagierte und handelte ein modifiziertes Abkommen aus. Ob dieses Wirkung zeigt, ist offen. Eines der Ziele des Abkommens war nicht zuletzt, dass weniger Tunesier über das Mittelmeer nach Europa kommen. Laut den jüngsten Daten aus dem März gehören diese trotzdem zu den drei größten Gruppen unter denen, die seit Jahresbeginn nach Italien gekommen sind.

Unumstritten sind diese Deals keineswegs. „Ich bin ziemlich zurückhaltend mit diesen Geschäften, die sich erst noch als effizient erweisen müssen. Wir geben jetzt riesige Summen aus und geben dieses Geld an verschiedene Regime oder Regierungen wie die tunesische Regierung. Wir wissen, dass die Behörden dort die Flüchtlinge sehr schlecht behandeln“, sagte Nicolas Schmit, Luxemburger EU-Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte sowie Spitzenkandidat der Sozialdemokratischen Partei Europas.

Zuletzt hat die EU ein entsprechendes Abkommen mit dem Libanon abgeschlossen. Seit Ausbruch des Bürgerkrieges in Syrien 2011 hat das Land mehr als eineinhalb Millionen benachbarte Flüchtlinge aufgenommen. Von Tripoli im Norden des Landes bis nach Larnaka auf Zypern sind es rund 200 Kilometer Luftlinie. Immer wieder versuchen syrische Migranten, diese Strecke per Boot zu überwinden. Häufig kommt es dabei zu tödlichen Unfällen. Eine Milliarde Euro sollen nun bis 2027 fällig werden. Was genau mit diesem Geld vor Ort geschieht, ist ungewiss.

Unseriöse Vertragspartner
„Es steht leider auch das Risiko im Raum, dass mit diesen Zahlungen seitens der Europäischen Union korrupte Eliten gestärkt werden. Die wiederum, und das wissen wir aus investigativen Recherchen, auch mit Gewalt gegen syrische Flüchtlinge vorgehen. Und das würde paradoxerweise mehr Fluchtursachen erzeugen als bekämpfen“, sagte die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger kürzlich in einem Interview mit der „Tagesschau“.

Mag sein, dass die Österreicherin als Vorstandsmitglied von „SOS Mitmensch“ eher zur Asyllobby gehört, ganz von der Hand zu weisen sind die Befürchtungen aber nicht. Grundsätzlich seien multilaterale Verträge und Abkommen begrüßenswert, sagt Kohlenberger, sie müssten aber auch Sinn machen.

Die EU habe ein Interesse daran, „Stabilitätsanker“ zu setzen, entgegnet die CDU-Europaabgeordnete Lena Düpont. Dabei könne man sich die Partner nicht immer aussuchen. Die geographische Lage der EU sei nun mal nicht zu ändern.

Der Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen, Joachim Stamp (FDP), hofft unterdessen auf Hilfe zur Selbsthilfe. Es gehe darum, „einem Land zu helfen, das zig Millionen Flüchtlinge aufgenommen hat“, sagte Stamp mit Blick auf ein Abkommen mit Ägypten. 2015 hätte die EU den Fehler gemacht, die Nachbarländer Syriens mit ihren Problemen alleine zu lassen. Gleichwohl müsse man darauf achten, dass die Menschenrechte vor Ort eingehalten werden.

Widerstand der Asyllobby
Immigrantenorganisationen diffamieren dies als eine Floskel. Deals mit Diktatoren seien Teil des Problems und nicht Teil der Lösung bei der Beseitigung von Migrationsursachen, teilte Pro Asyl mit.

Offen ist, ob das kürzlich vom EU-Parlament beschlossene Migrations- und Asylpaket Besserung erzielt. Künftig sollen Personen, die ohnehin kaum Chancen auf Anerkennung haben, beispielsweise Inder oder Tunesier, beschleunigte Verfahren an den EU-Außengrenzen durchlaufen. Diese sollen höchstens drei Monate dauern. Bis zum Abschluss des Verfahrens dürfen sie in geschlossenen Zentren an den Außengrenzen untergebracht werden.

Doch hier stellen sich schon die nächsten Probleme ein. Das Beispiel Tunesien zeigt, wie fragil selbst schriftlich geschlossene Abkommen sind. Ob die Länder tatsächlich zur Rücknahme bereit sind, ist höchst ungewiss.

Interessant ist, dass in der zweiten Jahreshälfte mit Ungarn erstmals seit Langem ein betont migrationskritisches Land die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Danach folgen Polen und Dänemark, die eine ähnlich stringente Linie verfolgen.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS