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Nur noch Fundamente, wo bis vor Kurzem das Haus der Räte stand: Baustelle in Königsberg. Einer der in einer Ausstellung vorgestellten Vorschläge für die künftige Verwendung (kleines Bild)
Bilder: andreystolmachev/VK; KaliningradNur noch Fundamente, wo bis vor Kurzem das Haus der Räte stand: Baustelle in Königsberg. Einer der in einer Ausstellung vorgestellten Vorschläge für die künftige Verwendung (kleines Bild)

königsberg

Was kommt nach dem „Roboterkopf“?

Russischer Park, Hochhäuser oder modernes Stadtzentrum – Bei der Entscheidung sollen Bürger mitwirken

Carsten Kallweit
12.02.2025

Das Königsberger Haus der Räte wurde im August 2024 bis auf die Erdoberfläche abgebaut. Die erste Arbeitsphase wurde somit abgeschlossen, die zweite umfasst den Abriss des Fundaments, die dritte den Abbau der Springbrunnen-Kaskade. Die größte Schwierigkeit für das Abrissunternehmen bestand in den fünf unteren Stockwerken aus solidem Stahlbeton. Der oberirdische Teil des bedeutenden und langwierigen Bauprojekts und eines der wohl bekanntesten Wahrzeichen der Stadt wurde in weniger als anderthalb Jahren abgebaut. Die Errichtung des Gebäudes hingegen dauerte mehr als 20 Jahre.

Ursprünglich sollte das Haus der Räte einem von Stalins Hochhäusern in Moskau ähneln und die wichtigste architektonische Dominante von Königsberg – das majestätische Königsschloss, das 1968 gesprengt wurde, ersetzen. In den späten 1960er Jahren schlug der damalige Chefarchitekt der Stadt ein Konzept vor, wonach im Bereich des abgerissenen Schlosses ein zentraler Platz entstehen sollte, gekrönt von einem 21-stöckigen, zweitürmigen, rechteckigen Hochhaus. Das Konzept wurde genehmigt und die Behörden beauftragten ein Moskauer Architekteninstitut, dessen Mitarbeiter damals Standardprojekte für Großplattenbauten entwickelten, mit der Planung der Anlage.

Ein Stadtsymbol?

Das Hauptargument für den Bau des Hauses der Räte war die angebliche Ungeeignetheit des Gebäudes des ehemaligen Landesfinanzamtes (1928 vom bedeutenden Königsberger Architekten Friedrich Lahrs gebaut) für repräsentative Zwecke einer regionalen Machtzentrale. Übrigens wird dieses Backsteingebäude bis heute von der Gebietsregierung als Hauptsitz genutzt.

Damals wollte man das Regionalkomitee der KPdSU und die Regionalregierung, das Stadtparteikomitee und die Stadtverwaltung sowie das Komsomol-Komitee in das neue Rätehaus verlegen. Der Bau des Gebäudes im Stil der sowjetischen Moderne – im Volksmund „Roboterkopf“ genannt – nach dem Entwurf des Moskauer Architekten Julian Schwarzbreim begann im Jahr 1970. Das Haus wurde jedoch nie fertiggestellt und in Betrieb genommen. Ende 2020 kündigten die regionalen Behörden an, das Gebäude abreißen zu wollen.

Die damals beauftragten Bauexperten kamen zu dem Schluss, dass der technische Zustand der Gebäudestrukturen „in ihrer Funktionalität eingeschränkt“ sei und viele Bauelemente Mängel und Schäden aufwiesen und es daher notwendig sei, Sanierungsarbeiten „in erheblichem Umfang“ durchzuführen. Die Sachverständigen führten die Hauptursachen für die Schäden unter anderem auf langfristige Witterungseinflüsse auf das leerstehende Gebäude durch das feuchte Klima, Vandalismus und die Folgen von gescheiterten Wiederaufbauversuchen zurück.

Darüber hinaus waren die architektonischen Planungslösungen des Rätehauses aus heutiger Sicht veraltet. Die Flure und Fluchtwege waren zu eng, die Decken zu niedrig, der Einbau einer modernen Lüftung wäre nicht möglich und die meisten Innenräume waren ohnehin recht klein.

Im März 2023 unterzeichnete die Königsberger Gebietsregierung einen Vertrag zum Rückbau mit einem örtlichen Bauunternehmen. Die mehrmonatige Demontage verlief nicht ohne Probleme, es gab sogar einen Todesfall, als ein junger Bauarbeiter an seinem ersten Arbeitstag im Juni vergangenen Jahres verunglückte.

Beim Abriss wurden ganze Gebäudeteile von Liebhabern zum Andenken ergattert – ähnlich wie bei der Berliner Mauer. Lokale Handwerker in Gumbinnen verkaufen beispielsweise aus Teilen des Rätehauses gefertigte Erinnerungsstücke. Die regionale Wirtschaftsfördergesellschaft hat das Bild des Rätehauses im Jahr 2023 als Marke registriert. Auf dieser Grundlage wurden Verträge über kommerzielle Nutzungsrechte abgeschlossen. Die Gesellschaft hat inzwischen rund 12.000 Etiketten verkauft, welche die Urheberrechte mit dem Bild des Rätehauses bestätigen. Diese silbernen Aufkleber werden derzeit aktiv von Künstlern und Handwerkern gekauft, die Postkarten, Kühlschrankmagnete, T-Shirts, Kerzen und verschiedene Druckerzeugnisse mit dem ehemaligen Stadtsymbol herstellen.

Die markanten tonnenschweren Paneele mit Fensteröffnungen sind nach dem Abbau ebenfalls begehrt. Alexander Bytschenko (Inhaber der Privatmuseen „Altes Haus“ und „Haus des Walfängers“) hat drei davon käuflich erworben und zunächst eingelagert. Anschließend organisierte er einen Designer-Wettbewerb darüber, wie man mit diesen Bauelementen eine Erinnerungsstätte für das Rätehaus als „Teil des kulturellen Codes der Stadt“ gestalten kann. Die Ergebnisse wurden kürzlich in einem Ausstellungsraum öffentlich präsentiert.

Zukunftsmusik

Mit dem Verschwinden des Hauses der Räte entstand auch ein städtebauliches Vakuum. Womit wird es gefüllt? Das Hauptkonzept bleibt derzeit der nicht genau definierte „Russische Park“, der einst vom damaligen Gouverneur Anton Alichanow angekündigt wurde. Die Errichtung eines Parks wäre für den ehemaligen Stadtarchitekten Alexander Baschin allerdings ein Ausweichen vor dem Problem. Er plädiert für eine Bebauung im Baustil einer modernen europäischen Stadt. Dies sei immerhin das historische Stadtzentrum, und es sei unumgänglich, hier urbane Strukturen zu schaffen. In der gegenwärtigen politischen Lage sieht er allerdings keinen Sinn, über die Wiederherstellung „der abendländischen Symbolik“ zu diskutieren.

Die Architekturhistorikerin Irina Belinzewa befürchtet dagegen, dass an die Stelle des sowjetischen Symbols ein „kapitalistisches“ treten wird – zum Beispiel in Form eines mehrstöckigen „menschlichen Ameisenhaufens“.

Die heutige Gebietsregierung verspricht, man werde die künftige Nutzung dieses Areals aktiv mit der Bevölkerung diskutieren. Ob es öffentliche Debatten geben wird oder ob die Gebietsregierung einen Wettbewerb für den besten städtebaulichen Entwurf ausschreibt, ist noch nicht entschieden.


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