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Verirrter Wal fand in dem Werk „Historia animalium“ von Conrad Gessner Beachtung
Wer als Fremder die Greifswalder Marienkirche besucht, rechnet nicht damit einem Wal zu begegnen, wenn auch nur als Wandbild, aber immerhin in naturgetreuer Abmessung von über sieben Meter Länge. Das Fresko aus dem 16. Jahrhundert befindet sich in der nördlichen Turmseitenhalle. Es erinnert an die Strandung eines Schwertwals am 30. März 1545 im Greifswalder Bodden. Die Art wird wegen ihrer rabiaten Jagdweise auch Killerwal genannt. Der Name Orca ist ebenfalls üblich. Vermutlich war der vor allem im nördlichen Pazifik und Atlantik beheimatete Meeressäuger infolge einer Sturmflut in den eigentlich flachen Bodden geraten.
Als der Pegel sich normalisierte, schwamm sich der Wal – dem Bildnis nach handelt es sich um einen Bullen – vor dem Fischerdorf Wieck fest. Möglich aber auch, dass er einem Heringsschwarm bis ins seichte Wasser gefolgt war. Fischer und Bauern töteten und schlachteten das hilflose Tier jedenfalls. Wie aus Berichten hervorgeht, soll ein in tieferem Grund schwimmendes Weibchen noch lange nach seinem Gefährten gerufen haben. Schließlich sei die Klage verstummt.
Die Nachricht von der Strandung des Wals verbreitete sich alsbald im deutschen Sprachraum und darüber hinaus. Für den bekannten Schweizer Gelehrten Conrad Gessner (1516–1565) ein Anlass, in seinem vierbändigen Werk „Historia animalium“ darüber zu berichten.
Die Greifswalder standen indes lange Zeit unter dem Eindruck des Ereignisses und erkannten darin Zeichen Gottes. Immerhin hatte der Prophet Jona, nachdem er während eines fürchterlichen Sturmes über Bord gegangen war, drei Tage und Nächte im Bauch eines Wals zugebracht.
Das Tier spie ihn dann unversehrt aus, sodass der aus Sturmesnot gerettete Jona seinen Auftrag, der Stadt Ninive eine göttliche Botschaft zu verkünden, erfüllen konnte. Es verwundert sodann nicht, dass die Greifswalder auch in ihrem Dom
St. Nikolai ein Walfresko anfertigen ließen, das wahrscheinlich ebenfalls im Zusammenhang mit der Strandung vom
30. März 1545 steht. In späteren Zeiten ist es mehrfach übertüncht worden, wodurch es in Vergessenheit geriet. 2009 entdeckten Restauratoren jedoch Fragmente des alten Bildnisses.
Großwale verirrten sich in die südliche Ostsee auch später immer wieder einmal. So zeigt das Museum für Meereskunde und Fischerei in Stralsund das Skelett eines 16 Meter langen Finnwals, der 1825 tot vor der Insel Rügen entdeckt wurde. Einer Sensation gleich kam auch der Fund eines 15 Meter langen Finnwals, der 1899 an der pommerschen Küste vor Dievenow angetrieben worden war.
Der Hotelbesitzer Steffen im benachbarten Cammin soll seine Herberge daraufhin in „Hotel zum Walfisch“ umbenannt haben. In jüngerer Zeit machten hingegen häufiger verirrte Buckelwale von sich reden. Im August 1978 etwa tauchte ein zehn Meter großes Exemplar immer wieder vor der Insel Rügen auf.
30 Jahre später war es dann zur Freude der Sommerurlauber ein zwölf Meter langes Tier. Im August 2016 kollidierte ein Buckelwal im Greifswalder Bodden gar mit einem Segelboot.
Die lediglich bis eineinhalb Meter lang werdenden Schweinswale, die einzige in der Ostsee heimische Walart, wird indes recht regelmäßig beobachtet.