Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Wie eine Führung auf Filzpantoffeln lädt ein opulenter Band zur Entdeckung der überlieferten Möbel, Skulpturen und Gemälde ein
Alles Schöne in Berlin ist preußisch. Von der Staatsoper und den Bauten der Museumsinsel bis zur Husemannstraße, vom Charlottenburger Schloss und dem Brandenburger Tor bis zur Hufeisensiedlung – Preußen. Und doch lebt die auch architektonisch geschundene Hauptstadt im stetigen Gefecht um und gegen alles Preußische, selbst dessen Kunst. So nehmen auch die Diskussionen um den Wiederaufbau ihres bedeutendsten Barockbaus, des Schlosses an der Spree, kein Ende.
Es ist ein Kampf, auch gegen das Schöne an sich, denn „die moderne und Gegenwartskunst hat ob der Platitüden oder auch Brutalisierung ihrer Produkte zu einer allgemeinen Vergröberung der Sinne beigetragen und sie für das Sehen und Verstehen klassischer Schönheit unempfänglich gemacht“ (Reinhard Liess). Um ein verstehendes Sehen aber geht es auch beim Schloss. Das Verständnis für jene in einer langen Geschichte gewachsene harmonische Schönheit, die Idee einer mit der eigenen Vergangenheit verbundenen lebenswert-menschlichen Stadtgestaltung stand von Anfang an bei denen im Mittelpunkt ihres Wirkens, die sich als verantwortungsbewusste Bürger für den heilsamen Wiederaufbau ihrer Stadt und damit des Schlosses einsetzten.
Idealismus der Schönheit
Die Gegenargumente der Kritiker bleiben kleinlich, zeitideologisch-flach, die preußische Vergangenheit ablehnend. Fragen wir einfach: Was wäre der Gegenentwurf zur nebst den Barockfassaden nunmehr wieder aufgerichteten Kuppel denn gewesen? Wir brauchen uns nur umzuschauen, da sehen wir, welche glatte Öde jeder „moderne“ Gegenentwurf gewesen wäre. Und eine derartige gestalterische Leere findet sich nun an der modernen Ostseite und im Inneren, dem man seine „bunte Vielfalt“ zwischen Renaissance, Barock und Wilhelminischer Kaiserzeit genommen hat.
Aber der Idealismus derer, die sich für den Reichtum der Schlossräume und ihre mögliche Rekonstruktion einsetzen, erlischt nicht. Einer, der in seinen Werken, etwa seiner Forschung zum Barockbaumeister Andreas Schlüter, von jeher engagiert für das Schloss eintrat, ist der Kunsthistoriker Guido Hinterkeuser. Er lässt sich nicht abbringen, weiter für das Innere zu werben. Er weitet sein und zugleich unser Wissen aus. 2012 publizierte er in einem dünnen Band Beispiele zur erhaltenen Innenausstattung. Jetzt liegt das Buch in völlig überarbeiteter und umfangreicherer Form wie vergrößertem Format neu und noch reicher bebildert vor: „Das Berliner Schloss. Die erhaltene Innenausstattung und ihre Geschichte“.
Hinterkeuser beginnt mit einer Geschichte des Schlosses von den Tagen der Revolution 1918/19, über den langen Weg zur Einrichtung desselben zum Museum. Anhand alter Museumsführer und Inventare führt uns Hinterkeuser, so als folgten wir seiner Schlossführung in großen Filzpantoffeln, durch die Museums- und die historischen Wohnräume der preußischen Könige und deutschen Kaiser. Raum für Raum, immer wieder auf Decken und Wände, doch vor allem auf Möbel und Gemälde hinweisend, geht es durch Säle und kleine Zimmer, durch Galerien und über Treppen auf und ab.
Dabei wird dem Leser niemals langweilig, denn Hinterkeuser schreibt nicht als trockener Kunsthistoriker. Er will begeistern, die Augen für die Details öffnen. Hier lässt er uns die Gemälde zweier schöner Hofdamen auf dem schwarz-weißen Foto der Braunschweigischen Galerie suchen, daneben zeigt er sie – da erhalten – in Farbe. Dort stellt er uns riesige Wandteppiche aus der Zeit König Friedrichs I. vor, um im nächsten Saal unsere Aufmerksamkeit auf vergoldete Armlehnstühle oder das neubarocke Bett Kaiser Wilhelms II. hinzulenken.
Was den Krieg überdauerte
Da vor allem Kleinkunst den Krieg überdauert hat, folgen in ausführlichen Exkursen Plastiken, Silberarbeiten oder die technisch ausgetüftelten Möbel David Roentgens. Vor allem aber präsentiert Hinterkeuser den großen Gemäldeschatz, der von Lucas Cranach, Carl Blechen bis Caspar David Friedrich einst im Schloss hing.
Hinterkeuser trägt zusammen, was heute in den anderen Schlössern der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten ausgestellt wird, welche Gemälde wo in Museen hängen oder was unbeachtet in Depots auf seine Aufstellung wartet. Er hofft auf die Rückführung in das Schloss, dies – so der Rezensent – müsste aber doch Stück für Stück diskutiert werden, zumal die auf Fotos gezeigte frühere Aufstellung und Hängung nicht immer überzeugt.
Anhand der Innenansichten und der Farbfotos einzelner Gegenstände macht sich der Leser selbst auf den Weg, die Räume genauer kennenzulernen. Wer Schlossbesuche liebt, der wird mit Freuden lesen und blättern. Wer das kunstgeschichtliche Detail wünscht, der wird genau – auch mit einem umfassenden Anmerkungsapparat und Literaturverzeichnis – unterrichtet. Am Ende des Rundganges und des Buches angekommen, folgt ein Kapitel, das sich der Zerstörung, der Auslagerung und der Bergung im und nach dem Krieg zuwendet.
In seinem abschließenden Plädoyer hofft Hinterkeuser, dass „an ihrem eigentlichen Ort [...] die Kunstwerke ihre einstige Aura zurück[erlangen], und die Rekonstruktion der Fassaden [...] damit einen tieferen, auch inneren Sinn ergeben [würden].“ Das Nachdenken um den Bau, der Berlins Mitte ziert, ist – so zeigt dies rundum zu empfehlende Buch – nicht beendet.
Guido Hinterkeuser: Das Berliner Schloss. Die erhaltene Innenausstattung und ihre Geschichte 2., völlig neu überarbeitete Auflage, Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2023, 383 Seiten, 276 Abbildungen und sechs Grundrisstafeln, ISBN 9783-7954-3529-5
Kersti Wolnow am 11.11.24, 14:29 Uhr
Den Kampf gegen das Schöne erleben wir seit 1945. Es haben sich Kräfte an die Schaltstellen des Staates manövriert, die die Schrauben verkehrt herum drehen. Lebensmittel wurden zu Füllstoffen, Arzneimittel machen krank, Sportler und Models sind Invaliden, Krieg ist Frieden, und Nackte marschieren durch die Straßen.
Wer sind eigentlich diejenigen, die so vehement und laut gegen den Wiederaufbau des Schlosses anrennen und den Vorplatz mit einer idiotischen Wippe verunzieren wollen?