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Auch nach der Lektüre von „Der Unbeugsame“ bleiben Person und Profil noch im Vagen
Klappern gehört zum Handwerk. Das gilt auch für die Buchbranche. Und so strahlt ein faltenfreier, lächelnder und mit „Nerd“-Brille versehener Friedrich Merz die Leser auf dem Buchumschlag an. Der Titel könnte auch zu einer Clint-Eastwood-Biographie passen: „Der Unbeugsame“. Und auf der Rückseite des von Jutta Falke-Ischinger und Daniel Goffart verfassten Werks steht, dass es sich um das „spektakulärste Comeback in der Geschichte des Bundestages handelt“.
Merz ist Sauerländer. Und Sauerländer neigen nicht zu Übertreibungen. Ein Sauerländer würde also sagen: „Ging es nicht eine Nummer kleiner?“ Doch die Befürchtung, es handele sich um eine distanzlose Werbeaktion zwischen zwei Buchdeckeln, ist zum großen Teil unberechtigt. Das 300 Seiten starke, mit flotter journalistischer Feder geschriebene Werk ist keine Biographie im eigentlichen Sinn. Das ist schade. Denn gerade die Schilderungen der frühen Jahre des gebürtigen Briloners und der großbürgerlichen Herkunft und Familie lesen sich spannend.
Widerstandsfähiger Sauerländer
Die Autoren behaupten, dass seine Jugend- und Schulzeit im Sauerland und sein Familienleben mit Ehefrau Charlotte, den Kindern und Enkeln Friedrich Merz so widerstandsfähig machten. Diese Herkunft und familiären Hintergründe hätten Merz die Kraft gegeben, seinen langen und mühevollen Weg durch die Parteigliederungen durchzustehen. Doch gilt der Titel „Der Unbeugsame“ auch für die politischen Überzeugungen von Merz? Oder haben sich diese nicht sehr abgeschliffen, seitdem er die Macht in Partei und Fraktion übernommen hat?
Der Porträtierte ist unzweifelhaft konservativ sozialisiert worden: Ländliche Herkunft, Junge Union, Jurastudium, katholische Studentenverbindung, die Gattin ist ebenfalls Juristin und heute als Direktorin des Arnsberger Amtsgerichts tätig. „Das Sauerland ist und bleibt Fundament für alle weiteren Schritte“, schreiben die beiden Autoren, die ihn gar zum „Erben Adenauers aus dem Sauerland“ adeln.
Der 67-jährige Merz gehörte von 1989 bis 1994 dem Europäischen Parlament an. Danach war er rund 15 Jahre Bundestagsabgeordneter für den Hochsauerlandkreis. Nach der Bundestagswahl 2002 beanspruchte die CDU-Parteivorsitzende Angela Merkel den Fraktionsvorsitz für sich. Merz musste sich mit dem stellvertretenden Fraktionsvorsitz begnügen und verdiente nach seinem Ausscheiden aus der Politik erst einmal viel Geld als Wirtschaftsanwalt und Lobbyist.
„Die eigentliche Arbeit mussten immer andere machen“, zitieren die Autoren einen Anwalt aus einer deutschen Topkanzlei, der öfter mit Merz zu tun hatte. Auch die Rechtskenntnisse von Merz hätten sich für den Vertreter einer Topkanzlei durchaus „in engen Grenzen gehalten“, so der Jurist. Diese Passagen zeigen, dass Falke-Ischinger und Goffart durchaus auch kritische Töne anschlagen. Doch ein hervorragendes internationales und nationales Netzwerk, ein bis zur Arroganz reichendes, sehr starkes Selbstbewusstsein, seine rhetorische Brillanz glichen diese möglichen Defizite sicher aus.
Merz wurde in privilegierte Verhältnisse geboren. Sein Großvater Josef Paul Sauvigny war von 1917 bis 1937 Bürgermeister der Stadt Brilon, sein inzwischen aus der CDU ausgetretener Vater Joachim Merz Direktor des Amtsgerichts Brilon. Doch sein beruflicher und politischer Erfolg sind Friedrich Merz nicht in den Schoß gefallen. Er wurde hart erkämpft. Das unterscheidet ihn fundamental von einer heutigen Generation von Berufspolitikern, die oft keine abgeschlossene Ausbildung aufweisen können.
Merz spaltet die Gemüter. Für die einen ist er der Gottseibeiuns, ein abgehobener Millionär und „alter weißer Mann“, der Sauerland-Trump. Dieses Feindbild ist so dumm, dass man es gar nicht näher analysieren sollte. Für die anderen ist er eine Projektionsfläche ihrer konservativen Hoffnung. Diesen Merz-Fans hat es der Sauerländer zu verdanken, dass ihm sein politisches Comeback gelang. Doch inzwischen muss man wohl eine dritte Gruppe hinzurechnen: die Enttäuschten.
Hoffnungsträger und Enttäuscher
Denn seitdem Merz Fraktion und Partei führt, ist von einem konservativen Profil der CDU nicht so viel zu spüren. Die Autoren zeigen große Sympathien für die Frauenquote, die Merz schließlich durchsetzte, um das Thema abzuräumen. Doch während ihm mit dem Bierdeckel, auf den eine Steuererklärung passen sollte, einst ein sehr einprägsames Bild für seine Finanz- und Wirtschaftspolitik gelang, ist ihm dies seit 2021 nicht wieder gelungen.
Merz wolle die Partei mit einer technikoffenen Klimapolitik, einer besseren Bildungs- und Europapolitik und anderen Ansätzen neu ausrichten. Doch der Markenkern der CDU ist für viele nicht mehr erkennbar. Beim Bürgergeld konnte Merz erstmals innenpolitisch punkten, weil die CDU eigene Standpunkte vertreten und auch durchgesetzt hat. Ansonsten stellt Merz noch zu viele Fragen und gibt zu wenig Antworten.