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Stadtverwaltung vergibt Auftrag, ohne die Öffentlichkeit einzubeziehen – Architekten sind empört
Das Haus der Räte ist eine der Sehenswürdigkeiten der Stadt. Im Laufe der Jahre ist es so bekannt geworden wie der Dom auf dem Kneiphof. Die Lage der beiden Gebäude in unmittelbarer Nähe zueinander führt dazu, dass sie oft zusammen fotografiert werden.
Im vergangenen Jahr nahmen die Ereignisse um die Zukunft des Gebäudes eine unerwartete Wendung – nach zahlreichen Wettbewerben für Projekte zur Wiedererrichtung des Königsberger Schlosses und jahrelangen Diskussionen über die Integration des Hauses der Räte in die Landschaft der neuen „historischen“ Bebauung verkündete der Gebietsgouverneur Anton Alichanow jüngst, dass er keine Möglichkeit sehe, die Pläne zur Wiedererrichtung des Schlosses umzusetzen, und dass das Haus der Räte abgerissen werde.
Der ehemalige stellvertretende Chef der Regionalregierung und Leiter des großen Bauunternehmens Megapolis, Jewgenij Morosow, sagte, es sei billiger, das Gebäude abzureißen und an seiner Stelle etwas Neues zu bauen, als es zu sanieren. Bemerkenswerterweise soll Morosows eigenes Unternehmen den Abriss durchführen. „Um keine Zeit zu verlieren“, verzichtete die Regionalregierung darauf, einen Architekturwettbewerb zur Erarbeitung eines Entwicklungskonzepts für das Gelände um das Haus der Räte durchzuführen, und übergab die Rechte an das St. Petersburger „Studio 44“.
Nikita Jawejn, der Leiter von „Studio 44“, hat inzwischen sein Konzept vorgestellt. Er erklärte, die Architekten hätten sich von der „Silhouette der Ordensburg und des Stadtteils Löbenicht“ leiten lassen und den „mittelalterlichen Geist“ des Ortes bewahren wollen. Auf dem Gelände der preußischen Festung Twangste und einem Teil des Geländes des Hauses der Räte soll ein neues Gebäude für die Gebietsregierung entstehen. „Twangste ist ein natürlicher Ort für die Verwaltung des Königsberger Gebiets, es ist ein Ort der Macht, ein Ort der administrativen Führung dieser Region seit dem 13. Jahrhundert“, führte der Architekt aus.
Ein flüchtiger Blick auf die Abbildungen des Baukonzepts genügt jedoch, um zu erkennen, dass es nichts mit der Geschichte des Ortes zu tun hat. Die Gebäude sollen etwa 60 bis 70 Meter hoch sein. Es wird Wohn-, ein Regierungs- und Stadtverwaltungsgebäude und ein Museum der russischen Geschichte geben.
Hotelturm als Dominante
Doch damit nicht genug. Die Konzeptentwickler sehen als Dominante des neuen Viertels einen hundert Meter hohen Hotelturm vor. Die Höhe der Turmspitze soll der des ehemaligen Königsberger Schlosses entsprechen. „Ein moderner Kasten als würdiger Ersatz für die Silhouette eines Schlosses“, urteilt der Architekt Oleg Kopylow abwertend. Da niemand die Öffentlichkeit bei der Entscheidung über die Veränderung des wichtigsten Platzes im Stadtzentrum eingebzogen hat, war die Reaktion der Architekten- und Fachwelt entweder zurückhaltend oder ablehnend.
Die Entscheidung, Wohngebäude im historischen Zentrum von Königsberg zu bauen, und das Fehlen einer kulturellen Infrastruktur sorgen in der Öffentlichkeit für Verwirrung. Alichanow schlug deshalb vor, „die Kultur“ auf die Insel zu verlagern, wo derzeit ein Museumszentrum gebaut werde, und erinnerte daran, dass auch das neue Regierungsgebäude ein Museum der russischen Geschichte beherbergen solle.
Mangelnde Transparenz kritisiert
Ein weiterer Punkt, der die Architekten verärgert, ist das völlige Fehlen eines neuen Symbols im historischen Stadtzentrum, eine Art markantes Bild, welches das untergegangene Schloss und das Haus der Räte ersetzt. Wjatscheslaw Genne, Berater des Gouverneurs und ehemaliger Chefarchitekt der Gebietshauptstadt, meint, man könne das vorgestellte Konzept beim besten Willen nicht als logisches Ergebnis aller bisherigen Wettbewerbe betrachten. Schon allein deshalb nicht, weil das neue Projekt andere Ziele habe. Damit meint er, dass ein potenzieller Investor die Entscheidungen beeinflusst. Als wahrscheinlichster Bauherr gilt das Unternehmen Megapolis Morosows.Die mangelnde Transparenz im Vergabeverfahren zur Umgestaltung des Stadtzentrums halten die Königsberger Architekten für völlig inakzeptabel. Kopylow sagt ganz unverblümt: „Wer hat die Aufgabenstellung unterschrieben, über die alle reden? Wir verstehen nicht, wie es dazu gekommen ist. Sie saßen da zusammen, schrieben eine Art Pflichtenheft für einen bestimmten Investor, denn der zahlt ja.“ Das Grundthema der Diskussion war, dass dieses Gebiet öffentliches Territorium ist und nicht einfach von Investoren übernommen werden kann, ohne eine Gegenleistung für die Bewohner der Stadt zu erbringen.
Die Position der Regionalregierung, die das Konzept für die Zukunft des Hauses der Räte in Auftrag gegeben hat, brachte der Chefarchitekt der Region, Jewgenij Kostromin, folgendermaßen auf den Punkt: „Unsere Bürger können nicht einmal entscheiden, was in ihrem Hinterhof passiert, und Sie wollen, dass sie über das Schicksal des zentralen Teils der Stadt entscheiden!“