11.12.2024

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Darkehmen

Weedern, ein Gestüt mit Tradition

Jurij Luschkow, Moskaus ehemaliger Bürgermeister, rettete das Gut vor dem Verfall – Heute gibt es wieder eine Pferdezucht

Carsten Kallweit
06.11.2024

Anfang der 2000er Jahre wurden das Gelände und die Gebäude des ehemaligen Gutshofes Weedern von neuen Eigentümern erworben, der Familie des früheren Moskauer Bürgermeisters Jurij Luschkow. Er hat als Erstes eine neue moderne Schule für Kinder aus der Umgebung gebaut. Gleichzeitig begann auf dem Gelände des baufälligen ehemaligen Gutshofs und der Reste des einstmals soliden Gestüts die Wiederherstellung einer Pferdezucht. So entstand ein erfolgreicher Landwirtschaftsbetrieb mit Pferdesport-Komponente. Hier gibt es neben Pferde- auch Schafzucht sowie eine diversifizierte landwirtschaftliche Produktion: Seit einigen Jahren produziert das Unternehmen auch Buchweizen, Honig und Pilze. Geplant ist zudem die Zucht von Wachteln.

Luschkow beteiligte sich mit Leib und Seele an der Wiederbelebung des Gutshofes und fuhr oft selbst einen Traktor in Weedern. Im Dezember 2019 starb er im Alter von 84 Jahren an den Folgen einer Herzoperation an der Universitätsklinik in München. Seine Witwe will aber offenbar das Unternehmen nicht aufgeben.

Der gesamte Gutshof wurde inzwischen im historischen Baustil auf der Grundlage alter Fotos und Zeichnungen restauriert, alle Gebäude entsprechen nun modernen Standards. Das Gestüt wurde wiederbelebt und ist zu einem gemütlichen Zuhause für Elitepferde geworden. Derzeit werden im Gestüt vor allem Hannoveraner und einige wenige Trakehner gezüchtet. Das Herrenhaus soll später zu einem Spitzenhotel ausgebaut werden, dessen Gäste nicht nur die Schönheit und Stille der Landschaft genießen, sondern auch unter Aufsicht eines Lehrers reiten könnten. Somit könnte die lange Tradition des alten Gestüts fortgesetzt werden.

Die erste Erwähnung des Gutes Weedern stammt aus dem 17. Jahrhundert. Es befindet sich bei Darkehmen (ab 1938 Angerapp, ab 1946 Osjorsk) in Ostpreußen und heißt heute Suworowka. Früher bestand es aus dem Hauptgut Weedern mit drei Vorwerken und umfasste eine Gesamtfläche von etwa 1600 Hektar. Im Jahr 1832 wurde es von Alexander von Neumann gekauft, der aus einer Pferdezüchter-Dynastie in Szirgupönen stammte und Trakehner Pferde züchtete. Die Geschichte der alten Reitpferderasse Trakehner begann 1732 mit der Gründung des Hauptgestüts Trakehnen nahe der Hauptstadt des Regierungsbezirks Gumbinnen durch König Friedrich Wilhelm I.

Im Jahr 1895 heiratete die Erbin des Gutes, Luise von Neumann, Eberhard von Zitzewitz, der Weederns Herr wurde. Dies war der Beginn einer jahrzehntelangen erfolgreichen Zuchtarbeit, denn Zitzewitz war ein begnadeter Pferdezüchter. Damals musste er zahlreiche Bau-, Landschafts- und Entwässerungsarbeiten in Weedern durchführen:Er ließ Ödland und Sümpfe in Wälder und Ackerland verwandeln und den Pferdebestand vergrößern. Dank seiner Bemühungen hat sich Weedern zu einem landwirtschaftlichen Vorzeigebetrieb und Gestüt für die Zucht reinrassiger Pferde von Weltrang entwickelt. Während einer Ausstellung in Hamburg im Jahr 1910 erhielten die ausgestellten Pferde aus Weedern zahlreiche Auszeichnungen: acht Sieger- und Erstplatzierungen undfünf Zweitplatzierungen. Diese Erfolge wiederholten sich bei späteren Ausstellungen in Stuttgart, Hamburg und München. Jedes Jahr verkaufte das Gestüt etwa 50 Pferde.

Das Gut Weedern besteht auch heute aus einem großen, neobarock umgestalteten Herrenhaus, umgeben von zahlreichen Stallungen und verschiedenen Nebengebäuden. Alle diese Bauten liegen in Form eines Rechtecks, in dessen Mitte sich ein Auslauf- und Präsentationsbereich für Pferde befindet.

Während des Ersten Weltkriegs erlitt Weedern große Verluste. Der wertvollste Teil der Herde wurde jedoch rechtzeitig nach Pommern gerettet. Nach Kriegsende wurden die Ställe und Häuser für die Arbeiter rasch wieder aufgebaut und die Herde auf 80 Stuten aufgestockt. Hier wurden auch einige berühmte Pferde gezüchtet, unter anderem ein Spitzenhengst, genannt Bulgarenzar, der zu einem der bekanntesten in Ostpreußen wurde.

1929, nach dem Tod seiner ersten Frau, heiratete Eberhard von Zitzewitz Anna von Sperber, die einer alten preußischen Adelsfamilie entstammte, die sich auch mit der Pferdezucht beschäftigte. Der Zusammenschluss zweier Pferdezüchter-Familien steigerte deren Effizienz. 1934 starb Zitzewitz, und seine Frau führte das gemeinsame Unternehmen weiter. Im Zweiten Weltkrieg, vor dem sowjetischen Vormarsch 1944, verließen Belegschaft und Pferde Weedern in Richtung Pommern. Damit endete die Geschichte eines der berühmtesten ostpreußischen Privatgestüte.

Nach dem Krieg wurde 1946 auf den Ländereien des ehemaligen Gutes ein staatlicher Landwirtschaftsbetrieb (Sowchose) gegründet. Hier lebten Neusiedler aus verschiedenen Teilen Russlands: aus den Regionen Smolensk, Pleskau und Nowgorod. Im Landwirtschaftsbetrieb züchteten sie Vieh und betrieben Ackerwirtschaft, hier wurde Gemüse und Getreide angebaut. Von 1947 bis 1962 hatte im ehemaligen Herrenhaus die Verwaltung der Sowchose ihren Sitz, seit 1963 befand sich dort die Grundschule, in der Kinder aus umliegenden Dörfern lernten. Außerdem beherbergte das Gebäude des ehemaligen Herrenhauses ein Gemeindezentrum, eine Kantine und ein Postamt. In den ehemaligen Gestütsgebäuden wurden in der Sowjetzeit Kuhställe und Werkstätten untergebracht.


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