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Nach der Landtagswahl in Bremen beginnen die Parteien mit der üblichen Deutung ihrer Wahlergebnisse. Während für SPD und Linkspartei vor allem lokale Faktoren eine Rolle spielten, können ihre Wettbewerber durchaus bundespolitische Lehren ziehen
Die Landtagswahl von Bremen brachte gemessen an den Umfragen kaum Überraschungen – und dennoch spannende Erkenntnisse. Zumindest, wenn man sich die Ergebnisse der einzelnen Parteien unvoreingenommen ansieht.
Scheinbar alles richtig gemacht hat die SPD. Die Sozialdemokraten, die seit der ersten demokratischen Wahl der Nachkriegszeit das Oberhaupt des Zwei-Städte-Staates stellen, sind mit knapp 30 Prozent wieder stärkste Kraft geworden und liegen mit vier Prozentpunkten Vorsprung vor der CDU, die bei der letzten Wahl knapp stärkste Kraft geworden war. Damit könnten die Genossen im Grunde zufrieden sein – wäre da nicht das „kleine“ Problem, dass ihr Erfolg in Bremen konträr zum Bundestrend steht. Dass es deutschlandweit für die SPD seit der Bundestagswahl im Herbst 2021 fast nur noch nach unten geht (von 25,7 Prozent am Wahlabend auf 16 bis 18 Prozent in jüngsten Umfragen), zeigt, dass ihr Erfolg an der Weser eher lokale Ursachen hat. Allen voran die Tatsache, dass sich im Nordwesten der Republik über alle gesellschaftlichen Disruptionen der letzten Jahre hinweg ein paar sozialdemokratische Biotope erhalten haben, die der Partei noch immer halbwegs stabile Wahlergebnisse garantieren. Hinzu kommt die Popularität des Bürgermeisters Andreas Bovenschulte, der bundespolitisch kaum in Erscheinung tritt, vor Ort jedoch den Kümmerer gibt und sich mit seiner Ansage, sich vorrangig um Wirtschaft und soziale Sicherheit kümmern zu wollen, sowohl von seinem grünen Koalitionspartner als auch von der eigenen Bundespartei distanziert, die sich thematisch allzu oft im Fahrwasser der Grünen bewegt.
Die Grünen bekamen mit knapp zwölf Prozent (ein Minus von rund 5,5 Prozentpunkten) die Quittung für ihre brachiale Energiepolitik, die auch in Bremen für Mieter und Hausbesitzer gleichermaßen existenzbedrohliche Kosten zur Folge hätte, sowie für die Familienclan-ähnlichen Strukturen in ihrer Führungsspitze. Dass die Öko-Partei vor einem Jahr in Umfragen noch bei 21 Prozent stand, zeigt, dass für sie das Regionalergebnis an der Weser durchaus eine klare bundespolitische Botschaft hat. Zumal die Umfragenkurve im Bund genauso nach unten zeigt wie auf Landesebene. Ob die Grünen allerdings gewillt sind, aus den jüngsten Erkenntnissen auch Konsequenzen zu ziehen, kann angesichts des derzeitigen Verhaltens der Grünen-Spitze bezweifelt werden.
Für die bislang an der Weser mitregierende Linkspartei war der Wahlsonntag ein Anlass zum Jubeln. Nachdem die gewendete SED-PDS in den vergangenen Jahren auf Bundes- und Landesebene wiederholt heftige Wahlniederlagen einstecken musste, konnte sie in Bremen mit rund elf Prozent ihr Stimmenergebnis von 2019 weitgehend halten. Angesichts ihrer sonstigen Lage ist jedoch klar, dass Bremen für die dunkelroten Genossen nur eine lokale Ausnahme von ihrem ansonsten fast überall zu beobachtenden Abwärtstrend ist.
Richtungsfrage für die Bürgerlichen
Am meisten könnte – wenn sie denn wollte – die CDU aus dem Wahlergebnis von Bremen lernen. Sie setzte auf eine Doppelspitze, der neben dem bodenständigen Landwirt Frank Imhoff auch die als Shootingstar der Partei gehandelte Wiebke Winter angehörte. Diese hatte zuvor zwar noch nie eine Wahl gewonnen, galt aber – aus welchen Gründen auch immer – als junge Frau und Mitgründerin der „Klimaunion“ als Hoffnungsträgerin all jener, die noch immer glauben, die Union müsse „grüner“ und „großstadtkompatibler“ werden. Bremen zeigt nun – wie so viele Wahlen zuvor auch –, dass dies ein Irrweg ist. Und zwar nicht nur, weil 70 Prozent der Deutschen noch immer auf dem Lande sowie in klein- und mittelgroßen Städten leben, sondern weil auch in den Metropolen – vor allem in den Vierteln, in denen diejenigen leben, die mehr in den Staat einzahlen als sie aus ihm herausbekommen – der Bedarf groß ist an einer soliden, an den Nöten der Bürger orientierten Politik. Insofern kann die Erkenntnis für die Union einmal mehr nur lauten, dass sie sich endlich wieder auf ihre bürgerliche Kernwählerschaft besinnen sollte.
Ein Teil dieser Wähler war früher einmal auch bei der FDP zuhause. Doch das scheint lange her. Seit ihrem Eintritt in die Ampelkoalition 2021 werden die Liberalen kaum noch als bürgerliche Stimme der Vernunft wahrgenommen, sondern vor allem als zuverlässiger Mehrheitsbeschaffer für rot-grüne Wunschprojekte. Das Ergebnis: Zwar gelingt der FDP mit 5,2 Prozent knapp der Einzug in die Bremische Bürgerschaft, doch setzt sich auch hier ihr Trend fort, bei allen Wahlen seit der letzten Bundestagswahl an Stimmen verloren zu haben.
Spannende Erkenntnisse bietet das Bremer Wahlergebnis auch auf der rechten Seite des politischen Spektrums. Hier profitierte die Regionalpartei „Bürger in Wut“ von der Nichtzulassung der AfD zur Wahl und holte mit rund 9,5 Prozent einen Punkt mehr als sie und die AfD 2019 zusammen erhielten. Bundespolitisch relevant könnte das Ergebnis dadurch werden, dass „Bürger in Wut“ Partner der unlängst gegründeten Kleinpartei Bündnis Deutschland ist, die sich als Auffangbecken für all jene Wähler sieht, die sich bei Union und FDP nicht mehr wohlfühlen, denen die AfD jedoch zu weit nach rechts gerückt ist. Ob Bündnis Deutschland die Bremen-Wahl tatsächlich für einen Aufschwung nutzen kann, bleibt abzuwarten. Für die AfD bedeutet das Ergebnis von Bremen jedoch, dass ihr eigenes Abschneiden weniger von ihr selbst und ihren personellen wie programmatischen Angeboten abhängt, als vielmehr vom Vorhandensein eines ausreichend großen Protestpotentials. Wo dies vorhanden ist, geht es der AfD entsprechend gut. Und wo sie nicht antritt, haben die Wutbürger keine Probleme, ihre Stimme einer anderen Protestpartei zu geben.