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Wenn Frauen malen und fördern. Das Berliner Kupferstichkabinett wendet den Blick auf Italiens frühe Künstlerinnen und Mäzenatinnen
Selbst Kunsthistoriker kommen ins Stottern, wenn sie Diana Mantovana, Sofanisba Anguissola oder Elisabetta Sirani erklären sollen. Dem Kunstpublikum dürften diese Künstlerinnen noch weniger ein Begriff sein. Eine Ausstellung im Berliner Kupferstichkabinett will diese Bildungslücke schließen. Unter dem Titel „Muse oder Macherin? Frauen in der italienischen Kunstwelt 1400 – 1800“ werden rund 90 Werke und die Lebensumstände von knapp 30 Künstlerinnen, Sammlerinnen und Mäzenatinnen gezeigt und dokumentiert. Der Schwerpunkt liegt auf der Zeit der Renaissance, und die gezeigten Kunstwerke – Zeichnungen, Kupferstiche und Radierungen – stammen überwiegend aus eigenen Beständen.
Die sehenswerte Ausstellung betritt in der Tat Neuland. Zu festgefahren ist die allgemeine Vorstellung, dass die Kunst gerade jener Epoche eine Sache von Männern gewesen sei. Die Vorgabe lieferte der Maler und Biograph Giorgio Vasari mit seinen Lebensbeschreibungen von Künstlern. Eine einzige Frau hat er dabei berücksichtigt: die Bildhauerin Properzia de' Rossi (1490–1530), die viel gefragt war, aber schlechter bezahlt wurde als ihre männlichen Kollegen.
Italien war damals das einzige Land, dass auch Frauen den Zutritt zu den überall entstehenden Kunstakademien ermöglichte. Es waren Orte des künstlerischen Austauschs, wo man aber auch wichtige Verbindungen, heute würde man sagen: Netzwerke, schaffen konnte, was geradezu lebensnotwendig war. Eine Tätigkeit blieb allen Frauen an den Akademien aber jahrhundertelang verwehrt. Aktzeichnen war nur nach dem männlichen Modell möglich und zugleich auch nur Männern erlaubt. Künstlerinnen, die einen Akt zeichneten, mussten sich eine gezeichnete Vorlage mit männlichem Körper nehmen. Erstmals für das Jahr 1759, und zwar in Frankreich, ist eine Frau als Modell beim Aktzeichnen nachgewiesen.
Das Begleitheft zur Berliner Ausstellung führt fast 30 Namen an. In der Ausstellung selbst werden Arbeiten von etwa 20 Künstlerinnen gezeigt. In der Mehrzahl sind es Malerinnen, daneben solche mit Schwerpunkt Bildhauerei, Kupferstich, Design, Zeichnung oder alles in allem, dazu oft auch kluge Geschäftsfrauen. Ein eigenes Kapitel ist Mäzenatinnen und Kunstsammlerinnen gewidmet. Hier sind es unter anderem die kunstsinnige schwedische Königin Christina (1626–1689), die nach ihrer Konversion zum Katholizismus lange in Rom lebte, ferner die spätere Königin von Frankreich Maria de' Medici (1575–1642) und ihre fast gleichaltrige Verwandte Eleonora Orsini Sforza (1570–1637), eine große Förderin der römischen Kunstwelt im Frühbarock.
Einige Namen seien als Künstlerinnen genannt: Die in Mantua geborene Diana Mantovana (1547–1612) galt als eine der großen Kupferstecherinnen im 16. Jahrhundert, wovon mehrere großartige Stiche in der Ausstellung zeugen. Getreu dem Humanismusideal ihrer Zeit mischen sich bei ihr christliche und antike Motive. Außerdem war sie die erste Frau in der Accademia dei Virtuosi al Pantheon.
Die eindrucksvollsten Zeichnungen und Stiche stammen von der Bologneserin Elisabetta Sirani (1638–1665). Sie wuchs in der Werkstatt ihres Vaters auf und erreichte früh eine große Fertigkeit, was ihr viele Aufträge einbrachte. Mit 22 Jahren wurde sie als einer der ersten Frauen Mitglied der Kunstakademie in Rom. Vor jedem Verkauf stellte sie ihre Werke werbewirksam aus. Schon mit 27 Jahren ist sie gestorben. Zu Lebzeiten war sie so etwas wie ein „Popstar“.
Über die römische Malerin und Zeichnerin Artemisia Gentileschi (1593–1654) gibt es bereits einige Darstellungen. Sie war als junge Frau vergewaltigt worden, hatte sich dann aber in der Florentiner Kunstwelt emporgearbeitet und schließlich europaweit einen respektablen Namen verschafft. In ihren Briefen beklagt sie wiederholt die schlechte Bezahlung ihrer Arbeiten, obwohl Könige und Fürsten zu ihren Auftraggebern zählten.
Besonders berührt der Scharfsinn der aus Bergamo stammenden Isabetta Catanea Parasole (1575/80–1617). Sie war Designerin und Druckgraphikerin. In einem Waisenhaus hatte sie das Klöppeln und Sticken gelernt. Später lernte sie im graphischen Betrieb ihres Mannes, Buchillustrationen zu entwerfen, wobei sie schließlich ihre Stickereien und Klöppelvorlagen in einer Art Musterbuch druckte. Eines ihrer Vorlagenbücher wurde Jahrhunderte später, im Jahr 1891, in Berlin als Faksimile erneut herausgegeben.
Die aus Bologna stammende Lavinia Fontana (1552–1614) war außerordentlich populär wegen ihrer Portraitmalerei. Selbst Papst Gregor XIII. ließ sich von ihr malen. Sie unterzeichnete gelegentlich ihre Werke mit „virgo“ (Jungfrau). Die Vorstellung, dass die Jungfräulichkeit eine ideale Eigenschaft für Künstlerinnen sei, geht auf den italienischen Dichter Boccaccio zurück und hatte zeitweise großen Einfluss auf das Ideal von Künstlerinnen.
Die Ausstellung ist am 8. März, dem Internationalen Frauentag, eröffnet worden. Eigentlich bedarf es dieses aktuellen Anlasses nicht, um eine überfällige Wiederentdeckung großer Künstlernaturen einzuleiten. Dem Betrachter, ob männlich oder weiblich, öffnet sich gleichwohl eine großartige, bislang unbekannte Welt.
• Kupferstichkabinett am Kulturforum Berlin, bis 4. Juni, geöffnet täglich außer montags 10 bis 18 Uhr, sonnabends und sonntags ab 11 Uhr. Eintritt: 6 Euro.
www.smb.museum