12.12.2024

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Wanderdünen

Weitreichende Folge früher Abholzungen

Wandernde Sandberge begruben immer wieder Dörfer unter sich – Ein ostpreußischer Förster sorgte für Abhilfe

Wolfgang Kaufmann
21.01.2024

Die ostpreußische Küste wird seit Jahrhunderten durch beeindruckende Dünenlandschaften geprägt. Vielfach nannte man die Ansammlung von Sandhügeln auf der Frischen und Kurischen Nehrung „Ostpreußische Wüste“ oder „Preußische Sahara“.

Manche der Erhebungen wie die Parnidis-Düne bei Nidden, die nach der 110 Meter hohen Dune du Pilat an der französischen Atlantikküste die zweitgrößte Wanderdüne Europas ist, ragen noch heute mehr als 50 Meter in die Höhe. Sie entstanden nach der Abholzung der Küstengebiete, die ursprünglich mit Nadelwald bedeckt waren. Dieser Holzeinschlag begann mit der Kolonisierung durch den Deutschen Orden. Er nahm immer größere Ausmaße an, bis er in den Kriegen des 17. und 18. Jahrhunderts seinen absoluten Höhepunkt erreichte. Daraufhin wurden die Dünen instabil und schoben sich langsam über die Siedlungen zu ihren Füßen.

Das gilt für die Parnidis-Düne ebenso wie für den einstmals 61 Meter aufragenden Petschberg bei Pillkoppen. Der bedrohte das Dorf auf der Kurischen Nehrung bereits ab etwa 1650. Daraus resultierte 1712/13 eine Verlegung der Ortschaft nach Nordosten. Zwischen 1760 und 1780 verschlang die Düne Alt-Pillkoppen – ein Schicksal, das um 1820 schließlich auch Neu-Pillkoppen erlitt, weswegen man in drei Kilometern Entfernung das dritte Pillkoppen errichtete. Doch auch dieses musste 1870 geräumt werden, wonach die Pillkoppener abermals den Neuanfang wagten.

Gänzlich unter dem Sand verschwanden dahingegen das Dorf Schmergrube auf der Frischen Nehrung, das zwischen 1644 und 1728 verschüttet wurde, sowie die Ortschaften Lattenwalde, Kunzen und Preeden auf der Kurischen Nehrung. Preeden fiel um 1700 dem Vormarsch des Predin-Berges zum Opfer. Und dann sind da noch Preil und Perwelk. Preil entstand 1850 an der alten Poststraße zwischen Nidden und Memel durch die Ansiedlung von Fischerfamilien aus den von den Dünen begrabenen Dörfern Neegeln und Karwaiten. Die übrigen seitens der Natur Vertriebenen gründeten 1844 das winzige Perwelk.

Da die preußische Regierung befürchtete, dass die Wanderdünen ihr Zerstörungswerk fortsetzen und am Ende nicht nur die Dörfer auf den Nehrungen, sondern auch die dortige Fischerei sowie die Straßen und Häfen gefährden könnten, veranlasste sie die Befestigung beziehungsweise Wiederaufforstung der Sandhügel. Diese erwies sich besonders auf der Kurischen Nehrung als kompliziert und geriet ab 1864 zum Lebenswerk des 1828 in Goldap geborenen Königlichen Dünen-Plantagen-Inspektors und Badekommissars von Cranz, Wilhelm Franz Epha.

Der gelernte Förster und frühere Offizier im Ostpreußischen Jägerbataillon
Nr. 1 versuchte zunächst die Methode seiner Vorgänger zu kopieren, die sich bei der Sicherung der nur bis zu zehn Meter hohen Vordünen am Ostseestrand bewährt hatte: Nach der Aufstellung von kleinen Strauchzäunen fing sich darin der Sand, wonach man zwischen den Abgrenzungen anspruchslose Strandgräser pflanzte, deren tiefe Wurzeln bis ins Grundwasser reichten. Später kamen Sanddisteln hinzu, die für die Bildung von Moos sorgten, auf dem dann wiederum Krüppelkiefern gediehen. Allerdings dauerte dieses Verfahren viel zu lange und taugte daher nicht für die großen Dünen.

Deshalb verfiel Epha darauf, in den Hängen der Sandhügel kleine quadratische Felder innerhalb einer schützenden Umrandung aus Rohrzäunen anzulegen, die zuerst mit Geschiebelehm und Haffmergel und anschließend mit Seetang und Reisig bedeckt wurden. Danach ließ er dort Zwergkiefern pflanzen, denen größere, mehr in die Breite wachsende Bergkiefern aus dem Alpenraum folgten. Das arbeitsintensive und kostspielige Verfahren führte tatsächlich dazu, dass die Bäume in kürzester Zeit Wurzeln schlugen.

Epha bändigte die Wanderdünen
Auf diese Weise rettete Epha zwischen 1887 und 1892 Pillkoppen vor der erneuten Vernichtung durch den Petschberg, der bereits wieder bis an die ersten Häuser herangerückt war. Zum Dank benannten die Einwohner des Dorfes den Gipfel der Düne „Ephas Höhe“. Bevor er dieses Meisterstück vollbrachte, hatte der Düneninspektor und Badekommissar, der inzwischen auch noch als Strandvogt und Oberfischmeister fungierte, weitere gefährliche Wanderdünen gebändigt.

So sicherte Epha von 1875 bis 1885 die damals bis zu 50 Meter hohen Sandhügel Urbo Kalns und Angiu Kalns westlich von Nidden. Dazu kam zwischen 1877 und 1882 die Bepflanzung der ebenso hohen Bruchberge bei Rossitten, was zur Rettung des Möwenbruchs führte. Des Weiteren stabilisierte Epha ab 1897 die Dünen nahe Preil und Perwelk. Damit formte er wie kein zweiter Mensch vorher und nachher die Landschaft der Kurischen Nehrung, was ihm die Ehrentitel „Alter Dünenkönig“ und „König von Rossitten“ eintrug.

Außerdem verlieh der preußische Herrscher Wilhelm II. Epha, der 1903 mit 76 Jahren in den verdienten Ruhestand ging und im September 1904 starb, 1896 den Roten Adlerorden. Das war immerhin die zweithöchste preußische Auszeichnung nach dem Schwarzen Adlerorden. Deswegen gehörte eine Verleihung an Personen von bürgerlicher Herkunft wie Epha zu den absoluten Ausnahmen.


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