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Mit der Eröffnung des Ostflügels hat das Humboldt-Forum die letzte Etappe genommen – Ausstellung hadert mit „kolonialer Kunst“
Das Humboldt-Forum im wiederaufgebauten Berliner Schloss ist als ein Museum für außereuropäische Kulturen jetzt vollständig eröffnet worden. In dem an der Spree gelegenen Ostflügel, der bislang für die Besucher noch geschlossen war, hat man nun eine weitere Sammlungspräsentation für die Öffentlichkeit freigegeben.
Vor dem Wiederaufbau des Schlosses war es die Idee, die immensen völkerkundlichen Sammlungen aus dem Vorort Dahlem in das neue Humboldt-Forum und damit in die Mitte der deutschen Hauptstadt zu holen. Aber die bald darauf einsetzende, immer hitziger werdende Diskussion zum deutschen Kolonialismus, vor allem zu den Unterdrückungen von Aufständen etwa der Herero und zu oft durch Zwang oder Raub erworbenen Kunstwerken warf immer stärker die Frage nach deren Legitimation auf. Nach Anstößen durch den französischen Präsidenten Emmanuel Macron und durch Denkschriften der Historikerin Bénédicte Savoy steht heute das Thema Restitution von Kunstgütern an ihre Ursprungsländer allenthalben auf der Tagesordnung.
Das gilt nicht zuletzt für die umstrittenen Benin-Bronzen. Diese aus Bronze, Elfenbein oder Holz gefertigten sakralen oder der Repräsentation dienenden Skulpturen aus dem afrikanischen Königreich Benin (heute Nigeria) – ausdrucksstarke Köpfe, Altargruppen, Waffen und Schmuck – werden heute als Kriegsbeute bezeichnet, nachdem die Briten das Königreich Benin 1897 erobert hatten.
Das damalige Ethnologische Berliner Museum erwarb von den Briten und von einheimischen Händlern allein über 500 solcher Bronzen. Weitere Bestände gingen auch nach Hamburg, Köln, Dresden, Leipzig und Stuttgart.
Den immer drängenderen Rückgabeforderungen in Deutschland und Nigeria konnten sich letztlich weder die Bundesregierung noch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz als Eigentümerin der Bronzen entziehen. Im Sommer dieses Jahres wurde zwischen der deutschen und der nigerianischen Regierung eine Vereinbarung über die Rückgabe der Benin-Bronzen unterzeichnet. Sie wurde dann zwischen der Stiftung und der nigerianischen Denkmal- und Museumskommission präzisiert, indem alle 514 Bronzen für ein neues Museum in Benin-City zurückgehen, ein Drittel aber als Leihgabe vorerst für weitere zehn Jahre in Berlin bleibt.
Die Bronzen bestimmten jetzt vielfach die Reden bei der Eröffnung. Alle Redner nannten das Museum einen Ort des Dialogs mit außereuropäischen Museen. Stiftungspräsident Hermann Parzinger, gewissermaßen vom Saulus zum Paulus geworden, der noch 2017 jede Restitution abgelehnt hatte, pries jetzt die getroffenen Vereinbarungen als Beispiel für eine Überwindung „noch immer dominanter westlicher Perspektiven“. Das Humboldt-Forum sei zum „Pluriuniversalmuseum“ geworden, das mit Fachleuten aus aller Welt die heute drängenden Fragen der Menschheit behandeln wolle.
Zumindest den Ausstellungssälen zu Afrika ist anzumerken, dass sie eilig, fast zu hastig mit Blick auf die neue Situation umgebaut werden mussten. Mitunter liest man mehr, als man sieht: viele historisch informierende Texte zum Königreich Benin und zu dessen Reichtum, der sich, das wird mehr en passant erwähnt, auch dem Sklavenhandel verdankte. Ausgespart bleibt allerdings das bis 1897 im Königreich übliche Ritual von Menschenopfern.
Ähnliche Texte sind auch im Tansania-Saal zu lesen. Weitere Texte befassen sich, durchaus selbstkritisch, mit dem damaligen Erwerb – teils durch Kauf, teils aber auch durch Zwang oder Raub. Der in der Berliner Museumsgeschichte renommierte Direktor des damaligen Königlichen Museums für Völkerkunde, Felix von Luschan (1854–1924), wird als zwar „durchaus fortschrittlich, letztlich aber skrupellos“ charakterisiert.
Dauerthema Restitution
Von den 168 noch als Leihgaben in Berlin befindlichen Bronzen sind erstaunlicherweise jetzt nur 40 ausgestellt – allerdings großartige Beispiele afrikanischer Kunst wie etwa der Gedenkkopf einer Ioba-Königinmutter, Königsköpfe, Schmuck und Waffen. Auch das musste der eiligen Neukonzeption des Raumes geschuldet werden. Ein großes Gerüst sollte ursprünglich mehrere Bronzen aufnehmen, stattdessen ist jetzt ein zehnteiliges Mehrkanalvideo installiert, auf dem deutsche und nigerianische Museumsvertreter die Rückgabe begrüßen.
Bei der Rückgabe der Benin-Bronzen allein ist es schon nicht mehr geblieben. Vor einiger Zeit waren Verantwortliche aus Namibia, dem ehemaligen Deutsch-Südwestafrika, in Berlin, mit denen gemeinsam der betreffende Bestand des Museums durchgesehen wurde. 23 Artefakte wurden ihnen, wie sie sagten, „als Stück unserer Geschichte“ übergeben. An Kamerun wurde eine sogenannte Ngonnso-Figur, eine kultisch verehrte Göttin, restituiert, an Tansania mehrere Kult- und Gebrauchsgegenstände (die PAZ berichtete).
Auch wenn das Thema Benin-Bronzen die Eröffnung überschattete – das nun endgültig fertiggestellte Museum macht mit seinen rund 20.000 Exponaten in den schier endlosen Ausstellungsfluren im zweiten und dritten Obergeschoss einen überwältigenden Eindruck. Gegenüber der Teileröffnung vor einem Jahr hat sich jetzt mit der Fertigstellung auch des
Ostflügels die Ausstellungsfläche auf 16.000 Quadratmetern mehr als verdoppelt, was einer großzügigen Präsentation durchaus zugutekommt.
Neben den unzähligen Kleinformaten wie Krüge, Amphoren, Waffen, Musikinstrumente, Götter- und Totenmasken, tierähnliche Fabelwesen oder Schmuck bleibt der Besucher immer wieder hängen an solchen Blickfängern wie einem Luf-Boot – einem Auslegerboot aus der Südsee – oder einem fidschianischen Doppelrumpfboot, an drei Versammlungs- oder Kulthäusern aus Ozeanien, an der Höhle der ringtragenden Tauben aus der Region Nördliche Seidenstraße, an japanischen Wandrollen mit berückenden Landschaftszeichnungen, an acht monumentalen Steinstelen aus Guatemala oder an virtuos gefertigten vielarmigen Buddha-Darstellungen aus Südasien.
Doch auch hier, so scheint es, ist nicht alles für die Ewigkeit. Ein auch didaktisch gelungener Saal thematisiert den aus dem nordamerikanischen Omaha-Volk stammenden, später in der amerikanischen Zivilisation aufgewachsenen und hier zu Wohlstand gelangten Unternehmer Francis La Flesche. Der hatte Ende des 19. Jahrhunderts an das Berliner Museum zahlreiche Kultgegenstände seines Volkes verkauft. Unter den zahlreichen Gästen der Eröffnung war jetzt auch eine Wissenschaftlerin, Mitglied der Omaha, die sich von den Artefakten ihres Volkes „überwältigt“ zeigte. Man konnte den Wunsch heraushören, manche Stücke mögen doch ganz oder teilweise den Weg zurück in die alte Heimat finden.
Seit der Teileröffnung für das Publikum wurden 1,5 Millionen Besucher gezählt, wegen den Pandemie-Einschränkungen etwas weniger, als ursprüngliche, vielleicht zu optimistische Berechnungen erwarten ließen. Jetzt sind Schloss und Museum auf einen größeren Ansturm zumindest gut vorbereitet.
• Humboldt-Forum, Schloßplatz, 10178 Berlin, geöffnet täglich außer dienstags, montags bis donnerstags sowie sonntags von 10 bis 20 Uhr, freitags und samstags bis 22 Uhr, Eintritt: 12 Euro, Besucherservice: (030) 992118989
www.humboldtforum.org