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Wenn der Kapitalismus „woke“ wird

Egal, ob Gender-Politik oder „Klimaschutz“ – in immer mehr Bereichen gehen das Kapital und der Nonprofit-Bereich eine unheilvolle Allianz ein und zwingen der Gesellschaft ihre Wertvorstellungen auf. Widerspruch ist nicht mehr erlaubt

Josef Kraus
21.05.2023

Ein neues Phänomen geht um in der westlichen Welt: Es heißt „woker“ (aufgeweckter) Kapitalismus. Erstmals verwendet wurde dieser Begriff 2018 von Ross Douthat in einer Kolumne in der „New York Times“ – überschrieben mit „The rise of woke capital“.

Mit Kapitalismus ist hier nicht mehr das Wirtschaften des ehrbaren Kaufmanns und des gewinnorientierten familiengeführten Mittelstandsbetriebs gemeint, auch nicht der Kapitalismus von Anteilseignern („Shareholder Value“). Nein, all dies wurde abgelöst von einem öko-, klima-, gender- und diversitätsgerechten, schier missionarischen „Stakeholder Value“-Kapitalismus politisch motivierter Interessengruppen, die sich in „globaler Verantwortung“ fühlen. Und die eine Fusion von „Big Business“ und „Öko-/Queer-Sozialismus“ vorantreiben.

Die Verfechter dieses Kurses geben sich verantwortlich für eine grenzenlose Welt, die sich den drei ESG-Prinzipien („Environmental, Social and Governance“ – Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung) verpflichtet fühlt. Dahinter stehen nicht mehr die Eigentümer vergangener Zeiten, sondern hochdotierte, angestellte Manager, die in hohen Milliardendimensionen mit den Anlagen großer Fonds und kleiner Leute jonglieren. Dabei verpassen sie beteiligten Firmen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs), ja selbst Regierungen auf schier totalitäre Weise eine Haltung, die man durchaus als neuen Kulturmarxismus bezeichnen kann.

Identitätspolitik ist angesagt. Das heißt: Jeder Einzelne, jede Community kann sich mit Anspruch auf allseitige Akzeptanz selbst erschaffen und definieren. „Autopoiesis“ nennt man das auch: Man definiert sich – für andere verbindlich – zum Beispiel als „queer“, divers, endlos tolerant und zugleich repressiv intolerant gegen Anders­denkende. Investoren, milliardenschwere sogenannte Philan-thropen, Staaten, Think Tanks und NGOs verfilzen monetär und personell miteinander.

„Woker“ Kapitalismus im Alltag
Werden wir konkret, ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Die Drogeriekette DM produziert Podcasts „gegen Alltagsrassismus“, der Lebensmitteldiscounter REWE hisst nicht nur zum Christopher-Street Day die Regenbogenfahne. In immer mehr Prospekten von Kosmetikherstellern und selbst von Discountern wie Aldi, Norma, Netto und Lidl tauchen schwarze Models auf. Während altehrwürdige Apotheken und Hotels den „Mohr“ aus ihrem Namen streichen sollen, scheint es ohne „PoC“ (People of Colour = farbige Menschen) nicht mehr zu gehen.

Die Deutsche Bahn AG stellte 2021 einen Regenbogen-ICE in Dienst und dichtete: „Wir sind Vielfalt! Wir lieben es bunt!“ Mit dem „Railbow-ICE“ könne man sofort que(e)r durch ganz Deutschland fahren. Die Lufthansa begrüßt unterdes ihre Passagiere mit „Liebe Gäste“ statt mit „Damen und Herren“, damit sich kein(e) Diverse(r) diskriminiert fühlt. Die VW-Tochter Audi spricht ihre Mitarbeiter und Kunden seit 2021 mit „Audianer_innen“ an und leistet sich eine „Diversitätsmanagerin“ ganz oben in der Firmenleitung.

Volkswagen und Mercedes wiederum erziehen ihre Belegschaften auch umweltschonend. VW hat am Hauptsitz in Wolfsburg im Sommer 2021 die Currywurst, ja alle Fleischgerichte von der Speisekarte der Werkskantine gestrichen. Begründung: Nachhaltigkeit! Mercedes will in seinen Kantinen seit Anfang 2022 die CO₂-Bilanz verbessern, zum Beispiel durch vegane Kost. Und Energiekonzerne verdonnern ihre „Mitarbeitenden“ zu „Compliance“-Seminaren, in denen den Teilnehmern „Wokeness“ eingetrichtert wird.

Dass dieses Phänomen nicht auf Deutschland beschränkt ist, zeigen die Beispiele global agierender Konzerne. 2021 benannte der „Mars“-Konzern „Uncle Ben's“-Reis“ in „Ben's Original“ um und tilgte zugleich das Portrait des afroamerikanischen Onkels Ben. Mit diesem Schritt, so „Mars“, solle „Inklusion und Gleichberechtigung“ gefördert werden. Der Sportartikelkonzern Nike warb mit einer Trans-Influencerfrau als „Botschafter(in)“ für Sport-BH und Damen-Leggins. Bei den Kunden kam dies jedoch nicht gut an. Ebenso wie die Kampagne des US-Budweiser-Braukonzerns, der zu Werbezwecken ein Transgender-Modell (siehe PAZ vom 7. Mai) anheuerte, das sich auf TikTok als „Girl“ inszeniert. Nach gewaltigen Einbrüchen im Umsatz und einem sinkenden Aktienkurs sah sich das Unternehmen zu einer Kehrtwende gezwungen. Man bedauert, die Gesellschaft „gespalten zu haben“, und wolle doch lieber alle „bei einem Bier vereinen“. Auch „Disney“ ist mit von der Partie. Schon seit mehreren Jahren heißt es in den Freizeitparks nicht mehr „Welcome ladies and gentlemen, boys and girls“, sondern gender-neutral „Dreamers of all Ages“ (Träumer aller Altersgruppen).

Green- und Queer-Washing
Diese und andere Beispiele zeigen: Hier findet eine überwiegend leise, aber nachhaltige Gehirnwäsche statt – qua „green“- und „queer-washing“. Der Kunde ist mittels hypnotisierender Dauerberieselung eingelullt. Er ist als Wirtschaftsbürger entmündigt, weil er den Tricks der Propaganda ausgeliefert ist und mit der Zeit gar nicht mehr weiß, wo er überhaupt noch einkaufen kann, ohne einer gesellschaftspolitischen „Message“ aufzusitzen. Oder aber er kauft zur eigenen Gewissensberuhigung mit einem „diversen“ Produkt gleich ein solches Image dazu. So wie er früher mit einer bestimmten Zigarettenmarke das Gefühl von Männlichkeit erwarb. Hinter all den Propaganda- und Erziehungsmaßnahmen stehen machtvolle Plattformen wie Google, Wikipedia und Facebook, die obendrein Einträge, die „woken“ Kriterien widersprechen, gern sperren, löschen oder zumindest deren Reichweite einschränken.

Ein Netz an milliardenschweren Entscheidern, deren Einfluss selbst die Reichweite der Regierungen großer Staaten übertrifft, kommt hinzu. Dazu gehören unter anderem Multimilliardäre wie Warren Buffet und Bill Gates, die seit 2010 mit rund 150 weiteren Mitgliedern den Zirkel „The Giving Pledge“ (Deutsch etwa: das Spendenversprechen) bilden. Das Versprechen („pledge“) besagt, eigene Gewinne wohltätig und quasi in die Rettung der Welt zu investieren. Mit passender medialer Begleitung versteht sich. Allein die Gates-Stiftung verfügt mittlerweile über 70 Milliarden US-Dollar. Von denen gingen zuletzt über 300 Millionen an Medienhäuser wie CNN, NBC, „The Atlantic“, BBC, „The Guardian“, „Financial Times“, „Daily Telegraph“, „Le Monde“, „El País“ und „Der Spiegel“ (der allein 5,4 Millionen Euro erhielt). Der schöne Nebeneffekt dieser Gabe ist, dass von den genannten Medien kein kritisches Wort mehr über die Spender zu erwarten ist.

Wie schnell aus vermeintlich edlen Motiven harter Druck entsteht, zeigt die US-Technologiebörse Nasdaq. Diese verlangt inzwischen „Diversity“-Quoten bei den von ihr gelisteten Unternehmen, mit dem Ergebnis, dass das Investmenthaus Goldman Sachs keine Börsengänge von Unternehmen mehr durchführt, in deren Vorständen ausschließlich weiße Männer sitzen. Die Silicon Valley Bank spendete an die Bewegung „Black Lives Matter“ (BLM) 73 Millionen US-Dollar, ging später aber pleite. Auch andere Geldhäuser wie Morgan Stanley oder die Citibank spenden gern an linke Lobbyvereine.

Die Verbindung zur Energiewende
Eine ganz eigene Rolle spielen die großen US-Vermögensverwalter. BlackRock, seit 1999 an der Börse notiert (8,6 Billionen US-Dollar Vermögen), gehört dazu. Ebenso Vanguard und die State Street Corporation. Diese investieren seit einiger Zeit in Europa gezielt in eine „Klima-Planwirtschaft“ (in China übrigens in Öl). Neben der Beteiligung an weltweit insgesamt 18.000 Unternehmen (in Deutschland allein etwa 40 DAX-Konzerne) gehört dazu auch die Förderung von Nichtregierungsorganisationen, um im politischen und vorpolitischen Raum ein optimales Umfeld zu schaffen.

Damit sind wir in Robert Habecks „grünem“ (Vettern-)Wirtschaftsministerium angekommen. Dort zieht ein beamteter Staatssekretär namens Patrick Graichen die Fäden zwischen Öko-Lobby und Staatsapparat. Graichen war von 2014 bis zum Regierungswechsel 2021 Geschäftsführer von „Agora Energiewende“, die 2012 von der Mercator-Stiftung und der European Climate Foundation ins Leben gerufen wurde. Graichen ist nicht nur gut vernetzt, sondern auch gut verwandt und verschwägert – sowohl innerhalb seines Ministeriums als auch der Öko-NGOs: zum Beispiel mit Schwester Verena, Bruder Jakob, Schwager und Parlamentarischem Staatssekretär Michael Kellner.

Noch ein anderer Name spielt eine Rolle: Bernhard Lorentz, unter anderem Mitgründer der „Stiftung Klimaneutralität“, Gründungsgeschäftsführer der Hertie School of Governance, Mitgründer des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change und nun Leiter der Nachhaltigkeitsabteilung bei Deloitte, der umsatzstärksten Management-Beratung der Welt.

Heutiger Direktor der „Stiftung Klimaneutralität“ ist Rainer Baake, einst unter anderem Staatssekretär bei den „grünen“ Umweltministern Fischer und Trittin sowie später bei Bundeswirtschaftsminister Gabriel (SPD). Stellvertretender Vorsitzender des Beirats der „Stiftung Klimaneutralität“ ist ein Strippenzieher, den die „Zeit“ einmal „den mächtigsten Grünen der Welt“ nannte: Hal Harvey.

Grüne Netzwerke
Wenn es um Millionen geht, ist dieser milliardenschwere Investor als Präsident der „Climate Imperative Foundation“ die Spinne im Netz. Geld hat er, ist seine 2008 gegründete „ClimateWorks Foundation“ doch mit 500 Millionen US-Dollar der Hewlett-Stiftung ausgestattet. Harvey ist Mitinitiator mehrerer weiterer NGOs wie eben der „European Climate Foundation“, der „Agora Energiewende“ und der „Stiftung Klimaneutralität“. Geld kommt außerdem vom britischen Milliardeninvestor Christopher Hohn über die „Children Investment Fund Foundation“. Hohn finanziert auch die radikale Klimabewegung „Extinction Rebellion“.

Geld kommt zudem von dem kanadischen Milliardär John McBain, der zum Club „The Giving Pledge“ von Gates und Buffet gehört. Geld fließt außerdem aus der „Mercator Stiftung“, die 15,7 Prozent des Vermögens der Metro-Gruppe (Familie Schmidt-Ruthenbeck) verwaltet. Diese Stiftung förderte 1992 bereits die Gründung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, sie bringt nun für 2024 bis 2029 7,5 Millionen Euro in die „Agora“ ein, namentlich in das Projekt „Agora Verkehrswende III“.

Zurück ins Investmentgeschäft: Unlängst verkaufte der führende deutsche Wärmepumpenhersteller Viessmann aus Hessen seine entsprechende Sparte für zwölf Milliarden an den US-Konzern „Carrier Global“. „Carrier Global“ wiederum gehört zu 86 Prozent BlackRock und Vanguard. Über ein Schlupfloch im Steuersystem muss Viessmann die zwölf Milliarden nur mit einem Satz von 1,5 Prozent versteuern. Die Kreise schließen sich, Goldgräberstimmung allenthalben.

Im Ganzen erinnert das Amigo-Öko-System an den Begriff des „Milliardärssozialismus“ von Oswald Spengler. Der 1936 verstorbene Philosoph hatte diesen Begriff einst geprägt. Er prognostizierte damit das Ende der europäischen Kultur in einer wachsenden Tyrannei technokratisch operierender Regierungen, obwohl er von der Allianz globaler Konzerne und den von ihnen geförderten NGOs noch gar nichts wissen konnte. Doch egal, wie man die Entwicklung auch nennen mag: Der „woke“ Kapitalismus, das Zusammenspiel aus Kapital und Nonprofit-Sektor unterminiert nicht nur den klassischen Kapitalismus samt Marktwirtschaft, sondern auch die Demokratie.


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Kommentare

Hans Weber am 24.07.23, 10:27 Uhr

Der ehrbare Kaufmann stirbt aus. Er wird durch Blackrock und Co vertrieben.

Reinhold Franz v. Hagenau am 22.05.23, 21:53 Uhr

Man google "the Human Rights Campaign" (HRC) und ihren "Corporate Equality Index" (CEI). Eine woke - man kann es nicht anders ausdrücken - Mafia, deren entartetes Ziel es ist, Firmen von innen zu zerstören, indem sie bewußt nicht mehrheitsfähige und unpopuläre Positionen und Produktphilosophie forciert. Finanziert von George Soros "Open Society Foundation". Erst werden Aktien gekauft, bis ein gewisser Schwellenwert erreicht ist, dann werden besagte extremistische Forderungen an die Geschäftsleitung gestellt, unter der Androhung, das gesamte Aktienpaket auf einmal auf den Markt zu werfen, und so einen Kurssturz der betroffenen Aktie zu verursachen.

Kersti Wolnow am 21.05.23, 10:43 Uhr

BlackRock, seit 1999 an der Börse notiert (8,6 Billionen US-Dollar Vermögen), gehört dazu. Ebenso Vanguard und die State Street Corporation.

Damit haben Sie in Ihrem großartigen Artikel die Strippenzieher, die hinter all den unterschiedlichen Scheinfirmen stehen und die eine Auswahlmöglichkeit der Produkte heucheln, genannt.
Wir haben gar keine Auswahl in der Produktwahl, weil bei unterschiedlicher Etikettierung derselbe Mist, der uns auf vielfältige Art vergiftet, drin ist. Das haben schon vor Jahren die Netzfrauen veröffentlicht. Jetzt gibt es dazu ein Video aus Holland, auch in Deutsch, das darüber aufklärt. es sind wirklich nur ganz wenige, die uns beherrschen, aber ohne ihre Helfer, auch bei uns, könnten sie ihren Wahn nicht durchziehen. Die grüne Pest müßte als erstes erledigt werden. Vielleicht gelingt mit deren Absturz der erste Angriff auf die, die noch im Dunkeln sind (frei nach B.Brecht).

gregor scharf am 21.05.23, 10:33 Uhr

Die gottgleiche Selbsterhöhung der Initiatoren des Irrsinns, berauscht und verblendet durch redlich oder unredlich erworbene Milliarden wird im totalen Chaos untergehen. "Woke" ist nur ein Tarnname für Zerstörung, der Auftakt zum finalen Todesstoss freier Gesellschaften, die einmal mehr im geistigen Ghetto gefangen gehalten werden. Was bitte ist daran neu oder modern? Bestenfalls erscheint es den Neugeborenen und Schulkindern als etwas Grossartiges und Erstrebenswertes. Wer sich mit der Evolution der Menschheit befasst, kann sich nur kopfschüttelnd abwenden. Der Kreislauf der Idiotie schliesst sich. Aus Gutem wird Böses und Böses wird zum Guten erklärt. Alle werden gleich und einige Wenige gleicher.

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