Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Die Geschichte lehrt, dass der Weg von der Verdammung einer unbequemen Vergangenheit zu Tugendterror im Namen des Fortschritts kurz ist. Auf die Attacken gegen Denkmäler folgten nicht selten Angriffe gegen Menschen. Selbst schöpferisch tätig waren die Denkmalstürzer selten
Seit Wochen nun arbeiten sich die Bilderstürmer unserer Tage an den vermeintlich bösen Geistern der Vergangenheit ab. In Nordamerika und Europa werden Denkmäler von Kolonialherren und Sklavenhaltern von den Sockeln geholt; und mit Immanuel Kant steht inzwischen selbst ein Vater der europäischen Aufklärung im Verdacht, ein Rassist gewesen zu sein. Schon erscheinen Artikel mit Empfehlungen, welche Bücher noch gelesen und welche Filme noch geschaut werden dürfen. Für den Hollywood-Klassiker „Vom Winde verweht“ zum Beispiel – mit acht Oscars und zwei Ehren-Oscars einer der höchst dekorierten Streifen der Filmgeschichte – sieht es gar nicht gut aus.
Neu ist dieses Phänomen keinesfalls. Im Gegenteil. Wer in die Geschichte schaut, wird dort schnell an Beispielen fündig werden, bei denen die „gute alte Zeit“ nicht nur in einem ungünstigen Licht erschien, sondern geradezu bekämpft wurde. Dann wurden die Namen historischer Persönlichkeiten aus dem alltäglichen Sprachgebrauch getilgt und Denkmäler geschändet oder ganz zerstört. Derlei Säuberungen fielen zumeist umso größer aus, je ambitionierter die Herrscher der jeweiligen Gegenwart waren.
Auslöschung versus „Umtaufung“
Schon im kaiserlichen Rom konnte der Senat offiziell die „damnatio memoriae“ eines Herrschers nach dessen gewaltsamem Tod verkünden; was bedeutete, sämtliche Spuren, die in der Öffentlichkeit an ihn erinnerten, auszulöschen. Das berühmteste Beispiel ist Kaiser Nero, der bis heute als Inbegriff wüster Tyrannenlaunen gilt. Seine Statuen wurden ebenso beseitigt wie Inschriften, die ihn feierten. Freilich wurde der sehr populäre und hochbegabte Kaiser alsbald von zweien seiner Nachfolger rehabilitiert, was bestätigt, dass es sich mit der dramatischen Absicht, Nero gleichsam aus der Geschichte Roms zu entfernen, vornehmlich um eine politische Intrige handelte.
Römische Senatoren kamen deshalb auch gar nicht erst auf den Gedanken, ganze Perioden ihrer Geschichte als fragwürdig oder gar verdammenswert zu erachten. Auch die Christen, die im bewussten Gegensatz zur heidnischen Kultur standen, von der sie doch selbst geprägt worden waren, schlossen deshalb viele Kompromisse mit den Zeugnissen der vor ihnen dagewesenen Religionen. Sie demolierten nicht im radikalen Eifer die Tempel, sondern „tauften“ sie, indem sie diese zu Kirchen umbauten. So ließ sich viel eindringlicher der Triumph der Wahrheit über Aberglauben und Lüge veranschaulichen als durch Verwüstung. Mit den Dichtern verfuhren sie ähnlich. In christlicher Interpretation konnten etwa Vergil und Ovid dem Heidentum entwunden und Traditionen den veränderten Zeiten angepasst werden, ohne dass es zu einem Kulturbruch kommen musste. Die Geschichte bestand aus Übergängen, weil jeder Untergang neue, kräftige Welten vorbereitete.
Nicht viel anders verhielten sich die orientalischen Muslime. Die Hagia Sophia in Konstantinopel, einst die erhabenste und schönste Kirche der Christenheit, wurde zur Moschee, später unter Kemal Atatürk zum Museum, und wahrscheinlich demnächst wieder eine Moschee. Ähnlich verfuhren die Spanier mit der prachtvollsten Moschee in Europa, der Mezquita in Córdoba, die geringfügig verändert als christlicher Dom heute davon Zeugnis ablegt, das alles in der Welt dem geschichtlichen Wandel unterworfen ist, dass auch die großen Wandler der Menschen und Zeiten, die Religionen, zur Geschichte gehören, in der sie sich entwickeln und ihre Kraft entfalten.
Wer vergangene Epochen auch nur annäherungsweise verstehen möchte, sollte sich deshalb vor pauschalen Urteilen hüten. Geschichte, auch als scheinbar bloße Nationalgeschichte, ist zunächst einmal etwas Fremdes und gar nichts unmittelbar Vertrautes. Daran erinnerte Goethe, selbst ein ungemeiner Historiker, in seiner Farbenlehre: „Wenn wir uns von vergangenen Dingen eine rechte Vorstellung machen wollen, so haben wir die Zeit zu bedenken, in welcher etwas geschehen, und nicht etwa die unsrige, in der wir die Sache erfahren, an jene Stelle zu setzen.“
Mit Terror in eine neue Zeit
Zu dieser anspruchsvollen Forderung gelangten Goethe und seine Zeitgenossen unter dem Eindruck der Französischen Revolution und deren Ausschreitungen. Die Revolution war der radikale Bruch mit der Geschichte Europas und seiner Kultur. Erst vor wenigen Tagen verwahrte sich der französische Präsident Emmanuel Macron angesichts der Bilderstürmereien unserer Tage gegen die Verrohung und bekannte sich sowohl zu der in Monumenten sichtbaren Geschichte als auch zu den Werten der französischen Republik. Dabei vergaß er freilich die barbarischen Rasereien der Revolutionäre am Anfang der republikanischen Geschichte Frankreichs, die immerhin aus dem gebildetsten Volk des alten Europa kamen.
Die Revolutionäre des späten 18. Jahrhunderts stürzten zunächst die Denkmale der Könige und köpften die Statuen der Könige in den Fassaden der Königskirchen, den Kathedralen; sie schändeten Heiligenbilder und plünderten Schlösser wie Versailles – und irgendwann schlugen sie anstelle der Denkmäler den Menschen die Köpfe ab.
Die damaligen Gewalttaten bestätigten einem klaren Feind der Revolution, dem Grafen Antoine de Rivarol, dass „die zivilisiertesten Reiche der Barbarei ebenso nahe (sind) wie das am sorgfältigsten polierte Eisen dem Rost. Nationen wie Metalle glänzen nur an der Oberfläche.“ Ihre Rohheiten hielten sie freilich für eine reinigende Energie, die Frankreich und die Franzosen radikal von den widerwärtigen Erinnerungen an ihre finsteren Jahrhunderte unter der sie entwürdigenden Macht von tyrannischen Monarchen und Priestern befreien würde.
Den Kulturbruch gaben die Anführer des totalen Umsturzes – Georges Danton, Maximilien de Robespierre, Camille Desmoulins oder Louis Antoine de Saint-Just – für den Aufbruch in eine helle, wahrhaft neue Zeit aus, in der alle Menschen Brüder sind, zu denen sie von den Franzosen erzogen würden, die ihnen mit ihrem „Élan“ um mindestens zwei Jahrhunderte voraus seien. Die Revolution wollte ja nicht Missbräuche abschaffen, sondern die Bräuche überhaupt. Sie beseitigte ja nicht nur die Monarchie, sondern – im Namen der nationalen Einheit – die Selbstständigkeiten in den Provinzen; sie verdrängte die regionalen Sprachen und Kleider, weil die eine Vernunft ihre wohltätige Macht in der Vereinheitlichung bewähren müsse.
Gleichschaltung des Denkens
In der Vielfalt fürchteten die Revolutionäre den Parteigeist und den Egoismus, die sich gegen die homogene Volksgemeinschaft verschwören würden. Die Freiheit konnten sie sich nur als beherzte Despotin denken, die jeden Einzelnen erzieht und den Massen angleicht, damit alle nur noch unterschiedslos Mensch sind.
Die abstrakten Theorien bedurften allerdings anschaulicher Vergegenwärtigung, um die Bürger mit Leidenschaften zu erfüllen und zum lebhaften Ausdruck nationalen Wollens zu machen. An die Stelle der überkommenen Riten, Zeremonien und Sitten sollte ein neuer Stil treten, der die gesamte Gesellschaft erfasste. Deshalb war die Zerstörungswut der Revolutionäre durchaus mit der Absicht verbunden, neue Lebensformen zu finden für einen neuen Menschen in einer wirklichen neuen Zeit.
Eine Nation als Erziehungsanstalt
Es gab damals Architekten, die die Bauformen auf die elementaren geometrischen Urformen beschränken wollten. Anstelle der Könige mahnten nun Freiheitsstatuen an die nationalen Tugenden; Plätze und Straßen erhielten ebenso neue Namen wie die Monate. Die gesamte Umwelt wandelte sich in ein Erziehungslager, dem keiner zu entrinnen vermochte. In den Domen wurden Feste der Vernunft gefeiert, Freiheitsbäume sowie Massenvereinigungen zum Lob der Vernunft und der durch sie vernünftig gewordenen Nation verliehen der berechnenden und planenden Rationalität sakrale Würde.
Der Vernunftstaat feierte sich als Erlösungsanstalt. Das ging nicht ohne Widersprüche und viele Verkrampfungen ab. Erst Napoleon sorgte als Konsul und Kaiser dafür, dass die meisten Neuerungen der Revolution als lächerlich beiseitegeschoben wurden und Frankreich nach und nach wieder mit seiner Vergangenheit in Verbindung gebracht wurde. Als wirklich nationaler Stil Frankreichs ist der kaiserliche in Erinnerung geblieben.
Die Schreckensherrschaft der radikalen Demokratie aber blieb unvergessen, weil sie veranschaulichte, dass die radikale Abkehr von Erfahrung und Geschichte zum Vorteil reiner Abstraktionen – die Freiheit, die Vernunft, der Mensch – die wirkliche Welt zum phantastischen Reich verwandelt für die Wünschbarkeiten ideologischer Projekte-schmiede. Die amerikanische Revolution hingegen kämpfte im Namen des alten Rechts und des Herkommens gegen Neuerungen des britischen Parlaments und dessen absolutistische Neigungen. Deswegen gewann das Experiment an Dauer.
Geschichtslosigkeit der Demokratien
Allerdings führten die demokratischen Prinzipien unweigerlich zu einem gespannten Verhältnis der USA zur Geschichte. Jegliche Historie als undemokratische Vorgeschichte verdient dort eine geringere Wertschätzung als der befreiende und welterlösende „American Way of Life“, der mittlerweile zum Weg des „Westens“ schlechthin geworden ist.
Demokraten leben ganz in der Gegenwart, wie Alexis de Tocqueville 1825 in den USA beobachtete. Sie können nicht von sich absehen und werden leicht ungeduldig, sobald sie auf Lebensformen treffen, die ihren Idealen widersprechen. In problematischen Situationen wie der gegenwärtigen wird dann die gesamte Geschichte unter Verdacht gestellt. Die gewalttätige Wendung gegen die Vergangenheit erschöpft sich jedoch schnell in bloßer Gewalt. Die Versuche der revolutionären Franzosen Ende des 18. Jahrhunderts, das gesamte Leben total umzugestalten, waren letztlich vergeblich. Auch bei den heutigen Bilderstürmern zeigt sich außer der Wut bislang keine schöpferische Energie.
• Dr. Eberhard Straub ist Historiker und Publizist. Zu seinen Werken gehört unter anderem „Der Wiener Kongress. Das große Fest und die Neuordnung Europas“ (Klett-Cotta 2014).
www.eberhard-straub.de
R. Haber am 30.06.20, 17:48 Uhr
"...und aktuell "Black matter"..."
.
Korrekt: "!Black Lives Matter"
Siegfried Hermann am 27.06.20, 09:12 Uhr
Im großen und Ganzen stimme ich zu,
bis auf die kapitale Fehlleistung mit dem Islam....
der neben sich absolut nichts anderes duldet und alles zerstört. Aus der größten Kirche des Abendlandes eine Moschee zu machen ist schon mehr als Häresie übelster Sorte. Türkengott Attatürk war ein Moslemhasser wohl gemerkt! Geschweige von den abertausenden christlichen und jüdischen Gotteshäuser im ganzen islamischen Machtbereich, die zu Ziegen- und Kuhställen mit fanatischen moslemischen Eifer umfunktioniert worden sind. Schon die Sprengung der jahrtausendalten bei der Taliban-Terrorherrschaft Buddha-Statuen vergessen!?
Von Napoleon stammte der Spruch: Geschichte wird von Sieger gemacht. Die Römer haben Karthago der Sage nach mit (damals teuren) Salz auslöschen wollen. Die Inquisition ist sozusagen der Vorläufer von Goebbels und Himmler. In der Neuzeit nennt man das Mao´s marxistische Kulturrevolution und aktuell "Black matter". Ach ja. In der Literatur sind diese Monster als Rattenfänger von Hameln eingegangen.
Das alles zieht sich wie ein roten Faden durch die Geschichts-Jahrhunderte und über alle (!) augenscheinlich grundverschiedenen Gesellschaftssystem hinweg. Und doch gibt es einen Nenner (Namen) der alles erklärt, der nicht gesagt werden darf. (frei nach Ronny Weasley). Und. Nein es ist nicht Voldemord. Der ist tot.
Wie immer!
cui bono?
WEM nützt es!?