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„Große Bäder Europas“

Wenn die Kur zur Nebensache wird

In Baden-Baden treffen sich die Reichen und Schönen – Mit zehn weiteren Kurorten zählt die Stadt jetzt zum UNESCO-Welterbe

Dagmar Jestrzemski
14.08.2021

Drei traditionsreiche deutsche Kurorte sind zu Welterbestätten ernannt worden. Auf ihrer 44. Sitzung in der chinesischen Stadt Fuzhou im Juli hat das Welterbekomitee Unesco in der ersten Auswahlrunde die deutschen Kurorte Baden-Baden (Baden-Württemberg), Bad Ems (Rheinland-Pfalz) und Bad Kissingen (Bayern) zusammen mit acht weiteren europäischen Kurorten als „Große Bäder Europas“ mit dem Prädikat „Welterbe“ ausgezeichnet: Bath in Großbritannien, Baden in Österreich, Spa in Belgien, Vichy in Frankreich, Karlsbad, Franzensbad und Marienbad in der Tschechischen Republik und Montecatini Terme in Italien.

Natürliche Thermalwasser waren im späten 18. und im 19. Jahrhundert die Grundlage einer einzigartigen Tradition der europäischen Badekultur. Im Stadtbild dieser Kurorte sind bis heute historische Bauten erhalten, die auf medizinische, therapeutische und gesellschaftliche Funktionen ausgerichtet sind.

Unter den deutschen Heilbädern hatte Baden-Baden am Nordwestrand des Schwarzwalds eine herausragende Bedeutung als Modebad und Treffpunkt der eleganten Welt. Seit Ende des 18. Jahrhunderts wurde die von Waldbergen umgebene Bäderstadt im Kesseltal des Flüsschens Oos auf Betreiben des Markgrafen Karl Friedrich (1728–1811) planvoll zu einem attraktiven Kurort für die Hautevolee der damaligen Zeit ausgebaut. Aus ihrer Glanzzeit im 19. Jahrhundert hat sich die Stadt, die bis 1931 Baden oder Baden in Baden hieß, mit ihren heute 54.600 Einwohnern ein facettenreiches und einzigartiges kulturelles Erbe bewahrt.

Anfänge als römisches Soldatenbad

Das Kurhaus, der Musikpavillon, die eleganten Hotels und öffentlichen Thermalbäder, die Trinkhalle, Villenviertel, die Internationalen Galopprennen in Iffezheim und vieles mehr zeugen von der Strahlkraft der Bäderstadt im 19. Jahrhundert bis zum frühen 20. Jahrhundert. Kernzone des Welterbes sind die verschiedenen Stadtquartiere der Altstadt, die sich vom Mittelalter bis zum frühen 20. Jahrhundert entwickelten.

Bereits in der Antike waren Kurstädte Orte der Erholung und Unterhaltung. Schon im Jahr 220 n. Chr. wird Baden-Baden als Civitas Aurelia Aquensis bezeichnet, als „großer Badeort“ einer römischen Garnison. Die Badruinen unterhalb des 1877 eröffneten Friedrichbades sind Überreste von römischen Soldatenbädern. Der Kurbetrieb gründet sich auf zwölf 44 bis 68 Grad Celsius heiße, mineralhaltige Thermalquellen im Gebiet der Altstadt. Ihr Gebrauch für Trinkkuren, Bäder und Inhalationen sollte gegen Gicht, Rheuma und Atemwegserkrankungen helfen.

Eines der ersten Thermalbäder aus Stein ließ der römische Kaiser Caracalla im Jahr 200 n. Chr. errichten. Daran erinnert die moderne Caracallatherme, eine Kuranlage im Parkgelände des Rotenbachtals. Seit dem Spätmittelalter kam der Badebetrieb infolge von Kriegsereignissen mehrmals für längere Zeit zum Erliegen. Einen Rückschlag brachten der Dreißigjährige Krieg und die Zerstörung von Stadt und Burg im Jahre 1689.

Luise von Preußen als Kurgast

Im Jahr 1804 weilte die preußische Königin Luise von Preußen in Baden-Baden. Nach den napoleonischen Kriegen zog es die Romantiker in den „von herrlichen Wäldern, alten Burgen“ und, wie Clemens von Brentano es formulierte, noch „in tiefer katholischer Einsamkeit“ gelegenen Kurort. Binnen weniger Jahre stieg die Zahl der Besucher sprunghaft an.

Die dynastischen Verbindungen des Hauses Baden mit deutschen und europäischen Fürstenhäusern führten dazu, dass zahlreiche Angehörige des europäischen Hochadels die Sommermonate an dem Schwarzwaldfluss Oos verbrachten. Ihre Anwesenheit zog Diplomaten, Industrielle und Künstler, Gesunde und Kranke der Oberschicht in den aufblühenden Kurort, um gemeinsam die Vergnügungen und den Nutzen einer Gesellschaftskur zu genießen und Austausch zu pflegen.

Baden-Baden wurde Europas quirlige Sommerhauptstadt. Hier wurden Unterhaltung und Kontaktmöglichkeiten geboten, die sonst nur in Großstädten zu finden waren. Dabei traten die medizinischen Aspekte der Kur oft in den Hintergrund. Auf der 3,5 Kilometer langen Flaniermeile Lichtentaler Allee zwischen dem Hotel Badener Hof und dem Kloster Lichtental am Stadtrand begegneten sich die Sommerfrischler reitend, fahrend und spazierend.

Als zentrale Begegnungsstätte fungierte das von 1821 bis 1824 errichtete Konversationshaus und spätere Kurhaus, ein bis heute international bekanntes Wahrzeichen der Stadt. An den Mittelbau mit der Säulenvorhalle wurde 1853/54 zunächst der linke Seitenflügel angebaut, um großzügige Räumlichkeiten für die Spielbank, das Casino, zu schaffen. Dieses war für nicht wenige Besucher und Kurgäste Dreh- und Angelpunkt ihres Aufenthalts in der Bäderstadt. In den historischen Spielesälen wird auch gegenwärtig noch gespielt.

Blütezeit durch Glücksspiel

Musiker, Schriftsteller und Künstler von Rang besuchten oder lebten in Baden-Baden. Seit 1860 war Richard Wagner mehrmals Gast im Haus der berühmten Sängerin Pauline Viardot-Garcia. Deren Freundin, die verwitwete Pianistin Clara Schumann, kaufte 1862 für sich und ihre Kinder ein Haus im Ortsteil Lichtental und gab seither häufig Konzerte für Freunde und Kurgäste. Ihre Anwesenheit veranlasste ihren treuen Freund, den Komponisten Johannes Brahms, eine nahe gelegene Wohnung zu mieten. In seiner damaligen Wohnung im Haus Lichtentaler Straße Nr. 8 befindet sich ein biografisches Brahms-Museum.

Im Sommer 1867 trafen sich die russischen Schriftsteller Iwan Turgenjew und Fjodor Dostojewskij in Baden-Baden, wobei sie sich hier wegen unterschiedlicher Weltanschauung in die Haare gerieten. Der Westler Turgenjew lebte als reicher Emigrant in der Stadt, der slawophile Dostojewskij hatte im Casino sein letztes Geld verspielt.

Als das Glücksspiel im Deutschen Reich 1872 verboten wurde, erfand sich die Stadt neu als bedeutendes Kur- und Heilzentrum. In dem nahe bei den Thermalquellen gelegenen Bäderviertel entstanden Prachtbauten im historisierenden Architekturstil mit modernen Therapieeinrichtungen.

Den Ruf als exklusiver Kurort hat sich Baden-Baden seither bewahren können. Nicht zuletzt durch das 1998 eröffnete Festspielhaus mit 2500 Sitzplätzen gilt die Stadt weltweit als unbedingt sehenswerte Reisedestination. Hier gelingt laut der städtischen Eigenwerbung „die einzigartige Kombination von großer Vergangenheit mit neuer und internationaler Lebenskultur auf höchstem Niveau“. Der sehr willkommene Welterbetitel unterstreicht diese Einschätzung.


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Kommentare

Winfried Kurt Walter am 16.08.21, 09:44 Uhr

Sie kennen BAD nicht: Titel Luftkurort zurückgegeben, da Entzug drohte, Verkehrsmisere z.B. B 500 Pendler aus dem Hinterland, Lärmbelästigunmgen am Wochenende durch Motorrad-und Autofahrer, die insbesondere im Tunnel die Motoren hochziehen, um sich am schallenen Lärm im Tunnel zu ergötzen, Tendenz steigend. Russen, die die teuersten Produkte im Einzelhandel kauften, sind weggeblieben. Hohe Preise im Festspielhaus, für Normalverdiener kaum erschwinglich etc.etc.

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