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Auch 80 Jahre nach der Demontage durch die sowjetischen Besatzer soll die Ostbahnstrecke Berlin-Küstrin erst in 20 Jahren bis 2045 modernisiert sein
Jahrzehnte nach Kriegsende und Mauerfall ist die Bahnverbindung von Berlin nach Küstrin immer noch in einem anachronistischen Zustand. Nach 1945 demontierte die sowjetische Besatzungsmacht als Reparationsleistung auf Teilen der früheren Preußischen Ostbahn das zweite Gleis. Erst im Jahr 2045, also 100 Jahre nach dieser Demontage, könnte die lediglich 80 Kilometer lange Strecke zwischen Berlin und Küstrin modernen Ansprüchen genügen und mit Tempo 160 befahren werden.
Dies sieht zumindest eine Studie vom Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) vor. Darin enthalten war ein Konzept für den zweigleisigen Ausbau und eine Elektrifizierung der Strecke. Dabei soll in der ersten Phase die Bahnlinie erst so weit ertüchtigt werden, dass die Streckengeschwindigkeit auf 120 Kilometer pro Stunde steigen kann. Abschnittsweise sollen dann 160 Kilometer pro Stunde erreicht werden. Erst in einer zweiten Phase soll ab 2036 der Rest der Strecke zweigleisig ausgebaut werden. Und erst 2045 soll die Strecke dann so modern sein, dass Züge auf der gesamten Strecke mit Tempo 160 fahren können.
Fahrgäste, die derzeit auf die Strecke zwischen Berlin und Küstrin angewiesen sind, erleben eine völlig andere Realität. Denn ein Teil der Bahnstrecke ist noch immer eingleisig. Auf der gesamten Länge kann dieses Teilstück der Ostbahn bis heute mangels Oberleitung weiterhin nicht von Elektroloks befahren werden. Als nach der Jahrtausendwende bei der Deutschen Bahn die Zeichen auf Börsengang standen, wurden obendrein auch noch Weichen und Signaltechnik auf das Allernötigste reduziert, sogar Bahnsteige zurückgebaut.
Folge dieser Art von Verkehrspolitik ist es, dass Pendler, die von Müncheberg im Oderland zur Arbeit nach Berlin wollen, lieber 20 Minuten Fahrtzeit mit dem Auto in Kauf nehmen, um in Fürstenwalde einen Regionalexpress auf der Strecke von Frankfurt/Oder nach Berlin zu nehmen. Steigen die Pendler direkt in Müncheberg in den zwischen Küstrin und Berlin verkehrenden Regionalexpress RB26, müssen sie oft mit Ausfällen, Verspätungen und übervollen Zügen rechnen. In Berlin endet der RB26 häufig dann auch noch bereits am nicht sehr zentral gelegenen Bahnhof Lichtenberg. Am anderen Ende der Strecke war der Abschnitt zwischen Küstrin-Kietz und Bahnhof Küstrin durch den Bau einer neuen Oderbrücke (die PAZ berichtete in Folge 32/2024) auch noch von Dezember 2020 bis Juli 2024 gesperrt. Für die Fahrgäste hieß dies jahrelang: umsteigen auf einen Ersatzverkehr.
Zudem sind auf der Linie RB26 auch Triebwagen eines polnischen Herstellers im Einsatz, die bei regelmäßigen Nutzern der Strecke keinen guten Ruf haben. Die „Berliner Zeitung“ zitierte in diesem Zusammenhang einen Bahnexperten, der von „gravierenden Qualitäts- und Verarbeitungsmängeln“ bei den in Bromberg hergestellten Fahrzeugen sprach. Die abschreckenden Zustände auf der Strecke waren im März 2023 sogar schon Thema für eine zweistündige Anhörung im Infrastrukturausschuss des Brandenburger Landtags.
Kapazitätsgrenze bald erreicht
Mitte dieses Monats haben nun die Länder Berlin, Brandenburg, die Woiwodschaft Lebus [Lubuskie] und der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg ein Positionspapier vorgelegt, in dem der Bund aufgefordert wird, mehr Engagement bei der Modernisierung der wichtigen Strecke zu zeigen. Konkret fordern die Beteiligten vom Bund, dass dieser die Strecke Berlin– Müncheberg–Grenze D/PL im Bundesverkehrswegeplan vom Status „potentieller Bedarf“ auf „dringender Bedarf“ hochstuft. Alle vier Beteiligten plädieren im Positionspapier sogar für den Ausbau der Strecke Berlin–Küstrin–Landsberg/Warthe bis zum Eisenbahnknotenpunkt in der Stadt Kreuz [Krzyż]. Diese Teilstrecke der früheren Preußischen Ostbahn nach Königsberg und Eydtkuhnen soll laut dem Papier durchgehend zweigleisig und elektrifiziert werden und dabei für eine Zuggeschwindigkeit von Tempo 160 und 740 Meter lange Güterzüge ertüchtigt werden. Zur Begründung verweisen die beiden Bundesländer, der Verkehrsverbund VBB und die Woiwodschaft Lebus darauf, dass die Strecke Berlin–Frankfurt/Oder–Posen bald an ihre Kapazitätsgrenze stoße, nicht zuletzt wegen des an dieser Strecke liegenden Tesla-Werks in Grünheide.
Bislang genießt die Ostbahn bei der Ampelregierung und auch ihren Vorgänger allerdings keine hohe Priorität. Für einen Sinneswandel können allerdings der Ukrainekrieg und die NATO sorgen. Polnische Verteidigungsexperten weisen schon länger darauf hin, dass eine Modernisierung der früheren Ostbahn im Konfliktfall die schnellste Möglichkeit darstellen kann, in großem Umfang Truppen und Gerät in Richtung der strategisch wichtigen Suwalki-Lücke bei Ostpreußen zu transportieren.