05.11.2024

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Suchen und finden

Datensicherheit

Wenn jeder jeden bis aufs Kleinste überwachen kann

Moderne Programme zur Gesichtserkennung machen es auch Privatleuten möglich, ihre Mitmenschen detailliert zu bespitzeln – Nur ein einziger deutscher Landesdatenschützer geht bislang dagegen vor

Wolfgang Kaufmann
08.01.2023

Die technische Gesichtserkennung anhand biometrischer Merkmale ist schon seit geraumer Zeit ein traditionelles Mittel zur Überwachung der Menschen in autoritären Staaten vom Schlage der Volksrepublik China. Nun fasst das Verfahren gleichermaßen in den Demokratien des Westens Fuß. Denn Suchmaschinen wie Clearview AI, welche auf Datenbanken mit mehreren Milliarden Fotos zurückgreifen, werden inzwischen auch von den europäischen Sicherheitsbehörden genutzt. Doch damit nicht genug: Durch den Clearview-Zwilling PimEyes können nunmehr sogar Privatpersonen hemmungslos Big Brother spielen.

Das funktioniert folgendermaßen: Der Nutzer lädt das Foto einer Person hoch – woher dieses auch immer stammen mag – und erhält von PimEyes nach der automatischen Erfassung der biometrischen Merkmale des Gesichts mehr oder weniger viele Fotos ähnlicher oder identischer Gesichter aus dem Internet samt den dazugehörigen Links zu den Fundorten präsentiert.

Wer sich PimEyes bedient, vermag also anhand eines einzigen Fotos oder auch Videos, das er irgendwo in den Weiten des Internets entdeckt oder im wirklichen Leben aufgenommen hat, zahllose weitere Informationen über die betreffende Person zu finden wie beispielsweise Beruf, Arbeitgeber, Hobbys, Adresse und Telefonnummer. Dazu kommt das Aufstöbern zusätzlicher Bilder beziehungsweise von Wortmeldungen in allen gängigen sozialen Medien.

In Breslau entwickelt

So besteht in den meisten Fällen die Möglichkeit, mit vergleichsweise geringem Zeitaufwand ein umfangreiches Dossier über jemanden zu erstellen, welches auch sehr sensible persönliche Informationen enthält. Wie etwa die, an welchen politischen Demonstrationen der Betreffende teilnahm. Dabei ist die Gesichtserkennungssoftware derartig optimiert, dass sie in der Regel sogar fündig wird, wenn die „Zielobjekte“ Bärte, Sonnenbrillen und Hüte tragen oder den Kopf zur Seite gewandt haben.

Die Programmierer, welche PimEyes schufen, waren die beiden Absolventen der Technischen Universität Breslau Łukasz Kowalczyk und Denis Tatina. Deren Motivation bestand eindeutig im Geldverdienen, denn die Benutzung von PimEyes war von Anfang an kostenpflichtig. Aktuell fallen folgende Gebühren an: Wer 35 Euro pro Monat berappt, kann 25 Fotos am Tag hochladen und die Abgebildeten stalken. Wem das nicht genügt, für den gibt es noch das Premium-Abo für die unlimitierte Suche für 3450 Euro pro Jahr.

Nach kritischen Presseberichten sowie der Verhängung eines Bußgeldes seitens der polnischen Datenschutzbehörde in Höhe von 220.000 Euro wegen nicht erfüllter Informationspflichten verlegten Kowalczyk und Tatina den PimEyes-Firmensitz auf die Seychellen und verkauften das Unternehmen schließlich Anfang 2022 an den Georgier Giorgi Gobronidze.

Der Universitätsprofessor aus Tiflis, welcher den Erwerb über Adressen in Dubai und dem mittelamerikanischen Belize abwickelte, wirbt nun offensiv für PimEyes, indem er die Software als Werkzeug der digitalen Selbstverteidigung hinstellt: „Finde heraus, wo dein Gesicht im Internet erscheint. Fange an, deine Privatsphäre zu schützen!“ Inzwischen muss jeder potentielle Nutzer vor Vertragsabschluss folgenden Hinweis zur Kenntnis nehmen: „PimEyes ist nicht für die Überwachung anderer Personen gedacht.“ Deshalb verkündete Gobronidze kürzlich auch vollmundig, sein Unternehmen stehe für den „ethischen“ Einsatz von Künstlicher Intelligenz.

Allerdings fanden Datenschützer heraus, dass PimEyes immer noch ganz vorrangig dazu verwendet wird, um anderen Menschen nachzuspionieren – was kaum verwundern kann, da die Zahl der möglichen Suchanfragen bei 25 pro Tag beginnt und es im Falle der Premium-Abos überhaupt keine Begrenzung gibt. Somit hilft PimEyes ganz maßgeblich mit, unser verbrieftes Recht auf informationelle Selbstbestimmung in großem Stil mit Füßen zu treten und eine Welt zu schaffen, in der wir auf Schritt und Tritt bespitzelt werden.

Baden-Württemberg wurde aktiv

Daher stellt sich die Frage, wieso die zuständigen Politiker und Behörden hierzulande so auffällig passiv bleiben, wenn es um diese Gesichtserkennungssoftware geht, obwohl ja auch Bürger der Bundesrepublik Deutschland betroffen sind. Letztlich hat sich einzig und allein der baden-württembergische Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Stefan Brink, den Kampf gegen PimEyes auf die Fahnen geschrieben. Er eröffnete am 21. Dezember ein formelles Bußgeldverfahren gegen das Unternehmen wegen der ins Auge stechenden Inkonformität von PimEyes mit der Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union vom 27. April 2016.

Da half es Gobronidze auch nichts, dass er zuvor in seiner Stellungnahme an Brink vom 1. November darauf hingewiesen hatte, man könne ja der Verarbeitung der Fotos und Informationen durch PimEyes widersprechen, denn das diesbezügliche Prozedere hat fast schon kafkaeske Züge. Entweder lässt sich der Betroffene auf ein Abo ein, welches 920 Euro im Jahr kostet und angeblich die Löschung aller personenbezogenen Daten garantiert, oder er nutzt die kostenlos angebotene Möglichkeit, das gleiche Ziel zu erreichen. In beiden Fällen muss er aber zunächst erst einmal Porträtfotos von sich selbst hochladen und einen amtlichen Ausweis vorlegen. Das heißt im Klartext: Wer PimEyes nicht über den Weg traut und ausschließen möchte, dass dessen Suchmaschinen das eigene Bild und sensible persönliche Daten verarbeiten, dem bleibt keine andere Wahl, als dem Unternehmen genau darauf Zugriff zu gewähren.

Theoretisch besteht nun die Möglichkeit, dass PimEyes sich zumindest vom europäischen Markt zurückzieht, sofern das von Brink verhängte Bußgeld schmerzhaft genug ausfällt. Aber Nachahmer wie Faceware AI stehen schon in den Startlöchern. Deshalb ist es wohl das Klügste, extrem vorsichtig zu sein, wenn es darum geht, für Fotos oder Videoaufnahmen zur Verfügung zu stehen beziehungsweise Bilder von der eigenen Person ins Internet zu stellen – auch wenn dies vielleicht manchmal mit Nachteilen verbunden sein mag.


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Kommentare

Faladin Masouk am 08.01.23, 20:05 Uhr

Ich muss sagen, ich wurde auch schon ungefragt fotografiert und ich wüsste auch gerne, wo diese Fotos auftauchen ;-)
Anderen Menschen nachspionieren per Fotosuche geht allerdings zu weit.

Ulrich Bohl am 08.01.23, 10:53 Uhr

Wir benötigen der Überschrift folgend keine IMs mehr.
E.Mielke würde diese paradiesischen Zustände sehr be-
grüßen. Das alles läuft unter dem Namen Demokratie.
Die DDR nannte sich auch Deutsche DEMOKRATISCHE
Republick. Niemand kann ernsthaft glaubhaft machen,
dass sich Nachrichtendienste nicht solcher und ähnlicher
Methoden bedienen. Selbst wenn sie die Grenzen der
Legalität eindeutig überschreiten. Erinnert sei nur
an "Abhören von Freunden geht gar nicht". Doch es geht
und es geht weiter.

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