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Erst nach dem Flämmen oder Rösten erhält das Marzipan seine auf der Oberseite typische gebräunte Farbe. Hier hat sich der  Zucker im Marzipan karamellisiert und verleiht dem Konfekt die leckere Kruste
Bild: ManufactumErst nach dem Flämmen oder Rösten erhält das Marzipan seine auf der Oberseite typische gebräunte Farbe. Hier hat sich der Zucker im Marzipan karamellisiert und verleiht dem Konfekt die leckere Kruste

Königsberg

Wenn Marzipan aus dem Ofen kommt

Was Dresden sein Stollen ist der Hauptstadt Ostpreußens ihre außergewöhnliche Weihnachtsnascherei: Königsberger Marzipan

Jens Eichler
17.12.2024

Mandeln und Zucker sind die Zutaten, aus denen die köstliche Nascherei Marzipan hergestellt wird. Eigentlich ganz simpel ... eigentlich. Denn die Mischung macht's. Je höher der Mandelanteil und je weniger Zucker in der Masse enthalten ist, desto hochwertiger die Qualität. Dabei werden nämlich die Mandeln am besten in einer Mandelmühle fein gemahlen. Je feiner, desto besser, und das bedeutet, dass mindestens zwei bis drei Mahldurchläufe nötig sind. Danach alles mit dem Zucker ordentlich verkneten – fertig.

Die Idee zu dieser leckeren Süßigkeit, die vor allem an den Weihnachtsfesttagen und an Ostern gern vernascht wird, hatten vor gut 400 Jahren die Bewohner der Mittelmeerinsel Zypern. Von dort aus setzte das Marzipan als Delikatesse durch Seefahrer über Venedig seinen kulinarischen Siegeszug bis hoch nach Deutschland fort und landete schließlich in der Hansestadt Lübeck, wo Marzipan in seiner Herstellung zu einer regelrechten Kunst stilisiert wurde. Bis heute heißt es: Das beste Marzipan komme aus Lübeck.

Stimmt, wenn da nicht doch eine Einschränkung wäre. Denn mindestens genauso gut schmeckt das Königsberger Marzipan. Und weil das so ist, wurde es auch immer in einem Atemzug mit dem Lübecker Pendant genannt. Bis zu dem Zeitpunkt, als britische Bomberverbände die wunderschöne Hauptstadt Ostpreußens Ende August 1944 fast von der Landkarte tilgten und die urbane Schönheit regelrecht in Schutt und Asche versank. Königsberg lag in Ruinen, wurde dann von Russen annektiert, geplündert und weitestgehend über die Jahre hinweg herzlos mit typisch kommunistischen Plattenbauten wieder hochgezogen. Der Charme, die Schönheit, die architektonische Opulenz früherer Jahre waren hinfort, doch geblieben ist immer noch der Ruf von damals – und das gilt auch für das leckere Königsberger Marzipan.

Doch was ist daran so anders als bei der Lübecker Köstlichkeit? Es sind die Zutaten und die Zubereitung, die sich teilweise marginal, aber dann auch wiederum deutlich vom Lübecker Spitzenprodukt unterscheiden. Denn während wie zuvor bereits beschrieben, Marzipan generell aus mindestens 39 Prozent Süßmandeln und Zucker besteht, haben die Königsberger Zuckerbäcker noch etwas ganz raffiniertes hinzugefügt: einen Hauch Bittermandeln und etwas Rosenwasser.

Flämmen ist der Clou
Wie viel von den Zutaten dazukommt, ist nicht dokumentiert, denn es gibt kein einheitliches Rezept. Alle einst in Königsberg ansässigen Marzipanhersteller hatten ihre eigenen Rezepturen. Der Clou ist nämlich das Abflämmen oder Rösten der zuvor geformten Marzipanteile. Dadurch erst erhält das süße Konfekt einerseits seine leicht geröstete Oberfläche und andererseits die Bissfestigkeit.

Durch die Hitze beim Röst- oder Abflämmvorgang beginnt der im Marzipan enthaltene Zucker an der Oberfläche zu karamellisieren. Dieser Verarbeitungsschritt ist das i-Tüpfelchen, welches das Königsberger Marzipan zu dem macht, was es ist – nämlich einzigartig. So entsteht die sanft-zarte Knusprigkeit und die charakteristische bräunliche Tönung an der Oberfläche. Das wiederum bewirkt, dass Kenner und Liebhaber der ostpreußischen Spezialität diese im Mund erst langsam zu lutschen anfangen, bevor beim Kauen das völlige Geschmacksvolumen entfaltet wird. Das Ganz wird noch weiter durch die Verzierungen und Füllung des Konfekts verstärkt. Klein geschnittene kandierte Früchte und weicher, manchmal auch aromatisierter, Zuckerguss finden hierbei vornehmlich Verwendung.

Doch ebenso wie beim Lübecker Marzipan, das meistens noch von Schokolade umhüllt ist, hängt auch bei der Königsberger Variante die Güte und Qualität von der Höhe des Mandelanteils ab. Je mehr gemahlene Mandeln enthalten sind, desto besser. Nur, dass Königsberger Marzipan durch seinen Röstvorgang eine Spur kräftiger schmeckt.

Auch wenn die alten Traditionsbäcker in Königsberg nicht mehr wirken, so ist die Tradition doch immer noch lebendig. Dafür sorgt unter anderem die Marzipanfabrikation in Wiesbaden von Werner Gehlhaar, wo in echter Handarbeit das klassische Teekonfekt in seine Form gebracht und entsprechend verziert wird (www.gehlhaar-marzipan.eu). Gehlhaar beschäftigte vor dem Krieg über 100 Konditoren in der Königsberger Traditionsmanufaktur. 1957 eröffnete er in Wiesbaden mit seiner Konditorei auch die Marzipanfabrikation und hielt seither die feine, edle Tradition mit seinem Sohn am Leben. Seit 2003 wird das Haus von Stefani und Michael Peißker geführt, die jeden Kniff, Trick und Dreh zur Herstellung der Königsberger Spezialität vom Lehrmeister Gehlhaar beigebracht bekommen haben. Nur noch eine Info zu ihrer Qualität: Das Königsberger Marzipan aus dem Hause Gehlhaar enthält mindestens 52 Prozent Mandeln. Ein Genuss!

Das Rezept zum Selbermachen
Wer Lust hat, dieses schmackhafte Traditionsgebäck doch einmal selbst herzustellen, für den hat die PAZ hier das Grundrezept aufgeschrieben:

Zutaten: 500 Gramm Mandeln, 500 Gramm Puderzucker, fünf bittere Mandeln (aus der Apotheke), 50 Milliliter Rosenwasser (oder weniger, nach Geschmack). Zum Verzieren: Zitronat, Orangeat, kandierte Kirschen, Puderzucker und Rosenwasser für den Guss.

Und so wird's gemacht: Die süßen und bitteren Mandeln brühen und häuten. Abkühlen lassen und zusammen mit dem Puderzucker durch die Mandelmühle drehen. Das Ergebnis zusammendrücken und noch weitere zwei-, dreimal durchdrehen. Je öfter der Vorgang wiederholt wird, desto feiner das Marzipan. Wichtig: Damit das austretende Mandelöl sofort vom Puderzucker aufgesogen wird, und dadurch der Teig elastisch bleibt, ist es wichtig, dass Mandelmehl und Puderzucker stets zusammen(!) durch die Mühle gedreht werden.

Jetzt etwas von dem Rosenwasser zugeben, kräftig durchkneten und dann aus der festen Masse die typischen Umrisse formen. Auf ein dickes Holzbrett geben und unter den heißen Grill halten oder mit einem Küchenbrenner flämmen, bis die Oberfläche bräunt und der Zucker karamellisiert. Anschließend sofort alles mit Rosenwasser bepinseln und abkühlen lassen. Je nach Geschmack die Teile mit Zuckerguss bestreichen oder füllen und klein gehackte kandierte Früchte drüberstreuen – fertig.


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