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Demokratie

Wenn Widerspruch zur „Sabotage“ wird

Berlins Justizsenatorin wendet sich mit heiklem Vorschlag an die Bundesregierung

Hermann Müller
09.05.2024

Nach den Spionagevorwürfen gegen einen Mitarbeiter von Maximilian Krah, dem AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, hat Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg eine Reform des Strafrechts gefordert. Die parteilose Senatorin hat die Ampelregierung aufgefordert, Desinformation und Propaganda als „Sabotage der Demokratie“ zur Straftat zu erklären. „Die Sabotage des Meinungsbildungsprozesses muss unter Strafe gestellt werden“, sagte sie in einem Interview mit der „Berliner Zeitung“. Sie sehe „die Bundesregierung in der Verantwortung, eine entsprechende Regelung vorzulegen“.

Dass mit Berlins Justizsenatorin eine Landespolitikerin die Bundesregierung auffordert, „Sabotage der Demokratie“ unter Strafe zu stellen, mutet nur auf den ersten Blick erstaunlich an. Bevor Badenberg vergangenes Jahr in Berlin das Justizressort übernahm, arbeitete sie beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in Köln. Nachdem sie durch Innenministerin Nancy Faeser (SPD) Mitte 2022 zur BfV-Vizepräsidentin berufen worden war, bildete Badenberg gemeinsam mit dem in der Türkei geborenen Vizepräsidenten Sinan Selen und dem Präsidenten Thomas Haldenwang sogar die Leitung des Amts.

Karriere bei Faeser und Haldenwang
In der Behörde hatte die aus dem Iran stammende Felor Badenberg zuletzt die Abteilung für Rechtsextremismus geleitet. Bei der Beförderung Badenbergs hatte Innenministerin Faeser ausdrücklich erwähnt, dass diese sich bereits als Abteilungsleiterin im Bereich Rechtsextremismus für die Aufklärung der „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“ engagiert habe.

Nach Berlin vorausgeeilt war Badenberg auch der Ruf, eine „AfD-Jägerin“ zu sein. Kommentatoren werteten ihre Berufung durch den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) im vergangenen Jahr sogar als „politisches Statement“. Badenberg selbst erklärte: „Ich stehe klar für eine Abgrenzung gegen rechts.“

Badenbergs Forderung an die Ampelregierung, „Sabotage des Meinungsbildungsprozesses“ unter Strafe zu stellen, passt zu Darlegungen ihres ehemaligen Chefs Thomas Haldenwang. Dieser hatte im April in der „FAZ“ in einem Gastbeitrag erklärt, die Meinungsfreiheit sei kein „Freibrief“. Auch „unterhalb der strafrechtlichen Grenzen“ und „unbeschadet ihrer Legalität können Meinungsäußerungen verfassungsschutzrechtlich von Belang sein“, so Haldenwang in dem Beitrag. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) hatte dem Geheimdienstchef daraufhin vorgeworfen, die Bundesregierung und nachgeordnete Behörden dürften sich nicht dazu aufschwingen, für die Menschen im Land „richtig“ und „falsch“ zu definieren.

Der Vorstoß von Berlins Justizsenatorin könnte in diesem Zusammenhang möglicherweise als Versuch gewertet werden, dem von Haldenwang angedeuteten zulässigen Meinungskorridor durch einen strafrechtlichen Rahmen abzustecken. Zudem will man offenbar die Einflussnahme ausländischer Regierungen und Organisationen auf Debatten in Deutschland besonders ins Visier nehmen.

Doch sollte die Ampel die Idee tatsächlich aufgreifen, sind bereits massive Probleme abzusehen. Es sind nicht nur Staaten wie Russland oder China, die versuchen, über Propaganda Einfluss auf die Meinungsbildung in Deutschland zu nehmen. Beim Volksentscheid „Berlin 2030 klimaneutral“ wurde vergangenes Jahr beispielsweise bekannt, dass das Rekord-Budget der Klimaaktivisten auch durch eine Großspende aus Übersee zustande gekommen war. Der „Geldregen aus den USA“ war für Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) Anlass für die Ankündigung, ausländische Spender, die Einfluss auf die Gesetzgebung in Deutschland nehmen wollen, genauer untersuchen zu wollen.

Auch US-Institutionen im Visier?
Spranger wurde daraufhin das Ziel scharfer Kritik von Politikern der Grünen und der Linkspartei. Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, warf der Innensenatorin vor, mit ihrer „unglaublichen Aussage“ rücke sie „demokratische Initiativen wie den Klimaneustart ins kriminelle Licht“.

Extrem viel Arbeit hätten Ermittler, wenn sie untersuchen müssten, ob und in welchem Umfang Spenden der Bill & Melinda Gates Foundation oder der Open Society Foundations des US-Milliardärs George Soros die hiesige Meinungsbildung beeinflussen. Auch Staaten, die als Verbündete Deutschlands gelten, verzichten nicht darauf, den Meinungsbildungsprozess vom Ausland aus zu beeinflussen. Tom Curley, seinerzeit Chef der amerikanischen Nachrichtenagentur AP, hatte beispielsweise 2009 der Bush-Regierung vorgeworfen, das Pentagon mit seien 27.000 Mitarbeitern für Öffentlichkeitsarbeit in eine globale Propaganda-Maschine verwandelt zu haben.

Israel betreibt mit seinem Ministerium für strategische Angelegenheiten weltweit Öffentlichkeitsarbeit. Ebenso haben Daten des US-Justizministeriums ergeben, dass im März 2023 allein aus den USA 25 PR-Agenturen für ukrainische Regierungsstellen aktiv waren.


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