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Warum sich nur die FDP nicht aufs Ampel-Aus vorbereiten durfte, und wer ruhig lügen darf
Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe – wie wahr, wie wahr! Wir erinnern uns an die Wutrede des Nochkanzlers, mit der er am 6. November die FDP-Minister zur Tür rausjagte und die Ampel platzen ließ. Ganz spontan sollte das wirken, so die sichtbare Absicht von Scholz. Dann kam aber sehr schnell ans Licht, dass die Rede minutiös vorbereitet war. Die Spontaneität war also nichts als Inszenierung, die Wut gespielt.
Und? Rief einer „Skandal“? Oder gar „Lüge“? Nein. Warum auch? Schließlich hatten sich die drei Ampelpartner schon seit Jahresbeginn dermaßen gegenseitig an den Haaren gezogen, dass wir längst ungeduldig mit den Fingern auf die Tischplatte klopften und jeden Moment das große „Peng“ erwarteten, mit dem der Laden auseinanderfliegt. So lag es doch auf der Hand, dass sich die Koalitionäre etwas zurechtlegen für den großen Tag.
Oder? Kommt drauf an. Denn, wie eingangs erwähnt: Dass wir der SPD zugestehen, ihr Propaganda-Arsenal vorsorglich für den Tag X zu bestücken, heißt ja noch lange nicht, dass wir dies auch der FDP gestatten. Daher jaulten alle auf, als herauskam, dass in den Unterabteilungen des liberalen Parteiapparats ebenfalls ein Szenario für das Ampel-Aus ausgeknobelt worden war.
„Solch ein verantwortungsloses Handeln zerstört das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die demokratischen Institutionen“, schäumte SPD-Generalsekretär Matthias Miersch und forderte eine Entschuldigung von FDP-Chef Lindner. In dem Ton prasselte es von allen Seiten.
Wobei den routiniert Empörten allerdings klar war, dass man ihnen auf die Schliche kommen könnte. Der unbedarfte Deutsche könnte ja frech fragen: Wieso ist es denn verdammungswürdig, wenn sich bei den Liberalen welche vorbereiten, wie es die SPD mit Scholz offenkundig auch getan hat?
Darauf benötige man eine Antwort. Die gewieften Strategen besannen sich auf einen Trick, der besonders in Deutschland immer zieht und für den die lieben Franzosen sogar den Begriff „Querelle d'Allemand“ geprägt haben, also in etwa „Streit nach deutscher Art“. Wie es heißt, ist das Wort in der frühen Neuzeit entstanden. Damals hielt sich Frankreich (nicht zu Unrecht) für den mächtigsten Staat auf dem europäischen Kontinent und blickte voller Süffisanz darauf, wie sich die Hunderten Teilstaaten des römisch-deutschen Reichs in kleinkariertesten Streitereien verzettelten, derweil sich das große Frankreich ein Häppchen nach dem anderen vom östlichen Nachbarn einverleiben konnte.
Als stehende Wendung steht „Querelle d'Allemand“ heute für die Übung, vom eigentlichen Kern einer Auseinandersetzung auf irgendein nachrangiges Detail auszuweichen, um diesen Fitzel dann maßlos aufzubauschen. Sehr beliebt dafür sind Formulierungsfragen: Man redet nicht mehr über die Sache selbst, sondern darüber, wie jemand dies oder das etikettiert hat.
Wie das in der Praxis geht? Schauen wir den Profis bei der Arbeit zu: Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann zeigte sich entsetzt über die „Wortwahl“ in dem FDP-Papier und schimpfte deshalb über die Partei: „Sie sollte keine Verantwortung in diesem Land tragen für Entscheidungen hier im Deutschen Bundestag. Sie ist nicht regierungsfähig.“
Auftritt ist alles, Substanz ist egal
Wortwahl? Ja, die fleißigen Parteibienen der Liberalen hatten das Wort „D-Day“ in ihr Papier geflochten. Darauf konnte man sich nun stürzen, um die Parallelen zum Scholzschen Rede-Theater vergessen zu machen. Und plötzlich konnte sich offenbar auch die Mehrheit der Deutschen nicht mehr an den Kniff des Kanzlers erinnern und stellte die Gelben ganz allein an den Pranger. Tja, heißt eben nicht umsonst „Querelle d'Allemand“.
Zugeben müssen wir indes, dass die Inszenierung niemals so glatt gelaufen wäre, wenn die FDP-Spitze nicht so herrlich mitgespielt hätte: Erst tritt der Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zurück, und dann gehen auch noch jede Menge parteieigene Heckenschützen in Stellung wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann oder die Chefin der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann, und nehmen den eigenen Laden unter Feuer. Wahrscheinlich in der feigen Hoffnung, als „mutiger Aufklärer“ selbst dem Kugelhagel zu entgehen. Es sind halt nicht immer die Helden, die Geschichte schreiben.
Weil er nach eigenen Worten von dem Papier nichts gewusst habe und der Öffentlichkeit daher etwas Falsches erzählt hat, ist der Generalsekretär also gegangen. Mit anderen Worten: Grund ist sein schiefgelaufener Auftritt. Das scheint mittlerweile der einzige Grund, warum ein Politiker in Deutschland den Stuhl räumt – der Auftritt. Substantielle Fehlleistungen oder sogar völlige Inkompetenz spielen keine Rolle mehr. So konnte Ex-Verteidigungsministerin Christine Lamprecht mehr als ein Jahr lang ihr Haus in Grund und Boden stümpern und hat sogar die Hubschrauber-Sause mit ihrem Sohn überlebt. Gehen musste sie erst nach einem verbockten Silvester-Video – ein Witz.
Oder gucken wir uns den Kanzler selbst an: Mit den beiden übelsten Finanzskandalen der jüngeren deutschen Geschichte, Wirecard (als Finanzminister) und Cum-Ex (als Hamburger Bürgermeister), schleppt er geradezu aufreizend delikate Ungereimtheiten hinter sich her. Statt sich aber beschämt zu verziehen, grinst er das alles weg oder kann sich nicht erinnern. Der Auftritt ist zwar peinlich, aber er funktioniert. Das hat gereicht, um einfach weitermachen zu dürfen. Und was ist mit seinem Gesundheitsminister Lauterbach? Ach, lassen wir das, sonst wird es uferlos. Und das schon nach nur drei Jahren!
Ob Djir-Sarai gelogen hat, als er behauptete, von dem Strategiepapier nichts gewusst zu haben, können wir nicht wissen. Dass Scholz lügt, wenn er behauptet, Lindner und CDU-Chef Merz wollten die Renten kürzen, hingegen schon. Keiner von beiden hat das auch nur ansatzweise gefordert. Doch auch das schert niemanden ... ist halt Wahlkampf.
Wobei die Behauptung, dass man im Wahlkampf einfach lügen muss (und darf, sofern man für eine linke Partei kämpft), auch nicht ganz zutrifft. Scholz' alte Heimat Hamburg macht vor, wie man den Wählern etwas vormachen kann, ohne sie direkt zu belügen.
Während fast überall die neuen Grundsteuer-Bescheide in den ersten Wochen des neuen Jahres verschickt werden, kommt es an der Alster unerfreulicherweise zu einer kleinen Verzögerung. Dort gehen die Bescheide zum größten Bedauern des rot-grünen Senats erst im April raus. Technische Probleme? Muss ja, was sonst?
Vielleicht das: Am 2. März, eine Woche nach den Bundestagswahlen, wählen die Hamburger eine neue Bürgerschaft. Aus Berlin hören wir, dass die Grundsteuerrechnung dort ab 2025 teilweise auf fast das Siebenfache steige. Solche Zahlen will man den Hamburgern möglicherweise nicht ausgerechnet kurz vor einem Urnengang zumuten, sonst leidet noch deren „Vertrauen in die demokratischen Institutionen“.
sitra achra am 07.12.24, 15:55 Uhr
Wie immer, lieber Herr Heckel, haben Sie meine volle Zustimmung.
Doch was ist zu tun? Aus dem wehrfähigen Alter bin ich leider 'raus, sonst würde ich in die Fußstapfen meines Vaters treten.
Gregor Scharf am 07.12.24, 12:55 Uhr
"Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser." Nur fehlen uns Bürgern die Gremien und Kontrollorgane, die dem enthemmten Treiben in einer Demokratiesimulation die Grenzen aufzeigen. Tröstlich, dass es nicht nur in Deutschland völlig aus dem Ruder läuft. In Wahrheit sind nahezu alle Staaten rund um den Globus an der Unregierbarkeit angelangt. Wer soll derart abstossende charakterliche Eigenschaften wie oben beschrieben auch noch mit seinem Votum auf dem Stimmzettel belohnen und anschliessend in den Spiegel schauen können oder seinen Kindern und Enkeln ins Gesicht?