28.11.2025

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Eine Schlüsseltechnologie, die Europas Abhängigkeit von China illustriert: Mitarbeiter der Nexperia GmbH gehen durch die sogenannten Rein­räume des Halbleiterproduzenten
Bild: pa/David HammersenEine Schlüsseltechnologie, die Europas Abhängigkeit von China illustriert: Mitarbeiter der Nexperia GmbH gehen durch die sogenannten Rein­räume des Halbleiterproduzenten

China

Wer am längeren Hebel sitzt

Die Produktion von Mikrochips liegt fest in den Händen von Unternehmen aus Fernost – EU ist ausgeliefert

Wolfgang Kaufmann
28.11.2025

Seit etwa 15 Jahren erwerben Unternehmen aus der Volksrepublik China vermehrt europäische Hochtechnologiefirmen, wobei hinter den Käufern meist die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) steht. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Übernahme des niederländischen Chip-Herstellers NXP Semiconductors durch Wingtech Technology im Jahr 2018 für 3,6 Milliarden US-Dollar. Neuer Chef des nunmehr Nexperia genannten Unternehmens wurde Zhang Xuezheng, welcher der KPCh angehört und dessen Konzern Wingtech sich zum Teil im Besitz des chinesischen Staates befindet.

Daher kann auch kaum verwundern, dass Zhang unlängst Vorbereitungen dafür traf, Produktionskapazitäten, finanzielle Ressourcen und geistiges Eigentum von Nexperia an ein anderes chinesisches Unternehmen zu übertragen. Dem vorausgegangen waren zwei Entscheidungen der Biden- und Trump-Regierung vom Dezember 2024 und September 2025, Nexperia von US-amerikanischen Rohmaterialien und Technologien abzuschneiden, weil das Unternehmen nunmehr eine Tochter des chinesischen Wingtech-Konzerns ist, der verdächtigt wird, US-Interessen zu schaden.

In Reaktion auf die Aktivitäten von Zhang übernahm die niederländische Regierung am 30. September die Aufsicht über die Nexperia-Produktionsstätten in Europa, worauf am 7. Oktober die offizielle Suspendierung des chinesischen Firmenchefs folgte. Peking wertete das als faktische Enteignung und verhängte ein umfassendes Exportverbot für Nexperia-Mikrochips, deren Endmontage, Prüfung und Verpackung mittlerweile nicht mehr in den Niederlanden, sondern bei Nexperia China in Dongguan erfolgt.

Das war ein schwerer Schlag gegen die Europäische Union, weil diese in großem Umfang Standardhalbleiter von Nexperia importiert, welche dann in der Automobilindustrie und etlichen anderen Wirtschaftszweigen zum Einsatz kommen. So stecken in nur einem Fahrzeug von Volkswagen mittlerweile rund 600 Chips, die vielfach von Nexperia hergestellt werden. Daher standen bei VW sogar Produktionsstopps zur Diskussion.

Insgesamt liefert Nexperia China im Normalfall 50 Milliarden Chips pro Jahr ins Ausland, wodurch Peking eindeutig am längeren Hebel saß. Deshalb konnte es schließlich einen Deal mit dem US-Präsidenten Trump und der Regierung in Den Haag aushandeln. Die USA entschärften ihre Sanktionsvorschriften, soweit diese Nexperia betrafen, und die Niederlande gaben Wingtech die Kontrolle über das Tochterunternehmen zurück. Dafür erlaubte Peking wieder den Export von Nexperia-Chips für zivile Zwecke.

Steigende Gefahr von Lieferstopps
Auch wenn im Chip-Krieg zwischen China und dem Westen damit vorerst Waffenstillstand herrscht, bleibt die gravierende Abhängigkeit der deutschen und europäischen Wirtschaft von chinesischen Zulieferern bestehen. Denn der teilweise Zusammenbruch der Lieferketten während der Corona-Pandemie führte letztlich zu keinem nennenswerten Kurswechsel. Vielmehr nahmen die Importe aus China noch weiter zu. So führte die Bundesrepublik im ersten Halbjahr 2025 10,7 Prozent mehr Waren aus dem Reich der Mitte ein als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Diesen Umstand bezeichnete der Leiter des Bereiches Internationale Wirtschaftspolitik beim Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln, Jürgen Matthes, als „schlechten Witz“ beziehungsweise als Folge einer „Kombination aus ‚Geiz ist geil' und Naivität“.

Nun hat der Deutsche Bundestag zwar angesichts der Nexperia-Krise der Einsetzung einer Kommission zur „Überprüfung der sicherheitsrelevanten Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und China“ zugestimmt, aber das ändert keinen Deut daran, dass das Ungleichgewicht im Handel angesichts der Schwäche der hiesigen Wirtschaft weiter fortbestehen wird, was analog für das Risiko von chinesischen Lieferstopps gilt.

Vor einigen Jahren gab Peking noch 400 Milliarden US-Dollar für den Import von Chips aus. Durch die Übernahme von Firmen wie Nexperia sowie die hartnäckigen Bemühungen der USA, China den Zugang zu fortschrittlichen Halbleitererzeugnissen aus dem Ausland zu verwehren, entstand im Reich der Mitte dann aber eine autarke Chip-Industrie. Diese wiederum ermöglicht nun auch die Entwicklung eigener Anwendungen für die Künstliche Intelligenz (KI).

Globale Spionage Chinas
Welche Gefahren das birgt, wurde jetzt durch eine Enthüllung des US-amerikanischen KI-Unternehmens Anthropic bekannt gemacht. Dessen Experten fanden heraus, dass die staatliche chinesische Hackergruppe GTG-1002 eine „Agenten-KI“ entwickelt und eingesetzt hat, die fast ohne menschliche Steuerung 30 große Unternehmen, Banken und Behörden rund um die Welt ausspionierte, wobei ihre Cyber-Angriffe sehr komplex, präzise und schnell daherkamen. Das stellt die westlichen IT-Sicherheitssysteme nun vor ganz neue Herausforderungen.


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