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Ein US-Memorandum zur Beendigung des Ukrainekriegs schlägt hohe Wellen. Zweifellos erfordert der Vorschlag von den Ukrainern schmerzhafte Zugeständnisse. Doch blenden die Kritiker daran aus, welche Folgen im Falle eines Scheiterns drohen
Die Aufregung ist groß seit Bekanntwerden der ersten Punkte aus dem Vermittlungsvorschlag, mit dem US-Präsident Trump seine Bemühungen um ein Ende des Ukrainekrieges fortsetzt. Von einem „Zwingen der Ukraine zur Kapitulation“ ist vor allem in Europa die Rede. Ganz abgesehen davon, dass die Kritiker ausblenden, dass das Trumpsche Memorandum seit dem Scheitern der Friedensgespräche von Istanbul im Frühjahr 2022 die einzige Initiative zur Beendigung eines bald vier Jahre dauernden Krieges ist, blendet die Kritik wesentliche Aspekte darin aus. Weshalb das Memorandum nachfolgend in die politische und militärische Lage eingeordnet werden soll.
Zunächst einmal wurde der Trumpsche Vorschlag der Ukraine nicht diktiert, sondern sowohl mit der Ukraine als auch Russland abgestimmt. Eine US-Delegation unter Leitung des Heeresministers Driscoll führte weitere Gespräche mit der Regierung in Kiew und dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj. Dieser sprach danach von „Optionen für einen echten Frieden“. Nach Beratungen mit den Staats- und Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens äußerte sich Selenskyj jedoch deutlich skeptischer und beklagte den Druck auf die Ukraine und die schwierige Wahl, vor der sie stünde, „entweder ihre Würde zu verlieren oder das Risiko einzugehen, einen wichtigen Partner zu verlieren“. Ebenfalls ausgeblendet wird, dass sich Trump und Selenskyj in der Schweiz treffen und ihre Positionen abstimmen wollen, bevor der US-Präsident mit dem russischen Präsidenten Putin sprechen will. Von einem Agieren über die Ukrainer hinweg kann also nicht die Rede sein.
Auffälligerweise warnten europäische Politiker und „Experten“ vor einer Kapitulation der Ukraine beziehungsweise einem „Diktatfrieden“ sowie einer Übernahme russischer Positionen noch bevor der vollständige Text des Memorandums überhaupt bekannt wurde. Vor allem das an den Versailler Vertrag erinnernde Wort vom Diktatfrieden ist abwegig. Deutschland verlor 1920 ein Großteil seines Territoriums, obwohl zum Zeitpunkt des Waffenstillstands im November 1918 kein gegnerischer Soldat auf deutschem Boden gestanden hatte, während es beim Ukrainekrieg von heute im Wesentlichen um die Fixierung der Ergebnisse der militärischen Kämpfe geht.
Europäische Kritikpunkte
Die Staats- und Regierungschefs Großbritanniens, Deutschlands, Frankreichs und der Ukraine verlangen zudem, „vitale europäische und ukrainische Interessen langfristig zu wahren“. Dazu gehört für sie, dass jede Vereinbarung, welche die europäischen Staaten, die EU oder die NATO betreffe, „einer Zustimmung der europäischen Partner beziehungsweise eines Konsenses der Alliierten“ bedürfe. Deshalb forderten sie am Rande des G20-Gipfels in Südafrika, dass weiter an dem US-Plan gearbeitet werden müsse.
US-Vizepräsident J.D. Vance hat die Kritik der Europäer zurückgewiesen. Entweder habe man den Vermittlungsvorschlag missverstanden oder leugne die wahre Lage. „Es gibt diese Fantasie“, so Vance, „wenn wir bloß für mehr Geld, mehr Waffen oder mehr Sanktionen sorgten, wäre der Sieg greifbar.“
Richtig ist, dass das Memorandum präziser gefasst sein könnte und von Vereinbarungen, die nicht in der Entscheidungskompetenz der beiden Vertragspartner liegen, entlastet werden sollte. Letztlich sind die Ukraine und Russland selbst für eine angemessene Berücksichtigung ihrer Interessen verantwortlich. Es ist dann aber auch nicht Sache der Europäer, im Namen der Ukraine Regelungen abzulehnen oder anderweitig die amerikanischen Bemühungen zu konterkarieren. Vielmehr sollten sie den Friedensprozess im engen Schulterschluss mit der US-Regierung fördern und sich bewusst sein, dass sie im Falle eines Ausstiegs der USA nicht ansatzweise in der Lage wären, die bisherigen Militärhilfen der Amerikaner zu kompensieren.
Nur eine Friedensregelung, die den Interessen der Ukraine und Russlands entspricht, schafft die Voraussetzungen für eine gerechte und dauerhafte europäische Sicherheits- und Friedensordnung. Dies wäre die größte „Sicherheitsgarantie“ für die Ukraine. Verhandlungen dürfen nicht an Maximalpositionen scheitern, jede Seite wird schmerzhafte Zugeständnisse machen müssen. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass auch Russland weit davon entfernt ist, seine ursprünglichen Kriegsziele durchzusetzen. In jedem Fall ist der Preis des Nicht-Verhandelns – das lehren die letzten Jahre – höher als der Preis eines Kompromisses.
Selbstverständlich ist es eine legitime Forderung, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union entscheiden, ob die Ukraine berechtigt ist, der EU beizutreten, kurzfristig Zugang zum europäischen Markt erhält und ob die Europäer bereit sind, 100 Milliarden US-Dollar für den Wiederaufbau der Ukraine beizusteuern, wie es das US-Memorandum vorschlägt. Aber die derzeitigen hektischen Aktivitäten können nicht darüber hinwegtäuschen, dass weder die europäischen Staaten, wenn man einmal von den Bemühungen des ungarischen Ministerpräsidenten Orbán absieht, noch die NATO fast vier Jahre die Kraft und den Willen zu einem eigenen Friedensvorschlag aufgebracht und ihre Interessen in diesem Zusammenhang definiert haben.
Kernpunkte des US-Vorschlags
Das US-Memorandum sieht unter anderem vor, dass die Ukraine in ihrer Verfassung den Verzicht auf einen NATO-Beitritt verankert und kernwaffenfrei bleibt, während die NATO zusichert, die Ukraine auch in Zukunft nicht aufzunehmen und keine Truppen in der Ukraine zu stationieren. Doch da die Ukraine weder die Voraussetzungen für einen NATO-Beitritt erfüllt noch es einen Konsens unter den Mitgliedern des Bündnisses gibt, sie dazu einzuladen, und nicht zuletzt, weil die ukrainische Verfassung ohnehin eine ständige Neutralität, die Nichtzugehörigkeit zu Militärblöcken und den Verzicht auf Kernwaffen vorschreibt, bedeutet dieser Punkt für die Ukraine gar kein Opfer.
Die europäischen Unterstützer verlangen dagegen, dass lediglich festgestellt wird, ein NATO-Beitritt hänge von einem Konsens der Mitglieder ab, der nicht bestehe. Die Allianz solle sich verpflichten, in Friedenszeiten keine Truppen unter ihrem Kommando dauerhaft in der Ukraine zu stationieren. Damit würde jedoch die NATO-Option für den Fall offengehalten, dass künftig ein Konsens hergestellt würde und Truppen aus NATO-Staaten jederzeit in das Land verlegt werden können, im Falle eines Krieges sogar unter NATO-Kommando. Dieser Vorschlag könnte, sollte er von Trump akzeptiert werden, die Friedensverhandlungen im Ganzen gefährden. Denn die Russen werden dem nicht zustimmen.
Die Forderung europäischer Politiker, die Ukraine müsse in der Lage sein, sich „wirkungsvoll“ zu verteidigen, kann nicht bedeuten, Russland militärisch besiegen zu können, denn das ist unrealistisch. Die ukrainischen Streitkräfte waren bei Beginn des Krieges acht Jahre vom Westen ausgebildet und modern ausgerüstet worden und mit einer Personalstärke von über 400.000 Soldaten mehr als doppelt so stark wie das russische Invasionskontingent. Obwohl der Westen den Krieg finanzierte, immer leistungsfähigere Waffensysteme lieferte, die Operationsplanung entscheidend unterstützte und durch umfassende Aufklärung und zeitverzugslose Zielinformationen ermöglichte, dass die Ukraine strategische Ziele Russlands angreifen konnte, waren die ukrainischen Streitkräfte zu keiner Zeit fähig, die strategische Lage zu ihren Gunsten zu wenden, die von Russland besetzten Gebiete zurückzuerobern oder gar einen militärischen Sieg zu erringen.
Auf heftige Kritik stieß auch das Ansinnen, die künftige Präsenzstärke der ukrainischen Streitkräfte auf 600.000 Soldaten zu begrenzen. Dies lässt jedoch außer Acht, dass ein solcher Umfang ein erheblicher Zuwachs gegenüber dem Vorkriegs-Personalumfang der Ukrainer und erst recht gegenüber der von der Ukraine noch in den Istanbul-Verhandlungen geforderten Stärke von 250.000 Soldaten wäre. Zudem bestehen berechtigte Zweifel, ob die Regierung in Kiew Streitkräfte in dieser Größenordnung überhaupt unterhalten könnte. Zum Vergleich: Die Bundesregierung plant künftig bei einer um das Dreifache größeren Bevölkerungszahl gegenüber der Ukraine einen Personalumfang der Bundeswehr von 260.000 bis 270.000 Soldaten. Und der 2+4-Vertrag schrieb dem vereinten Deutschland eine maximale Präsenzstärke von 370.000 Soldaten vor.
Die Frage der Gebietsabtretungen
Schmerzhaft für die Ukraine sind zweifellos die Gebietsverluste. Die Krim sowie die Regionen Luhansk und Donezk sollen als de facto russisch gelten, und die ukrainischen Streitkräfte sollen sich aus den in diesen Regionen noch von ihnen gehaltenen Gebieten zurückziehen. Die militärische Lage in Saporischschja und Cherson wird entlang dem Frontverlauf eingefroren, wodurch Gebiete unter der Kontrolle der jeweiligen Streitkräfte russische oder ukrainische Territorien bleiben.
Auch hier würde die Ukraine im Grunde nur längst geschaffene Tatsachen anerkennen. Am 16. März 2014 entschieden sich angeblich mehr als 95 Prozent der Krim-Bevölkerung in einem Referendum für den Beitritt zur Russischen Föderation. Die Ukraine hat diese Abstimmung offiziell niemals, de facto aber durchaus anerkannt, indem auf ihren Vorschlag hin in Istanbul vereinbart wurde, den Status der Krim und Sewastopols innerhalb von 15 Jahren in bilateralen Verhandlungen zu vereinbaren. Die Regionen Luhansk und Donezk erklärten sich im April 2014 in einer Sezession zu unabhängigen Volksrepubliken, was in Referenden mit 89 beziehungsweise 96 Prozent bestätigt wurde. Zwar haben der Westen und die Ukraine keines der Referenden anerkannt, doch kann der Umstand, dass die Regionen im Minsk-II-Abkommen von 2015 einen Sonderstatus erhielten, als Eingeständnis gewertet werden, dass Kiew schon vor zehn Jahren bewusst war, dass diese Gebiete verloren sind.
Zur Vermeidung eines erneuten militärischen Konflikts sollen zwischen Russland, der Ukraine und Europa umfassende Nichtangriffsabkommen geschlossen werden. Sinnvoll wäre, einen Nichtangriffsvertrag zwischen Russland und der Ukraine als Teil der Sicherheitsgarantien für die Ukraine abzuschließen. Für ein Nichtangriffsabkommen zwischen Russland und der NATO sollte die NATO-Russland-Grundakte vom 27. Mai 1997 entsprechend ergänzt werden.
Nicht zuletzt enthält der Trumpsche Vorschlag auch zahlreiche wirtschaftliche Komponenten. So soll für den Wiederaufbau der Ukraine ein umfangreiches Maßnahmenpaket geschaffen und ein Entwicklungsfonds eingerichtet werden. Russland hingegen soll wieder in die Weltwirtschaft integriert und eingeladen werden, erneut der G9 beizutreten.
Alles in allem ist das US-Memorandum mehr als ein Vermittlungsvorschlag und eine Grundlage für Verhandlungen über ein Ende des Ukrainekrieges. Es ist auch ein Vorschlag für eine gesicherte wirtschaftliche und industrielle Zukunft der Ukraine, die Beendigung der politischen und wirtschaftlichen Isolation Russlands, die Normalisierung der amerikanisch-russischen Beziehungen, und es werden Elemente einer neuen europäischen Sicherheitsarchitektur skizziert. Insofern sollten die Verantwortungsträger in Kiew und Moskau, aber auch in London, Paris und Berlin diese Chance ergreifen. Nicht zuletzt, weil die wahrscheinlichste Alternative zum Trumpschen Memorandum eine militärische Niederlage der Ukraine wäre – und diese würde die europäische Sicherheitslage insgesamt gravierend verschlechtern.