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Büchergilde Gutenberg

„Wer Bücher liebt, ist bei uns zu Haus’“

Die Buchgemeinschaft und Verlagsgenossenschaft wurde vor 100 Jahren vom Bildungsverband der Deutschen Buchdrucker in Leipzig gegründet, um breiten Schichten gute Literatur erschwinglich zu machen

Ute Eichler
22.08.2024

Der Gedanke, gute Literatur zum günstigen Preis für breite Schichten der Bevölkerung herauszubringen, war nicht neu. Bereits 1912 hatte der Insel Verlag Leipzig unter Anton Kippenberg das erste Bändchen der Insel-Bücherei zum Preis von 80 Pfennigen veröffentlicht. Der Nummer 1, Rainer Maria Rilkes „Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“, folgten mehr als dreitausend Titel, meist Perlen der Weltliteratur, aber auch einige Kunstbildbände. Die mit unterschiedlichem Papier bezogenen Pappbändchen, deren Gestaltung sich stets auf den Inhalt bezieht, wurden zur einzigen Buchreihe im deutschen Sprachraum, die bis heute ohne jegliche Unterbrechung erscheint.z

Anders stellt sich die Gründungs- und die Entwicklungsgeschichte der Büchergilde Gutenberg dar. Als Gemeinsamkeit mag der Anspruch gelten, ein wirklich gutes Buch herauszubringen, das heißt, der Inhalt des literarischen Werks, sein Einband, die Gestaltung, die Illustration, die verwendete Typografie wie auch die Papierqualität sollen eine gelungene Einheit bilden, die dem Buchliebhaber ein Produkt in die Hand gibt, das über den Tag hinaus Freude bereitet. Das Buch soll sich von billiger Massenware unterscheiden, andererseits erschwinglich bleiben. So kann es nicht ein Kunstwerk in Kleinauflage sein, aber gutes Kunsthandwerk, das Verbreitung findet.

Traditionell gewerkschaftsnah
Die Büchergilde wurde am 29. August 1924 in Leipzig als Genossenschaft gegründet. Als eingetragene Büchergilde Gutenberg Verlagsgenossenschaft existiert sie bis heute, inzwischen mit Sitz in Frankfurt am Main. Initiator war Bruno Dreßler (1879–1952), Vorsitzender des Bildungsverbands der Deutschen Buchdrucker. Erster Cheflektor wurde der Autor Ernst Preczang, gleichzeitig war er Mitbegründer und geistiger Leiter. Der Zugang zu Bildung und Kultur sollte jedermann durch preiswerte Bücher ermöglicht werden. Wer beispielsweise heute Curt Bigings 1933 im Verlag der Büchergilde Gutenberg erschienenes Sachbuch „Tiere, Sonnen und Atome“ zur Hand nimmt, staunt über Druck und Gestaltung, über eine beinahe zeitlose Modernität.

Doch das Jahr 1933 steht gleichzeitig für den ersten tiefen Einschnitt in der Geschichte dieser Buchgemeinschaft. Anfang 1925 hatte die Büchergilde etwa fünftausend Mitglieder, 1933 waren es bereits 85.000. In acht Jahren hatte die Buchgemeinschaft 174 Buchtitel herausgegeben, die in insgesamt zweieinhalb Millionen Exemplaren gedruckt waren. Es wurden Werke moderner, ausländischer und auch sozialistischer Autoren veröffentlicht, darunter Oskar Maria Graf, B. Traven, Mark Twain, Jack London, Martin Andersen Nexö, Upton Sinclair, John Dos Passos und Romain Rolland. Viele dieser Schriftsteller gerieten 1933 auf den Index.

Dreßler konnte, entlassen aus wochenlanger Haft, Ende 1933 in die Schweiz übersiedeln und dort die Leitung der Schweizer Büchergilde übernehmen. Sein Sohn Helmut Dreßler (1910–1974) gründete 1946 in der Bundesrepublik die Büchergilde neu. Vater und Sohn stehen für die ersten 50 Jahre der Büchergilde. Aus ihrer Rückschau auf 30 Jahre Büchergilde Gutenberg erschien 1954 „Bücher voll guten Geistes“. 1970 wurde Helmut Dreßler vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels die Plakette „Dem Förderer des Deutschen Buches“ verliehen.

Zu den ersten Autoren der Nachkriegsjahre gehörten Arnold Zweig, Erich Kästner, Stefan Zweig und Golo Mann. Stets ging es um das illustrierte und handwerklich gut gemachte Buch. Von 1959 bis 1989 war der Buchgestalter Juergen Seuss für den Verlag tätig. Eine Reihe sehr erfolgreicher und prämierter Bücher erschien. Immer wieder gelang es, mit bibliophilen Büchern Preise der Stiftung Buchkunst zugesprochen zu bekommen. Das ist bis heute der Fall. Es ist auch ein Ergebnis der Nachwuchsförderung im Bereich Buchgestaltung und Illustration. Alle zwei Jahre wird der „Büchergilde Gestalterpreis“ an wechselnden Hochschulen ausgeschrieben. Dieses Jahr wurde der Preis einer Gruppe Studenten der Kunsthochschule Halle/Burg Giebichenstein zuerkannt für die Illustrationen des Romans von Virginia Woolf „Mrs. Dalloway“.

„Vorwärts – mit heiteren Augen!“
Die Büchergilde Gutenberg hatte 2020 in Deutschland über 60.000 Mitglieder. Sie betreibt in der Bundesrepublik in über einhundert Städten Partnerbuchhandlungen. Die Mitglieder der Buchgemeinschaft verpflichten sich, pro Quartal einen Artikel abzunehmen. Sie erhalten viermal im Jahr die Mitgliederzeitschrift. Inzwischen werden nicht nur hochwertig ausgestattete Bücher, sondern auch DVDs, Hörbücher, Musik-CDs und andere Artikel angeboten. Gültig bleibt der Satz: „Wer Bücher liebt, ist bei uns zu Haus'.“

Im Museum für Druckkunst in Leipzig wird vom 29. August bis einschließlich 10. November die Werkstattausstellung „Vorwärts – mit heiteren Augen!“ anlässlich von 100 Jahren Büchergilde Gutenberg gezeigt. „Erleben Sie Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft einer ganz besonderen Kulturinstitution“, heißt es in der Einladung zum Ausstellungsbesuch. Der runde Geburtstag wird mit einem großen Festwochenende im Museum am 31. August und 1. September begangen.

Ihren runden Geburtstag nimmt die Büchergilde zum Anlass, ein eigenes Kinderbuchprogramm aufzubauen, die Büchergilde junior. Kinder mit einzigartigen Büchern für das Lesen zu begeistern und ihnen Geschichten zu schenken, die sie ein Leben lang begleiten – das ist das erklärte Ziel und eine zukunftsweisende Investition.


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