17.01.2025

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Löschen bei Böllerbeschuss: Die Feuerwehr im Einsatz in Berlin-Neukölln
Bild: imago/Marius SchwarzLöschen bei Böllerbeschuss: Die Feuerwehr im Einsatz in Berlin-Neukölln

Analyse

Wer glaubt die Sprüche noch?

Hermann Müller
16.01.2025

Ist immer noch aktuell, was Franz Josef Strauß im Jahr 1986 als Routinereaktion der Politik auf schreckliche Verbrechen beschrieb? Laut der damaligen Diagnose des einzigartigen CSU-Urgesteins folgt nach dem Verbrechen als Akt eins, Bestürzung und Empörung als Akt zwei. Darauffolgend Akt drei: Der Ruf nach harten Maßnahmen. Akt vier besteht dann in der Warnung vor einer Überreaktion. „Fünfter Akt: Gar nichts. Sechster Akt: Übergang zur Tagesordnung“, so der damalige CSU-Chef.

Der Verdacht, dass diese Beschreibung auch nach Jahrzehnten immer noch gültig ist, stellt sich regelmäßig in den ersten Januartagen ein: Wie schon in den Vorjahren hat es auch beim letzten Silvester wieder bundesweit Gewaltexzesse gegeben. Im Raum steht nun sogar die Forderung, Böller in Privathand komplett zu verbieten. In Teilen der deutschen Hauptstadt war die Lage durch Böller-Attacken bereits so, dass sich Familien gar nicht mehr aus dem Haus getraut haben. Sie verzichteten aus Rücksicht auf Leib und Leben lieber gleich darauf, mit Knallern und Raketen das alte Jahr zu verabschieden.

Bomben aus Böllern bauen
Derweilen tobten sich gewaltaffine Jugendliche, oftmals mit Migrationshintergrund, auf den Straßen Berlins mit illegalen Polen-Böllern und mit Kugelbomben aus. Gezündet werden dürfen diese besagten Kugelbomben hierzulande eigentlich nur von fachkundigen Personen. Ein Händler für Feuerwerkskörper kommentierte die drastische Wirkung solcher „Knallkörper“: „Da kannst du auch gleich mit Handgranaten Silvester feiern.“

Dessen ungeachtet sind in Polen und Tschechien Kugelbomben bislang frei verkäuflich. Auch die mittlerweile eingeführten Grenzkontrollen sind offenbar so lückenhaft, dass diese Silvester-Bomben in großer Zahl ins Land kamen. Die EU selbst hatte bereits 2014 gewarnt, dass Terroristen Silvester-Böller zum Bombenbau nutzen können. Während Brüsseler Bürokraten sonst gern bis ins Detail regulieren oder schnell mal verbieten, wo es eher weniger zu verbieten gibt, sind die gefährlichen Kugelbomben in Polen und Tschechien noch immer frei verkäuflich.

In beiden Nachbarländern dürfen solche Silvesterartikel sogar das ganze Jahr über verkauft werden. Für eine bestimmte Klientel, denen Gesetze offenbar ohnehin egal sind, dürfte es sowieso kaum einen Unterschied machen, ob Böller in Deutschland künftig verboten sind oder nicht. Resultat der Verbotsdiskussion könnte es sein, dass der Familienvater im Allgäu oder der Uckermark künftig auf das private Silvesterfeuerwerk verzichten muss, weil Polizei und Justiz in den Großstädten jugendliche Intensivtäter nicht davon abhalten können, zu Silvester Bürgerkrieg zu spielen.

Wie schon im Januar 2022 und im Januar 2024 sind nun wieder energisch klingende Forderungen zu hören. Innenministerin Nancy Faser (SPD) kündigte etwa an: „Gewalttäter, die Polizei- und Einsatzkräfte angreifen, müssen die volle Härte des Gesetzes spüren.“ Dabei stellt sich die Frage, welcher einigermaßen informierte Bürger soll den markigen Sprüche eigentlich noch glauben?

Im Dezember 2024 wurde bekannt, dass noch immer Verfahren zu den Berliner Silvesterkrawallen vom Jahreswechsel 2022/2023 offen sind. Eingeleitet hatte die Staatsanwaltschaft 102 Verfahren. Die Justiz stellt 40 Verfahren ein, lediglich in 23 Verfahren gab es Urteile. Gefordert hatten Berliner Spitzenpolitiker seinerzeit, bei jugendlichen Tätern müsse die Strafe „auf dem Fuße folgen“.

In besonders extremen Kontrast dazu steht der Fall eines Feuerwehrmanns, der mit seinen Kollegen bei den Silvesterkrawallen 2022/23, also bereits vor zwei Jahren, durch falschen Alarm in einen Hinterhalt gelockt wurde und dann massiv mit Pyrotechnik beschossen wurde. Obwohl seinerzeit ein Tatverdächtiger festgenommen und identifiziert werden konnte, ist bislang kein Gerichtstermin zustande gekommen. Verbittert stellt der Feuerwehrmann mittlerweile die Frage: „Ist das die Härte der Justiz, von der Innensenatorin, Bürgermeister und der Landesbranddirektor sprechen?“ Zu Recht stellt er fest: „Die Täter lachen uns aus.“

Wenn der politische Wille da ist, kann der deutsche Rechtsstaat durchaus mit Konsequenz und Härte vorgehen. Deutlich zeigt sich dies bei den Strafverfahren, die wegen Beleidigung und übler Nachrede von im politischen Leben stehenden Personen geführt werden.

Eine Frage der Ehre
Über Jahrzehnte war es in der Bundesrepublik Konsens, dass Politiker aufgrund ihrer exponierten Stellung mehr an Beleidigung zugemutet werden darf als normalen Bürgern. Wie diese konnten sich Politiker auch bislang gegen Beleidigungen juristisch wehren. Mit der Begründung, Hass und Hetze gegen Politiker würden immer mehr zunehmen, hat sich die Politik vor einigen Jahren allerdings eine gesonderte Regelung zur Strafverfolgung geschaffen. Diese Fälle werden von einigen Staatsanwaltschaften auch mit erstaunlicher Hartnäckigkeit verfolgt. Dies wirft Fragen zum Gleichbehandlungsgrundsatz auf: Ist die Ehre eines Politikers mehr wert als die eines Feuerwehrmanns?

Verwundert muss man auch feststellen, mit welcher Konsequenz einige Staatsanwälte vorgehen, wenn es um die angebliche Beleidigung von Politikern geht. Da wird kaum ein Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt, da ziehen sich die Verfahren auch nicht jahrelang hin.

Die Zahl solcher Strafverfahren geht mittlerweile in die Tausende. Obwohl die Unverletzlichkeit der Wohnung im Grundgesetz unter ganz besonderen Schutz gestellt wurde, ist es mittlerweile übliches Vorgehen von einigen Staatsanwaltschaften, bei Beleidigungen von Politikern Durchsuchungsbeschlüsse zu beantragen. Namhafte Juristen bezweifeln, ob dies verhältnismäßig ist. Keine Zweifel bestehen daran, dass solche Hausdurchsuchungen auch eine allgemeine Wirkung auf die Meinungsfreiheit im Land haben.

Jeder Fall bindet bei Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten obendrein personelle Ressourcen. Besser eingesetzt wären diese oftmals, um beispielsweise jugendlichen Intensivtätern und organisierter Kriminalität zu zeigen, dass es in Deutschland doch noch einen funktionierenden Rechtsstaat gibt.


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Kommentare

Kersti Wolnow am 16.01.25, 12:03 Uhr

Genauso ist es mit dem Schwarzbuch der Steuerzahler Akt 1-6 nach dem spitzzüngigen Franz Joseph.
Wenn ich jedoch die Zeit nach meinem Eintreffen in die bRD im Oktober 1989 mit den Zuständen heute vergleiche, liegen dazwischen Welten zwischen gefühlter Idylle damals und dem täglichen kriminellen Gebaren der Politik heute. Alle Rechtsbrüche sind bekannt, aber niemand handelt.

Bruno Letzer am 16.01.25, 08:10 Uhr

Was mich immer wieder erstaunt: dass wegen im Vergleich zu Kapitalverbrechen Nichtigkeiten wie Beleidigung von Politikern gleich Hausdurchsuchungen angeordnet werden, die ganz offensichtlich unverhältnismäßig sind und damit nicht nur gegen das GG, Unverletzlichkeit der Wohnung, sondern auch gegen geltende Rechtsauffassung und Rechtsprechung verstoßen. In unserer verfassungsrechtlichen Ordnung müssen alle staatlichen Maßnahmen verhältnismäßig sein. Dieser Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hat nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Funktion, die individuellen Rechte und Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger zu verteidigen ( vgl. BVerfGE 81, 310 (338)
Wenn das also so ist, warum stellen dann die Betroffenen nicht Strafantrag gegen die Richter und Staatsanwälte, die diese Verhältnismäßigkeit nicht einhalten und Hausdurchsuchungen anordnen, wegen Rechtsbeugung und Rechtsbruch? Auch Richter und Staatsanwälte sind nicht sakrosankt, wenn es um Verfehlungen geht. Und für Strafanzeigen benötigt man keinen Anwalt und es kostet auch nichts.

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