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Nachdem der Sigmaringer Leopold auf Druck Napoleons III. auf eine Kandidatur verzichtet hatte, fiel die Wahl auf einen Savoyer
Wer sich als Deutscher für die Entstehungsgeschichte des heutigen kleindeutschen Nationalstaates interessiert, der weiß, dass Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen 1870 zur Kandidatur für die spanische Krone aufgefordert wurde, dass der Prinz auf Druck des französischen Kaiserreichs darauf verzichtet hat, dass Frankreich trotzdem dem Hohenzollernstaat den Krieg erklärte und dass während dieses Deutsch-Französischen Krieges das deutsche Kaiserreich gegründet wurde. Dabei bleibt meistens unberücksichtigt, warum in Spanien überhaupt ein neuer König gesucht wurde, warum gerade dem Hohenzollern-Prinzen eine Kandidatur angetragen wurde und schließlich wer nach dessen Kandidaturverzicht stattdessen König von Spanien wurde.
Zweiter Sohn des Königs von Italien
Dass in Spanien ein neuer König gesucht wurde, lag an der Septemberrevolution des Jahres 1868. Die damalige Königin und Urururgroßmutter des heutigen Königs Felipe VI., Isabella II., floh nach Frankreich und entsagte schließlich 1870 dem Thron. Die Revolutionäre standen nun vor der Frage: Monarchie oder Republik. Aus den Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung gingen 1869 die Monarchisten mit 236 zu 85 Sitzen als Sieger hervor. Da die emigrierte Bourbonin nicht mehrheitsfähig war, fand nun die Suche nach einer personellen Alternative statt.
Diverse Personen waren in der Diskussion. Zeitweise schien es auf den ältesten Sohn von Karl Anton, dem letzten regierenden Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen und preußischen Ministerpräsidenten der liberalen Neuen Ära, zuzulaufen. Die Familie war wie die Mehrheit der Spanier katholisch sowie im Gegensatz zu Isabella liberal. Leopold war mit Jahrgang 1835 im besten Mannesalter und hatte mit dem 1864 geborenen Sohn Wilhelm auch bereits einen potentiellen Thronfolger zu bieten, was auch ein Kriterium war. Seine Herkunft aus dem Hause Hohenzollern versprach gute Beziehungen zu Preußen, was dem spanischen Streben entgegenkam, die Abhängigkeit vom mächtigen französischen Nachbarn zu minimieren. Und Leopolds Ehe mit einer Schwester des portugiesischen Königs Ludwig I. ließ zudem gute Beziehungen zu Spaniens kleinem Nachbarn im Westen erwarten, mit dem manche in Spanien eine iberische Vereinigung wünschten.
Widerstand seitens des Kaisers der Franzosen, der mit Leopold enger verwandt war als der preußische König, war nicht unbedingt zu erwarten. Schließlich war Leopolds jüngerer Bruder Karl auf Empfehlung Napoleons III. 1866 Fürst von Rumänien geworden. Allerdings hatten sich die Beziehungen zwischen Preußen und Frankreich im Allgemeinen sowie dem preußischen Ministerpräsidenten und dem französischen Kaiser mittlerweile nicht zuletzt wegen der Luxemburgkrise von 1867 derart verschlechtert, dass das Projekt am Widerstand Frankreichs scheiterte. Leopold verzichtete auf die ihm angetragene Kandidatur.
Kein Widerstand Napoleons III.
Das kam dem italienischen Herrscherhaus Savoyen zugute. Schon frühzeitig hatte Italiens König seinen minderjährigen Neffen Thomas vorgeschlagen. Der Vorschlag war in Spanien auf fruchtbaren Boden gefallen. Die Idee, den italienischen König auf seiner Seite zu wissen, kam dem spanischen Streben nach mehr Unabhängigkeit von Frankreich entgegen. Denn wenn sein Versuch, eine französisch-österreichisch-italienische Allianz gegen Preußen zu schmieden Erfolg haben sollte, musste Napoleon auf Viktor Emanuel Rücksicht nehmen. Allerdings war der Vorschlag des italienischen Königs bereits 1869 an der Ablehnung durch Thomas' Mutter gescheitert.
Nun hatte Viktor Emanuel neben seinem ältesten Sohn Umberto, von dem zu erwarten war, dass er einmal König werden würde, noch weitere Söhne, deren ältester Amadeus Ferdinand Maria war. Amadeus war Jahrgang 1845. Wie Leopold war auch er katholisch und hatte mit Emanuel Philibert bereits einen potentiellen Thronfolger zu bieten. Nachdem das italienische Außenministerium in Europa eruiert hatte, dass anders als im Falle des Hohenzollern-Prinzen Leopold diesmal kein nennenswerter Widerstand zu befürchten war, stellte sich Amadeus als Kandidat zur Verfügung.
Nach seiner Wahl durch Spaniens Parlament im November 1870 und seiner Ankunft in seiner neuen Haupt- und Residenzstadt leistete Amadeus am 2. Januar 1870 den Eid auf die spanische Verfassung. 16 Tage vor der Proklamation des preußischen Königs Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser in Versailles wurde der Herzog von Aosta in Madrid als Amadeo I. zum König von Spanien ausgerufen.