01.12.2025

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Voller Elan: Christian Müller, Co-CEO von Schwarz Digits (3.v.l.) und Karsten Wildberger (CDU), Bundesminister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung (4.v.l.) beim Spatenstich für das neue Schwarz Digits Rechenzentrum
Bild:: picture alliance/dpa | Frank HammerschmidtVoller Elan: Christian Müller, Co-CEO von Schwarz Digits (3.v.l.) und Karsten Wildberger (CDU), Bundesminister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung (4.v.l.) beim Spatenstich für das neue Schwarz Digits Rechenzentrum

Zukunftsmarkt

Wettlauf mit den USA um die digitale Vormacht in Europa

Erste Ansätze wie Lidls Rechenzentrum reichen bei Weitem noch nicht aus

Sverre Gutschmidt
01.12.2025

Schon beim digitalen Lohnzettel ab 2027 wird jedem die Abhängigkeit von den USA im digitalen Raum klar: Ohne vorherige Anmeldung bei den US-Tech-Riesen Microsoft oder Google gibt es keinen Zugriff. Selbst bei staatlich hoheitlichen Aufgaben ist die Abhängigkeit im Datenraum total: Programme, Server, Verwaltung – ohne die führenden US-Konzerne geht kaum etwas. Und schon die Infrastruktur der digitalen Welt ist ungleich: Deutsche Rechenzentren bieten eine Gesamtleistung von rund 2,4 Gigawatt, die USA können auf etwa 40 Gigawatt zugreifen.

Eigene digitale Angebote stecken europaweit noch in den Kinderschuhen. Ein Digitalgipfel in Berlin dient der Politik jetzt als Signal und Ideenwerkstatt. Bundeskanzler Friedrich Merz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wollen bei Mikroelektronik, bei Daten in der Cloud und Quantentechnologie Europas Werte, eigene Technologie und eigenes Recht durchsetzen. Spät begreift Europas Politik: Wer Speicher und Anwendungen liefert, bestimmt faktisch das Recht.

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag bedient sich seit Neustem der mit deutschen Fördergeldern entwickelten Software OpenDesk, um nach rechtlichen Drohungen aus den USA wenigstens seine Kommunikation nicht mehr über Programme des US-Datenriesen Microsoft abwickeln zu müssen. Auf dem Digitalgipfel demonstrieren Politik und Wirtschaft nun die Bereitschaft, Kontrolle über Daten, Speicherung, Cloud, Anwendungen sowie über Künstliche Intelligenz (KI) zurückzugewinnen und selbst Fähigkeiten aufzubauen. „KI kann unser Comeback werden, das digitale Comeback für Europa“, sagt Bundesdigitalminister Karsten Wildberger (CDU).

Doch Schwärmerei vom Markt der 450 Millionen Europäer reicht nicht. Netzexperten sehen in dem Gipfel eher einen kleinen Wurf, weil Beispielprojekte den Umschwung kaum schaffen und große Investitionen bisher noch ausbleiben. Das größte Vorhaben ist ein neues, elf Milliarden Euro teures KI-Rechenzentrum der Schwarz-Gruppe (Lidl) in Lübbenau. Bis zu 100.000 KI-Spezialchips (GPUs) kommen künftig dort zum Einsatz. Neben den firmeneigenen Aufgaben soll das Zentrum auch anderen Konzernen dienen, Kapazitäten für staatliche Aufgaben stellen.

Die Strategie kopiert, was der US-Handelsriese Amazon in den 2000er Jahren vormachte. Dieses starke Engagement der einen deutschen Firma lenkt den Blick umso mehr auf ausbleibende Investitionen der anderen. Denn für viele europäische Wirtschaftsgrößen fängt digitale Kooperation erst an. Bei Infrastruktur wie Zukunftstechnologie droht die USA den Vorsprung eher auszubauen. Allein US-Konzern Meta will bis 2008 rund 600 Milliarden US-Dollar in KI und entsprechende Rechenzentren investieren.

Die US-Größen werden nach der Beilegung des Zollstreits mit den USA durch die EU nach wie vor nicht steuerlich angemessen zur Kasse gebeten, was ihre Profite in Europa angeht. Das Bundesfinanzministerium verschenkt sogar Einnahmen von US-Tech-Konzernen aus der Lizenzschranke. Sie soll die Verschiebung von Lizenzrechten in Steuerparadiese eindämmen und droht nun unter dem Schlagwort „Bürokratieabbau“ abgeschafft zu werden. Die genauen Einnahmen aus der Regelung für den Fiskus schätzen Experten auf mehrere Milliarden Euro. Google kann so Gewinne aus Europa auf den Bermudas verbuchen, während deutsche Tech-Firmen regulär besteuert werden. So mag es sein, dass die Schwarz-Gruppe derzeit mehr in Deutschland investiert als Google, doch die digitale Souveränität ist durch geringes Tempo und Ausmaß der Aufholjagd in Gefahr: „Ohne mutige Regulierung, Investitionen in europäische Infrastruktur und echte Alternativen verliert Europa womöglich den Wettbewerb“, so Digital-Experte Markus Beckedahl.

Kein geschlossenes Auftreten
Ein Bewusstseinswandel müsse her, kritisieren Experten, doch die deutsche Wirtschaft handhabt das Thema digitale Sicherheit im internationalen Vergleich eher lax. Von allem zu wenig: Auf dem Gipfel in Berlin wurden 18 neue strategische Partnerschaften und Kooperationen zum Ausbau von Anwendungen für KI präsentiert. Das Volumen beträgt laut der EU Champions Initiative für KI (EU AICI) rund eine Milliarde Euro – also kein großer Wurf. Auch bei der Abstimmung mit Brüssel zeigen sich mehr Lücken als europäische Geschlossenheit. So haben Paris und Berlin vor einem neuem EU- „Digitalpaket“ eine Wunschliste nach Brüssel geschickt, die sie „weitestgehend“ abgestimmt haben. Frankreich will vor allem den Rechtsrahmen regulieren, Deutschland investieren. Bei der digitalen Brieftasche, dem European Digital Identity Wallet (EUDI-Wallet) geht Deutschland einen eigenen Weg in Europa, auch wenn jetzt deutsch-französische Kooperation angekündigt wurde.

Die Gefahr, dass digitale Konkurrenten aus China oder den USA mit ihrem Vorsprung schneller und größer planen und gängige Lösungen bereits etabliert haben, wenn deutsche oder EU-Alternativen fertig sind, ist groß. So bliebe die digitale Wertschöpfungskette dann wieder weiter in fremder Hand und Kontrolle – und damit auch unser aller Daten.


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