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Cancel Culture

Widerstand an den Unis

Robert Mühlbauer
15.02.2021

Linke Aktivisten haben den Wirtschaftswissenschaftler Bernd Lucke im Hörsaal niedergebrüllt, der einstige AfD-Mitgründer brauchte wochenlang Polizeischutz. Ein Seminar über Meinungsfreiheit mit Thilo Sarrazin, das ein Philosophieprofessor in Siegen geplant hatte, versuchte die Uni-Leitung durch Geldverweigerung zu behindern. Bei einer Diskussion über das islamische Kopftuch in Frankfurt, organisiert von der Ethnologin Susanne Schröter, war schnell der „Rassismus“-Vorwurf bei der Hand. Später flogen sogar kurzzeitig die Fäuste.

Der Druck der linksgerichteten Political Correctness an den Universitäten und regelrechte Kampagnen gegen Abweichler haben nun eine Widerstandsbewegung ausgelöst. Vergangene Woche ging ein „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“ mit prominenter Unterstützung an die Öffentlichkeit. 70 Professoren und Professorinnen gehören zu den Erstunterzeichnern. „Wir widersetzen uns allen Bestrebungen, die Freiheit von Forschung und Lehre aus ideologischen Motiven einzuschränken“, schreiben sie. In einem Manifest beklagen sie, dass versucht werde, „Forschung und Lehre weltanschaulich zu normieren und politisch zu instrumentalisieren“.

Es werde Konformitätsdruck erzeugt, der immer häufiger dazu führt, wissenschaftliche Debatten im Keim zu ersticken, schreiben sie. Hochschulangehörige würden unter Druck gesetzt, die Einladung missliebiger Gastredner werde zum Skandal aufgeblasen. Zudem werde versucht, Forschungsprojekte, die mit den weltanschaulichen Vorgaben nicht konform gehen, zu verhindern. All dies wird gemeinhin unter dem Schlagwort „Cancel Culture“ (Löschkultur) zusammengefasst: Sie geht vor allem von linken Aktivisten aus, die liberale oder konservative Andersdenkende mundtot machen wollen.

Sprecherin des Netzwerks ist die Historikerin und Migrationsforscherin Sandra Kostner von der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd, die schon mehrfach mit kritischen Aufsätzen zur linken Identitätspolitik hervorgetreten ist. Zu den weiteren führenden Organisatoren gehören der Mainzer Historiker Andreas Rödder, die Philosophin Maria-Sibylla Lotter von der Ruhr-Universität Bochum, die Politologin Ulrike Ackermann vom John-Stuart-Mill-Institut und der Jurist Martin Nettesheim von der Universität Tübingen. Sandra Kostner findet, es gebe eine Verengung, welche Themen Wissenschaftler problemlos bearbeiten könnten. Manche Themen seien karrierefördernd, andere könnten Karrieren erschweren oder gar zerstören.

Wer sich kritisch etwa mit (Frauen-)Quoten beschäftige, der brauche dafür Mut, sagt sie. Die Philosophin Lotter nannte als „heikle Themen“ Islamkritik und Migration. Das Gefühl sei verbreitet, dass man bestimmte Fragen nicht mehr offen ansprechen dürfe. Nettesheim betonte, die Wissenschaft müsse lebendig bleiben. Die Drohung mit Ausgrenzung sei falsch. Der Jurist Reinhard Merkel beklagte, es gebe eine Atmosphäre, in der gelauert werde, ob jemand einen falschen Begriff verwende oder ob er sich weigere, die „Gender-Form“ zu verwenden. Zu spüren sei eine latente Drohung mit einer moralischen Stigmatisierung.

Die Reaktionen in einigen Medien wie der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, „Cicero“ oder auch „Zeit“ auf das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit waren freundlich, das Presseecho groß. Aus der Politik gab es zunächst wenig Echo. Der CDU-nahe Studentenverband RCDS begrüßte die Gründung des Netzwerks und warnte vor einer schleichenden Einschränkung der Meinungsfreiheit an den Universitäten. Der AfD-Wissenschaftssprecher Götz Frömming sagte zustimmend: „Wenn der Korridor dessen, was man an deutschen Hochschulen noch denken und sagen darf, nach dem Empfinden vieler Professoren selbst immer enger wird, ist das höchst beunruhigend.“ Aber es gab auch andere Töne: Der Grünen-Politiker Kai Gehring ätzte: „Die Debatte um sogenannte Political Correctness und Cancel Culture in der Wissenschaft baut einen Popanz auf und hilft bei der Lösung echter Probleme nicht weiter. Hinter diesen rechtskonservativen Chiffren verstecken sich viele, um eigene Ressentiments weiter zu pflegen.“ Die Fronten sind damit klar abgesteckt: Von Links wird die Cancel Culture als Fortschritt in eine schöne neue Welt ohne Vorurteile begrüßt.


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Kommentare

Anke Philipp am 17.02.21, 07:05 Uhr

Jeder Widerstand gegen die Zerstörung unserer Werte ist wichtig und Anerkennenswert.

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