Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Caspar von Schrenck-Notzing: Der Doyen des deutschen Nachkriegskonservatismus hat eine Kriminalerzählung hinterlassen
Caspar von Schrenck-Notzing (1927–2009) gilt als Doyen des bundesrepublikanischen Konservatismus. In seinem Nachruf auf ihn hat der frühere Chefredakteur der Tageszeitung „Die Welt“, Herbert Kremp, festgehalten: „Er galt als konservativer Literat, hätte aber in den Vereinigten Staaten oder in Großbritannien als geachteter Zeitgeistkritiker auftreten können, der überall gedruckt worden wäre.“
In hiesigen Breitengraden galten aber schon immer etwas andere, strengere Gesetze in puncto Meinungsfreiheit als in der übrigen westlichen Welt. So war Schrencks publizistische Tätigkeit vor allem auf die von ihm ins Leben gerufene und herausgegebene Zeitschrift „Criticón“ (1970–1998) beschränkt. Dieses intellektuelle Periodikum wurde neben Schrenck-Notzing vor allem von dem Schweizer Armin Mohler und anderen Autoren geprägt, die in der konservativen, konservativ-liberalen und rechten Publizistik Rang und Namen hatten. Vom internationalen Niveau her gesehen – der Herausgeber bot auch zahlreichen anglo-amerikanischen Autoren eine Publikationsmöglichkeit – hat „Criticón“ seitdem wohl keinen vergleichbaren Nachfolger gefunden.
Im Seewald-Verlag brachte der Enkel des Parapsychologen Albert Freiherr von Schrenck-Notzing und des Heimatschriftstellers Ludwig Ganghofer einige Bücher heraus. Mit am bekanntesten dürfte das Werk „Charakterwäsche“ (1965) sein, in dem der Autor die amerikanische Besatzungspolitik und ihre Folgen kritisch beleuchtet. Im Gegensatz zu anderen konservativen oder rechten Intellektuellen pflegte der Sohn des Rennstallbesitzers und Kommandeurs des Heeresrennstalls, Gustav von Schrenck-Notzing, keinen Vulgär-Antiamerikanismus. Er nahm konservative Strömungen und Einflüsse aus den Vereinigten Staaten auf und kritisierte zugleich die offizielle US-Regierungspolitik gegenüber der Bundesrepublik.
In seinem Buch „Zukunftsmacher“ (1968) sezierte der Publizist den Siegeszug der neuen Linken in Deutschland. Und in der schmalen Schrift „Honoratiorendämmerung“ (1973) ging er mit der CDU ins Gericht. Schrenck hat sich aber immer bemüht, auch konservative Kreise innerhalb der Union zu erreichen. Alexander Gauland, damals noch fest im hessischen CDU-Milieu verortet, steuerte zahlreiche Beiträge vor allem über britische Geschichte und Literatur für „Criticón“ bei.
Wer sich für Schrencks Œuvre interessiert, dem sei vor allem der Band „Konservative Publizistik“ empfohlen, der seine Textbeiträge aus den Jahren 1961 bis 2008 umfasst und der von der Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung zwei Jahre nach dem Tod des zuletzt zum Katholizismus konvertierten Publizisten herausgegeben wurde.
Und nun ein Krimi? Wie passt das zusammen? Im Wiener Karolinger Verlag ist jüngst eine zu Lebzeiten unveröffentlichte und unvollendete Kriminalerzählung Schrencks erschienen, die samt Vor- und Nachwort nur rund 100 Seiten umfasst. Der klassische Krimileser wird bei der Lektüre wohl kaum auf seine Kosten kommen. Dafür ist die Erzählung zu sehr Fragment. Auch mangelt es ihr an Spannung. Derjenige, der die kulturpessimistische Feder des Autors und sein literarisches Können schätzt und vielleicht auch noch die eine oder andere „Criticón“-Ausgabe auf dem heimischen Dachboden hat, kommt jedoch auf seine Kosten.
Der Herausgeber Alexander Eiber war einst im Parteivorstand der CSU – inzwischen ist der 1993 in Bayern geborene Journalist nicht mehr Mitglied der weiß-blauen Staatspartei – und forscht seit einigen Jahren zum Leben und Denken von Caspar von Schrenck-Notzing. Im Gegensatz zu den sehr wendigen Machtpolitikern Horst Seehofer und Markus Söder, für die Eiber einst im Strategiestab der CSU tätig war, dürfte das politische Denken Schrencks über ein höheres Maß an Kontinuität und Berechenbarkeit verfügen.
Zehn schöne schwarz-weiße Abbildungen liefern einen Einblick in die Lebenswelt von Schrenck am Starnberger See. Sein Vater Gustav diente im Ersten Weltkrieg als Schwerer Reiter (daher der Titel) beim Münchner Garderegiment Prinz Carl von Bayern. In seinem Vorwort, das die Erzählung einordnet, wertet Eiber die Novelle weniger als Kriminalerzählung, sondern eher als „autobiographischen Schlüsselroman“. So erlange der Leser „Zugang zu wesentlichen Teilen der Biographie des Publizisten, politischen Schriftstellers und Intellektuellen Caspar von Schrenck-Notzing“. In der Figur des radelnden Ruheständlers Tryphon Karbunkel erkennt Eiber Schrenck wieder, der niemals einen Führerschein besaß und die Erzählung wohl um die Jahrtausendwende begonnen haben muss.
In seinem kurzen Nachwort zeichnet der Herausgeber den intellektuellen Lebensweg Schrencks nach, der wie sein früh verstorbener Vater immer auf Distanz zum NS-Regime geblieben war. Und auch in der Nachkriegszeit passte er sich nicht an und legte Wert auf Eigenständigkeit, die er sich ökonomisch auch leisten konnte. Nach verschiedenen Anläufen und Buchpublikationen entstand mit „Criticón“ „der Kristallisationspunkt einer heterogenen rechten Intelligenz“ (Alexander Eiber), wobei dort zum Beispiel auch christlich geprägte Konservative veröffentlichen konnten. Die Zeitschrift war sein Lebenswerk. In seinen späteren Jahren rief er noch das Rezensionsorgan „Unsere Agenda“ ins Leben, so wie auch „Criticón“ ursprünglich als ein solches geplant war.
Caspar von Schrenck-Notzing wurde am 23. Juni 1927 in München in eines der ältesten Patriziergeschlechter der Stadt geboren. Zeit seines Lebens war das Distanz-Halten seine hervorstechende Eigenschaft. Und auch seine Kriminalerzählung „Schwere Wetter, schwere Reiter“ wirkt wie aus der Zeit gefallen.
Caspar von Schrenck-Notzing: Schwere Wetter, schwere Reiter. Kriminalerzählung, Herausgegeben von Alexander Eiber. Karolinger Verlag, Wien und Leipzig 2024, gebunden, 102 Seiten, 19 Euro.
Hans-Jürgen Lock am 18.01.25, 19:59 Uhr
Das zur Illustration benutze Bild "Schwerer Reiterei" ist unzutreffend. Es handelt sich nicht um Kürassiere, sondern um Ulanen (Lanzenträger), die im Kaiserreich fast ausschließlich nur noch innerhalb der Kavallerie aufgestellt wurden.