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Die Heilige-Katharina-Kirche von Slawentzitz in Oberschlesien erhält ihre 465 Jahre alte Glocke aus Münster zurück
Slawentzitz [Sławięcice] ist seit 1975 ein etwas verschlafener Stadtteil der oberschlesischen Kreisstadt Kandzrin-Cosel [Kędzierzyn-Koźle]. Doch ein Einheimischer würde nach seinem Herkunftstort gefragt nie Kandrzin-Cosel, sondern immer Slawentzitz sagen.
Der Ort war im 17. Jahrhundert bekannt für das zu seiner Zeit modernste Hüttenwerk in Oberschlesien. Der in Slawentzitz heimische Zweig des Hauses von Hohenlohe zählte zu den bedeutendsten Großindustriellen Oberschlesiens und wurde mit dem Einstieg in den Galmeibergbau und die Zinkverhüttung einer der weltweit größten Zinkhersteller. Durch den Bau des Klodnitzkanals und der Bahnstrecke von Breslau über Kandrzin nach Gleiwitz entwickelte sich Slawentzitz trotz seines eigentlich dörflichen Charakters zu einem bedeutenden Industriestandort. Darauf ist der Slawentzitzer heute noch stolz.
Bedeutender Industriestandort
Seit einer Woche ist Slawentzitz in den Fokus deutscher und polnischer Leitmedien gerückt. Der Grund ist die wiedergefundene Glocke der Slawentzitzer Heiligen-Katharina-Kirche, die der Heiligen Katharina aus Alexandrien gewidmet ist. Die Glocke sollte vor 77 Jahren wie etwa 80.000 anderen Glocken im Dritten Reich von der deutschen Rüstungsindustrie zu Waffen und Munition verarbeitet werden. Doch dazu kam es nicht mehr und sie gelangte nach Hamburg.
Was aber mussten die Slawentzitzer, die vielfach der deutschen Volksgruppe angehören, kürzlich über ihre Heimatglocke lesen? Das Blatt „Rzeczpospolita“ berichtete, dass die Glocke von den Nationalsozialisten „geraubt“ worden sei und erklärte dem Leser, dass Slawentzitz vor dem Zweiten Weltkrieg unter deutscher Administration stand, was in der polnischen Sprache eine „Fremdverwaltung“ suggeriert. Das Internetportal „Gazeta.pl“ schreibt, dass die Slawentzitzer Glocke gar vom „deutschen Okkupanten geraubt“ worden sei, räumt jedoch ein, dass die Glocke sich im deutschen Besitz befinde. Ins selbe Horn blies zeitgleich die „Süddeutsche Zeitung“: „77 Jahre nach dem Raub durch die Nazis in Polen soll eine Kirchenglocke von Münster zurück nach Sławięcice gebracht werden.“ Dabei bezieht sich das Blatt auf den dpa-Nachrichtenkanal. Der Deutschlandfunk berichtete, „eine im Zweiten Weltkrieg von den Nationalsozialisten gestohlene Kirchenglocke kommt in ihre polnische Heimatgemeinde zurück“.
Gazetten sprachen von Raub
Der Pfarrer der Heiligen-Katharina-Gemeinde, Marian Bednarek, ist ein passionierter Geschichtsforscher. Er stammt aus dem 40 Kilometer entfernten Keltsch [Kielcza] und hat einen guten Draht zu den einstigen Slawentzitzern, so auch zu Hans Manek.
Bei all dieser Bitterkeit ist die Aktion an sich berichtenswert. Manek wusste, dass Pfarrer Bednarek bereits seit zwei Jahren nach der 1944 abtransportierten Glocke forschte. Im 2011 erschienenen Buch „Leihglocken“ von Marceli Tureczek fand er ein Foto, auf dem zu sehen war, wie die Glocke mit einem Pferdefuhrwerk abtransportiert wurde. Er konnte herausfinden, dass diese sich in Münster befand. Nun war Manek, der in Rommerskirchen wohnt, gefragt. Er stellte den Kontakt mit dem Bischöflichen Generalvikariat her. „Als wir dann nach 77 Jahren die ersten Fotos von unserer Glocke zugeschickt bekommen haben, waren wir alle überwältigt – vor Freude“, sagte er gegenüber den „Westfälischen Nachrichten“.
Briten untersagten Rückgabe
Die Glocke stammt aus dem Jahre 1555 und wiegt 400 Kilogramm. Sie hat den Krieg auf dem zentralen Glockensammelplatz in Hamburg, dem sogenannten Glockenfriedhof, überdauert. Während die meisten der übrig gebliebenen Glocken in ihre Heimatgemeinden zurückgeführt wurden, konnten etwa 1300 Glocken aus den deutschen Ostgebieten nicht mehr zurückkehren. Die britische Militärregierung hatte die Rückgabe untersagt. Da sie jedoch in Hamburg nicht bleiben konnten, wurden sie als sogenannte „Patenglocken“ an westliche Kirchengemeinden ausgeliehen. So fand die Glocke aus Slawentzitz neben zwei anderen ihren Platz im Innenhof des Kirchengerichts zu Münster in Westfalen.
Sobald die Pandemie im Griff ist, soll sie nach Slawentzitz zurückkehren. „Die Suche war damit abgeschlossen, doch die Glocke ist noch nicht wieder in Polen“, war in den „Westfälischen Nachrichten“ zu lesen. Wieder in Polen? Eigentlich doch erstmals! Zum Leid deutscher „Leitmedien“.