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Als See-Grenzbeobachtungsturm (BT 11) gehörte er zu einer Reihe von ehemals 27 Türmen dieser Art an der Ostseeküste der DDR: Ostsee-Grenzturm Börgerende
Foto: PcpanikAls See-Grenzbeobachtungsturm (BT 11) gehörte er zu einer Reihe von ehemals 27 Türmen dieser Art an der Ostseeküste der DDR: Ostsee-Grenzturm Börgerende

Nationale Volksarmee

Wie die DDR die Flucht über die Ostsee verhinderte

Von den Grenztruppen war die rund 2500 Mann starke 6. Grenzbrigade mit ihrem Stabsquartier in Rostock für die Küste zuständig

Wolfgang Kaufmann
17.01.2025

Die Sicherung der 378 Kilometer langen Seegrenze der Sowjetischen Besatzungszone oblag zunächst der UdSSR. Diese übertrug die Überwachung der Ostseeküste und der vorgelagerten Dreimeilenzone der nunmehrigen DDR im Januar 1950 an die Grenzpolizei des Landes Mecklenburg, die sich nachfolgend „Grenzbereitschaft Küste“ nannte. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben erhielt sie 29 alte Kontrollboote unterschiedlichen Typs.

Im Mai 1952 begann die besagte Grenzeinheit mit der verschärften Absperrung der gesamten Ostseeküste sowie der landseitigen Grenze zur Bundesrepublik Deutschland zwischen Travemünde und Dassow. Dreieinhalb Jahre später, am 1. Dezember 1955, unterzeichneten die UdSSR und die DDR einen Staatsvertrag, der dem deutschen „Arbeiter- und Bauernstaat“ die uneingeschränkte Verantwortung für den Schutz seiner Seegrenze einräumte. Infolgedessen entstand am 14. August 1957 auf Weisung des DDR-Innenministers Generalleutnant Karl Maron die 6. Grenzbrigade, deren Stab in Rostock lag. Dem folgte am 1. November 1961 die direkte operative Unterstellung dieses Verbandes, dem nun etwa 2500 Mann angehörten, unter das Kommando des Chefs der DDR-Volksmarine, Konteradmiral Heinz Neukirchen. Außerdem kam es am 1. Januar 1962 zu einer nochmaligen Umbenennung in 6. Grenzbrigade Küste (6. GBK).

Zirka 6000 versuchten die Flucht
Die juristische Grundlage für deren Tätigkeit bildete ab dem 19. März 1964 die neue Grenzordnung der DDR. Dabei wurde zwischen der land- und der seeseitigen Grenzsicherung unterschieden. Landseitig kontrollierte die 6. GBK eine fünf Kilometer breite Grenzzone zwischen Pötenitz am Dassow-See im Westen und Altwarp am Oderhaff im Osten, die zwar kein Sperrgebiet war, in der aber diverse Meldepflichten und Auflagen für Bewohner und Touristen galten. Dazu kam ein 500 Meter tiefer Schutzstreifen von Rosenhagen bei Pötenitz bis Steinbeck bei Klütz. Diesen durften außer den diensthabenden Grenzposten nur noch ausgewählte Personen betreten, zu denen neben Mitarbeitern der Land- und Forstwirtschaft diverse SED-Kader sowie hohe Offiziere der 6. GBK und der Volksmarine gehörten, die hier gerne ihre feuchtfröhlichen „Admiralsjagden“ abhielten. Außerdem entstand zwischen der Halbinsel Priwall bei Pötenitz und dem Fischerdorf Brook eine 13 Kilometer lange und 3,5 Meter hohe Sperrmauer, welche „Grenzverletzer“ daran hindern sollte, an das Pötenitzer Wieck oder die Ostseeküste zu gelangen.

Zur weiteren landseitigen Absperrung der Seegrenze patrouillierten bewaffnete Postenpaare am Strand. Diese kamen aus den acht Grenzkompanien von Brook bis Bansin. Andere Grenzschützer dienten in den zwölf Technischen Beobachtungskompanien, die insgesamt 24 Radaranlagen betrieben, die eine lückenlose Erfassung aller Überwasserziele in der südwestlichen Ostsee bis hinauf nach Fehmarn und Gedser erlaubten. Außerdem gab es noch 38 Beobachtungstürme, zumeist vom Typ BT-11, entlang der Küste, an deren Fuß nachts regelmäßig mobile Lichtbogen-Flak-Scheinwerfer sowjetischer Bauart auf SIL-130-Lkws Position bezogen und das Gelände im Umkreis von 18 Kilometern ausleuchteten.

Auf See befanden sich ständig vier der insgesamt 18 verfügbaren Vorpostenschiffe der Grenzschiffabteilungen Saßnitz und Warnemünde. Meist kreuzten sie im Bereich der Lübecker Bucht und vor Kühlungsborn und Graal-Müritz sowie zwischen Darßer Ort und Kap Arkona. Dabei handelte es sich um ausgemusterte Minensucher der Kondor-Klasse, die eine Geschwindigkeit von 20 Knoten erreichten und zwei 25-mm-Zwillings-Geschütze 2M-3 besaßen. Damit waren sie den Bundesgrenzschutzbooten der Neustadt-Klasse in jeder Hinsicht unterlegen. Deshalb war ein Nachfolgemodell geplant, wurde jedoch nie gebaut.

Außerdem standen permanent sechs kleinere Grenzboote vom Typ GB-23 „Bremse“ in den Zufahrten zu den Seehäfen von Wismar und Stralsund sowie im Libben und im Greifswalder Bodden. Diese gehörten zur 3. Grenzbootgruppe Barhöft und zur 6. Grenzbootgruppe Tarnewitz. Im Sommer erfolgten zudem noch morgendliche Aufklärungsflüge über See, bei denen Maschinen des Marinehubschraubergeschwaders 18 „Kurt Bartel“ in Parow bei Stralsund vom sowjetischen Modell Mil Mi-8 und Mi-14 zum Einsatz kamen.

Mindestens 189 ertranken
Dieser enorme Aufwand führte dazu, dass rund acht Zehntel der schätzungsweise 6000 DDR-Bewohner, die schwimmend oder mit Hilfe von Luftmatratzen, Schlauchbooten und ähnlichem über die Ostsee in den Westen zu gelangen versuchten, gefasst wurden. Mindestens 189 Menschen ertranken bei einem Fluchtversuch. Das waren mehr, als an der Berliner Mauer starben. Einer der Flüchtlinge, die es nicht schafften, war der Obermaat Bodo Strehlow, der am 5. August 1979 das Grenzschiff G-424 „Graal-Müritz“ entführen wollte und dafür eine lebenslange Haftstrafe erhielt, die erst Ende 1989 aufgehoben wurde. Letztlich blieb die einzige gelungene Fahnenflucht von Angehörigen der 6. GBK über See die der Mitglieder der Besatzung der G-423 „Pasewalk“, die sich am 24. August 1961 von Wismar nach Travemünde absetzten.

Mit der deutschen Vereinigung endete die Geschichte der 6. Grenzbrigade Küste, die bereits im Frühjahr 1990 aus dem Verband der Volksmarine herausgelöst worden war. Ihre hoheitsrechtlichen Aufgaben übernahm am 3. Oktober 1990 der Bundesgrenzschutz. Dieser nutzte drei der Grenzschiffe bis zu ihrer Außerdienststellung in den Jahren 1995/96 weiter. Dahingegen verkaufte die Bundesrepublik die „Altentreptow“, die „Demmin“, die „Malchin“ und die „Templin“ an Tunesien, während die „Ueckermünde“ und die „Pasewalk“ nach Malta gingen. Dort wurde die „Ueckermünde“ 2007 versenkt und bildet seitdem eine Unterwasserattraktion für Tauchsportler.

Dr. Wolfgang Kaufmann gehörte von 1976 bis 1978 erst als Matrose und dann als Obermatrose dem Stab des Grenzbataillons 4 in Tarnewitz an.


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Kommentare

Gregor Scharf am 17.01.25, 13:21 Uhr

Diesen Irrsinn erlebten wir hautnah, als wir mit gerade mal 18 Jahren an der Ostsee unseren Urlaub als Wochenendcamper auf mehreren Zeltplätzen verbrachten. Die Grenze hat uns überhaupt nicht interessiert nur die Mädels, mit denen wir dann nachts, ohne Sachen versteht sich, „Baden“ gingen. Wir hatten dabei höchstens zehn Minuten Zeit, bis eine Patrouille heran raste, um uns aufzuspüren. Einige wurden erwischt und wie Schwerverbrecher behandelt, bis irgendein Offizier hinzu kam und die Sachlage richtig einschätzte. Trotzdem kam das Vergehen in die Akte. Absolut krank, wenn einem Staat nichts besseres einfällt, als seine Bürger hinter Stacheldraht zu halten und jeglichen Spaß am Leben im Alkohol ertränkt, denn Saufen war unter den Uniformträgern angesagt. Vermutlich konnten sie den Selbstbetrug und das System nur so aushalten, weil sie nicht den Mumm hatten, sich aufzulehnen wie wir. Und heute ringen wir noch immer bzw. schon wieder um wirkliche Freiheit, damals um Reisefreiheit.

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