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Die Vorgeschichte des zweiten Burenkrieges zwischen der Südafrikanischen Republik und dem Oranje-Freistaat sowie dem Empire endete vor 125 Jahren
Im Zuge der nicht nur Europa betreffenden Neuordnung nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft mussten die Niederlande Großbritannien in der 1814 geschlossenen Londoner Konvention die südafrikanische Kapkolonie endgültig abtreten. Nachfolgend kam es zu einer forcierten britischen Einwanderung und einer damit einhergehenden Verschiebung der weißen Bevölkerungszusammensetzung zugunsten des englischsprachigen Elements.
Dadurch änderte sich auch das Leben in der Kolonie. Während die städtischen Kap-Holländer sich assimilierten, entfremdeten sich auf dem Lande Buren und Obrigkeit zunehmend voneinander. Die Farmer an den Grenzen verloren das Vertrauen in die Verwaltung, die nicht in der Lage schien, ihnen ausreichend Schutz gegen Überfälle zu gewährleisten.
Das leitete letztlich die in die Geschichte als der „Große Treck“ eingegangene Massenauswanderung von mehr als 10.000 Buren, den „Voortrekkern“, aus der Kapkolonie nach Norden und Nordosten ein. Diese Völkerwanderung ab 1835, die rund zwei Jahrzehnte später mit der Gründung der beiden Burenrepubliken Transvaal und Oranje-Freisstat endete, hat entscheidend zur Ausdehnung des heutigen südafrikanischen Staatsgebildes beigetragen.
Bildung der Burenrepubliken
Ende 1847 wurde Sir Harry Smith Gouverneur der Kapkolonie. Im Februar 1848 vergrößerte er das Empire um die Orange River Sovereignty. Er annektierte das Gebiet nordöstlich der Kapkolonie zwischen dem namensgebenden Oranje im Süden, dessen längstem und größtem Nebenfluss, dem Vaal, im Norden und dem höchsten Gebirge im südlichen Afrika, den Drakensbergen, im Osten.
Das führte zu Unruhen unter den in das Gebiet nördlich des Vaal abgewanderten Voortrekker-Buren. In zähen Verhandlungen erreichten diese, dass Großbritannien ihnen 1852 in der Sand River Convention die Unabhängigkeit Transvaals zusicherte.
Die Konsolidierung eines geordneten Staatsgebildes sollte allerdings noch auf sich warten lassen. Erst um die Jahreswende 1856/57 kam es dort zur Gründung der Südafrikanischen Republik mit der Hauptstadt Potchefstroom, die 1860 in dieser Funktion von Pretoria abgelöst wurde.
Im Jahr 1854 wurde aus der Orange River Sovereignty der Briten der Oranje-Freistaat der Buren. Da nach der Annexion durch Smith 1848 die dortigen Buren von Anfang an Widerstand geleistet hatten und überdies der Landstrich wirtschaftlich nur von untergeordneter Bedeutung war, entschloss sich die britische Verwaltung zur Aufgabe desselben. In der 1854 zwischen Großbritannien und den Buren in Bloemfonteinon abgeschlossenen Orange River Convention erhielten die in dem Gebiet lebenden Buren die Unabhängigkeit. Das führte zur Bildung des Oranje-Freistaats mit der Hauptstadt Bloemfontein.
Während sich Letzterer zusehends zu einer Art politischer und wirtschaftlicher Musterrepublik entwickelte, gaben die Zustände in der Südafrikanischen Republik mit der Zeit Anlass zur Besorgnis. Wirtschaftlich und finanziell trieb das Land langsam dem Ruin entgegen. In der Schwäche dieses Staates sah Großbritannien eine Gefahr für die Sicherheit der europäischen Kolonien im südlichen Afrika, und so mehrten sich die Stimmen derjenigen, die ein Eingreifen Londons als notwendig erachteten.
Hinzu kam, dass der seit 1866 amtierende britische Kolonialminister, Henry Herbert, 4. Earl of Carnarvon, der schon 1867 den Zusammenschluss Kanadas zu einer Konföderation herbeigeführt hatte, den Gedanken hegte, die Kapkolonie und die 1856 von den Briten geschaffene Kolonie Natal mit den Burenrepubliken ebenfalls zu einer Union zusammenzuschließen. Auf der hierzu im Mai 1876 einberufenen Londoner Konferenz zeigte sich aber, dass keineswegs Konsens über einen solchen Plan bestand. Einzig Natal unterstützte ihn, und von dort kam auch der Mann, der für vollendete Tatsachen sorgte.
Sir Theophilus Shepstone, Staatssekretär für Eingeborenenfragen in Natal und Vertreter dieser Kolonie bei der Londoner Konferenz, überschritt im Januar 1877 mit einigen Beamten und einer Eskorte von 25 Angehörigen der Natal Mounted Police ungehindert die Grenze zur Südafrikanischen Republik. Fast drei Monate lang verhandelte er in Pretoria mit der politischen Führung des Staates und versuchte diese ergebnislos für die Unionspläne zu gewinnen. Am 12. April 1877 verlas er schließlich vor dem Regierungsgebäude in Pretoria eine Proklamation, durch welche die Südafrikanische Republik zur britischen Kolonie erklärt wurde. Zwar erhob Präsident Thomas François Burgers formalen Protest, doch zeigt die Tatsache, dass sich die Regierung angesichts der nur kleinen britischen Kommission ansonsten kaum widersetzte, in welch schwacher Verfassung sich der Staat befand.
Erster Burenkrieg
Allerdings wuchs in den folgenden Jahren der Widerstandsgeist der Transvaaler Buren, und Ende 1880 kam es zum allgemeinen Aufstand gegen die Besatzungsmacht. Das löste den ersten Burenkrieg aus.
Trotz ihrer militärischen Übermacht mussten die Briten empfindliche Niederlagen einstecken, die letztlich dazu führten, dass es 1881 zur Unterzeichnung des Friedensvertrages von Pretoria kam, in dem Transvaal weitgehende Autonomie unter der Oberhoheit der britischen Krone zugestanden wurde. Auf burischer Seite hatte sich in den Verhandlungen ein Mann hervorgetan, der später noch eine wichtige Rolle spielen sollte: Paul Kruger. Nachdem er 1883 mit überwältigender Mehrheit zum Präsidenten gewählt worden war, reiste er im Jahr darauf nach London und erreichte dort praktisch die Beendigung der britischen Suprematie über sein Land, das sich hinfort wieder Südafrikanische Republik nennen durfte.
Kaum war die Selbstständigkeit wiederhergestellt, trieb das Land zum zweiten Mal einer politischen, finanziellen und wirtschaftlichen Misere entgegen. Das führte zu erneutem Argwohn bei den Nachbarn.
Da trat jedoch ein Ereignis ein, das die entscheidende Wende herbeiführen sollte. 1886 wurden am Witwatersrand große Goldlagerstätten entdeckt, die ein ungeahntes Wirtschaftswachstum nach sich zogen. Gleichzeitig mit dem Goldrausch kam auf die Südafrikanische Republik ein Problem mit ausländischen Gastarbeitern zu, die in großer Zahl ins Land strömten, um hier ihr Glück zu finden. Um die Mitte der 1890er Jahre setzte sich die weiße Bevölkerung Transvaals aus rund 80.000 Buren, aber fast doppelt so vielen Ausländern zusammen. Dass dies zu sozialen Spannungen führen musste, war vorauszusehen, zumal die Gastarbeiter einen den Buren gänzlich fremden Lebensstil pflegten und aufgrund ihrer besseren europäischen Schulbildung und ihres technischen Know-hows auch ein offeneres Weltbild mitbrachten, als es bei dem Burenvolk vorherrschte, das weitab von den Zentren der Zivilisation ein Leben in einfacher bäuerlicher Art – weitgehend geprägt von strengen religiösen Vorstellungen – führte. Da sich außerdem das gesamte Kapital, das den wirtschaftlichen Aufstieg des Staates überhaupt erst ermöglichte, im Besitz der Zugereisten befand, drohte hier ein unvermeidlicher Konflikt.
Jameson Raid
In den Problemen, die aus der Überfremdung des Landes entstanden, erblickte der damalige Premierminister der Kapkolonie, Cecil John Rhodes, eine günstige Gelegenheit, die alten Pläne für ein vereintes britisches Südafrika wieder aufleben zu lassen. Dabei setzte er voll und ganz auf die Unterstützung der in Transvaal lebenden Ausländer beziehungsweise deren Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen. Überdies vertrat Rhodes die Auffassung, dass die immer stärker antibritisch ausgerichtete Politik des Präsidenten Kruger ein Eingreifen erforderlich mache.
So traf er denn Vorbereitungen für einen Putsch, mit dem die Regierung in Pretoria beseitigt und Transvaal wieder dem britischen Herrschaftsbereich einverleibt werden sollte. Weil der entsprechende Putschversuch vom Jahreswechsel 1895/96, der sogenannte Jameson Raid (Jameson-Überfall), aber kläglich scheiterte, musste er als Premierminister zurücktreten.
Ein gutes Jahr nach dem Jameson Raid traf am Kap mit Sir Alfred Milner ein neuer Gouverneur ein. Von Anfang an ließ dieser keinen Zweifel daran, dass er den sich verschärfenden Gegensatz zwischen Buren und Briten notfalls mit Gewalt lösen werde. Die verbalen Angriffe von Seiten Milners auf Präsident Kruger und umgekehrt nahmen an Heftigkeit zu, die wechselseitigen Ultimaten eskalierten, bis am 11. Oktober 1899 offiziell der Krieg zwischen beiden Seiten ausbrach, der zweite und letzte Burenkrieg, der das Ende der Burenrepubliken bedeutete.