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Das Museum in dem ehemaligen Wohnhaus in Georgenswalde wurde rechtzeitig zum 50. Todestag des Bildhauers saniert
Georgenswalde, das jetzt Otradnoje heißt und ein Ortsteil von Rauschen [Swetlogorsk] wurde, und der Kurort Rauschen waren früher gefragte Badeorte für Königsberger und gelten inzwischen als Badewanne des Königsberger Gebiets. Hier erholte sich schon im Kaiserreich sowie in der Weimarer Republik in einer wachsenden Zahl an Villen, Ferienhäusern, Pensionen und Hotels viel Prominenz.
Georgenswalde zog einst auch den bekannten deutschen Bildhauer Hermann Brachert magisch an. Er stammte eigentlich aus Stuttgart, fungierte bis 1944 über Jahrzehnte als Kunstprofessor in Königsberg und besaß in dieser Stellung ein Sommerhaus in Georgenswalde, das inzwischen ein Kunstmuseum beherbergt. Dieses „Hermann-Brachert-Museum“ in der jetzigen Tokarew-Straße 7 ist nach längerer Renovierung mit großer finanzieller Unterstützung der russischen Regionalregierung und einer konzeptionellen Neugestaltung wieder für Besucher geöffnet. Die erhaltenen Arbeiten des deutschen Künstlers vor allem in Naturstein, Bronze sowie Bernstein genießen hier wie auch in seiner Vaterstadt Stuttgart zum aktuellen 50. Todestag eine große Wertschätzung.
Wahlheimat Georgenswalde
Brachert wurde am 11. Dezember 1890 in Stuttgart geboren. Er war der Sohn eines Geschäftsführers, besuchte zunächst die Stuttgarter Schlossrealschule, absolvierte dann eine vierjährige Lehre als Ziseleur sowie Stahlstempelschneider und studierte ab 1913 an der Kunstgewerbeschule Stuttgart. Dazu kam 1917/18 ein Architekturstudium an der Technischen Hochschule in Stuttgart. Zwischendurch heiratete er die Bildhauerin Marie von Wistinghausen. Das Ehepaar wechselte 1919 nach Königsberg, wo Hermann Brachert als Lehrer an der „Kunst- und Gewerkschule“ wirkte, neben der Bildhauerklasse auch die Goldschmiedeklasse leitete und 1924 für seine Plastiken mit der „Bronzenen Königsberger Stadtmedaille“ ausgezeichnet wurde.
Parallel engagierte sich in Königsberg auch seine Frau, die nun vor allem als „Lichtbildnerin“ wirkte und für die „fotografische Bestandsaufnahme des Königsberger Schlosses“ verantwortlich war. Dieses Fotoarchiv erlangte nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg eine zusätzliche Bedeutung.
Erfolgreiche Jahre in Königsberg
Brachert übernahm neben seinen Lehraufgaben viele Staatsaufträge für Plastiken und war als Berater der Staatlichen Bernstein-Manufaktur Königsberg sowie der Staatlichen Kunstgießerei Gleiwitz tätig. Er war ein gefragter und erfolgreicher Künstler, der auch auf Ausstellungen Aufsehen erregte und die Sommer mit seiner Frau in Georgenswalde verlebte, wo er ein Haus erwarb, das ausgebaut wurde und damit dauerhafte Aufenthalte ermöglichte.
Alles schien bestens. 1931 schuf er zu Ehren von Lovis Corinth den überlebensgroßen Bronzeguss „Genius der Kunst“, der von den Nationalsozialisten schon 1933 aus Königsberg entfernt wurde. Ab 1933 erschienen in der NS-treuen Presse zudem immer wieder Hetzbeiträge über seine Frau als „russische Jüdin“. Dazu gab es weniger Aufträge. Die NS-Zeit gedieh zur Gratwanderung. 1943 verlor das Künstlerpaar die Tochter bei einem Bombenangriff. Anfang 1944 wurde Brachert zur Küstenwehr im Samland einberufen.
Verfolgte des NS-Regimes
Das Ehepaar Brachert überlebte den Krieg und die dramatische Räumung Ostpreußens mit dem Verlust vieler Arbeiten und der Wohnungen in Königsberg sowie Georgenswalde und übersiedelte zurück nach Stuttgart. Für Brachert war das ein Neubeginn. Er arbeitete zunächst als freischaffender Künstler, übernahm als Professor am 15. März 1946 die Leitung der Bildhauerklasse der Stuttgarter Akademie, fungierte bald als deren kommissarischer Leiter und dann ab 1947 als gewählter Rektor. In dieser Position sorgte er neben neuen Bildhauerarbeiten und der Erfüllung seiner Lehrpflichten vor allem auch für den Neuaufbau der Kunsthochschule. Dazu gesellten sich weitere Kunstwerke wie die Büste vom Bundespräsidenten Theodor Heuß, die Verfassungssäule sowie das Hochrelief für das Oberlandesgericht in Stuttgart und die Marmorfigur „Die Trauerende“ für das Mahnmal in Stuttgart-Untertürkheim.
Zweite Erfolgswelle in Stuttgart
Brachert schwamm auf einer zweiten Erfolgswelle, übernahm nach seiner Emeritierung Ehrenämter und wurde 1961 mit dem Bundesverdienstorden ausgezeichnet. Im Alter schuf er als letzte Arbeit noch seine „Erinnerung an Ostpreußen“, die als überlebensgroße Figur inzwischen vor dem Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg beeindruckt. 1970 verlor er seine Frau. Zwei Jahre später folgte Brachert ihr am 2. Juni 1972 in Schlaitdorf, seinem Ruhesitz. 1974 sorgte ein Freundeskreis in Stuttgart für eine Gedächtnisausstellung in Stuttgart. 1990 waren viele Brachert-Arbeiten auf der „Ostdeutschen Kulturwoche“ in Ravensburg zu sehen.
Da war die Erinnerung an den bedeutenden Künstler auch in Ostpreußen wieder erwacht. Die Region Königsberg machte 1993 das Brachert-Haus in Georgenswalde zum Museum und stellte hier zahlreiche Arbeiten des Künstlers aus. Mittendrin die Original-Skulptur der „Wasserträgerin“. Dagegen wurde die lange verschwundene überlebensgroße „Nymphe“ an der Strandpromenade in Rauschen aufgestellt, ein Hingucker bis heute. Pünktlich zum 50. Todestag des Künstlers wurde das Brachert-Museum in Georgenswalde vom Kulturministerium in Königsberg übernommen, saniert und mit neuem Konzept eröffnet.