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Wirtschaftskrieg

„Wir sollten die Dinge klar beim Namen nennen“

Der Ost-West-Konflikt um die Ukraine droht die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen grundsätzlich in Frage zu stellen

Peter Entinger
14.03.2022

Drei Jahre sind es her, da reiste der Alleingesellschafter des Gebäckkonzerns Lambertz, Hermann Bühlbecker, mit einer Wirtschaftsdelegation nach Russland und traf dort auch auf dessen Präsidenten, Wladimir Putin. Er überreichte ihm einen Dresdner Christstollen und verewigte die Szene mit einem Selfie.

Inzwischen, ließ Bühlbecker wissen, sei er enttäuscht und traurig. „Auch ich habe mich, was Putins Motive und Ziele angeht, massiv geirrt“, so der 71-Jährige. Für das Osteuropageschäft der deutschen Wirtschaft sieht er schwarz. „Für uns ist es nicht existenziell. Als Wachstumsmärkte haben sie jedoch eine besondere Bedeutung. Im Westen ist das Wachstum begrenzt, aber in Osteuropa haben unsere Produkte gutes Potenzial“, sagt der Unternehmer. So wie ihm geht es derzeit vielen.

Unter normalen Umständen hätten deutsche Unternehmer in diesen Tagen an einem deutsch-russischen Wirtschaftsdialog teilgenommen. Organisiert wird das jährliche Treffen traditionell vom Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft. Zwar war das Verhältnis zu Russland schon länger gespannt, doch die Tagung hatte – nach Rücksprache mit der Bundesregierung – immer stattgefunden.

Hoffnung auf baldiges Kriegsende

Doch der Krieg sorgt für veränderte Verhältnisse. Nun ist alles anders. „Wir sollten die Dinge klar beim Namen nennen: Es geht aktuell weniger um die Sanktionen und deren Folgen, sondern um die Frage, ob wir mit Russland in Zukunft noch im nennenswerten Umfang wirtschaftliche Beziehungen haben werden oder nicht. Je schneller die russische Regierung diesen Krieg stoppt, desto mehr ist von diesen Beziehungen noch zu retten. Es steht außerhalb jeder Diskussion, dass die deutsche Wirtschaft die verfügten Sanktionen mitträgt“, teilt Ost-Ausschuss-Vorsitzender Oliver Hermes mit.

Die ersten deutschen Unternehmen haben ihre Geschäfte mit Russland bereits ausgesetzt. Der Lkw-Bauer Daimler Truck hat die Produktion und den Verkauf von Lastwagen gestoppt und denkt über einen kompletten Rückzug nach. BMW stoppt die Produktion in und den Export nach Russland, und Siemens hat das Neugeschäft ausgesetzt. Der Automobilhersteller VW scheut sich noch vor diesem Schritt. Er hat in einem Werk in Russland etwa 4000 Beschäftigte. „Wir haben schließlich eine Verantwortung für unsere Mitarbeiter“, teilt VW mit.

Es scheint, als würden viele Manager auf ein rasches Ende der Kampfhandlungen und auf eine Rückkehr an den Verhandlungstisch setzen. „Wohin soll es führen, wenn alle Kontakte abgebrochen und alle Projekte eingefroren werden, wie es manche leichtfertig fordern?“, fragte Rainer Seele, Präsident der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer, in einem Interview mit tagesschau.de. Wirtschaftskontakte sicherten Frieden und Wohlstand. „Auch in den finsteren Zeiten des Kalten Krieges ist die deutsche Wirtschaft stets eine Brücke zur Sowjetunion gewesen“, sagt er.

Warnung vor Eskalationsfolgen

Viele Unternehmen hierzulande haben Standorte und eigenständige Tochterfirmen in Russland, die nun von den europäischen Sanktionen betroffen sein dürften. Das prominenteste Beispiel ist wohl der Handelsriese Metro. Seit der Eskalation des Konflikts fiel der Kurs von dessen Aktie von knapp 10,12 auf 8,30 Euro. Der Großhändler ist seit 21 Jahren in Russland aktiv, hat in dem Land 93 Märkte und 10.000 Mitarbeiter. Von den Sanktionen sei man nicht unmittelbar betroffen, schließlich handele es sich bei den Tochterfirmen um „organisatorisch selbstständige Einheiten“, sagt ein Unternehmenssprecher, fügt aber hinzu: „Wir bewerten die Lage täglich neu.“

Metro fühle sich auch für die mehr als 10.000 Mitarbeiter in Russland verantwortlich. „Diese Menschen haben keine persönliche Verantwortung für die Aggression gegen die Ukraine.“ Die Gehaltskonten seien über international unabhängige Banken abgesichert.

International agierenden Unternehmen wie dem Ölmulti BP mag es leicht von der Hand gehen, die Geschäfte mit Russland auszusetzen. Deutschen Mittelständlern wie Landtechnikhersteller Claas fällt es dagegen schwer. Man verweist auf ungeklärte rechtliche Fragen und hofft auf eine politische Lösung. „Zur weiteren Entwicklung und möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen spekulieren wir nicht, da hier gegenwärtig nur theoretische Überlegungen möglich sind“, so der Firmensprecher Wolfram Eberhardt.


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Kommentare

Wolfgang Linortner am 15.03.22, 00:10 Uhr

Ja, es ist der gewöhnliche Kapitalismus, der den Leuten Brot gibt.

Michael Holz am 14.03.22, 12:23 Uhr

Ja, das ist der gewöhnliche Kapitalismus, der durch seine wirtschaftliche Expansion die einheimischen Produkte schwer beschädigt. Die Russen, wie auch der Rest der Welt, sollten auf ihre eigenen Interessen achten. Was soll MaDonald in Russland?
Es gibt Produkte, welche international gehandelt werden, so wie "Frauen" und Waffen, jedoch ich zweifle daran, ob Mischa erkennen wird, ob tatsächlich Dresdner Christstollen soooo wichtig ist, er hat doch sein gutes Russisches Brot. (;=D))

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