20.04.2024

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Der Wochenrückblick

„Wir“ und Musk

Warum wir jetzt zusammenhalten sollen, und wieso der neue Twitter-Chef so sehr dabei stört

Hans Heckel
12.11.2022

Gemein: Da beschwört die ARD eine ganze Woche lang unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt – und überall im Netz wird gelästert. „Wir gesucht – Was hält uns zusammen?“ lautet die gerade ausklingende Themenwoche der staatlichen Senderkette. Das ist doch ein verdienstvolles Ansinnen, in einer so vielfach gespaltenen Gesellschaft mal nach dem Verbindenden zu forschen!

Woher also das Geläster? Nun, blöderweise feuerten ausgerechnet jetzt einige Mitarbeiter der ARD Kanonen ab, die nicht so ganz passen wollen zu den Parolen von Respekt, Toleranz und Zusammenhalt. Beispiel: Die Übernahme von Twitter durch Elon Musk hat den ARD-Mitarbeiter Nils Dampz derart aus der Fassung gebracht, dass ihm glatt die Hosen runtergerutscht sind und alle Welt sehen konnte, aus welchem Holz der Mann wirklich ist – entblößt vom feinen Tuch der wohlklingenden Phrasen. Für die „Tagesschau“ schrieb Dampz: „Musk hat auch angekündigt, dass Twitter zum ‚Marktplatz der Debatte' werden solle. Aber auf seinem ‚Marktplatz' sollen offenbar auch rassistische oder verschwörerische Ratten aus ihren Löchern kriechen dürfen. Twitter kann nur relevant bleiben, wenn genau diese Ratten – um im Marktplatzbild zu bleiben – in ihre Löcher zurückgeprügelt werden.“

Geschockte Beobachter erinnerte die Wortwahl an den NS-Hetzfilm „Der ewige Jude“, wo Ratten gezeigt werden und jüdische Menschen gemeint sind. Die ARD entschuldigte sich eiligst mit der Begründung, es „war nie das Ziel, jemanden zu entmenschlichen“. Wer Menschen als Ratten bezeichnet, die man in „ihre Löcher zurückprügeln“ solle, verfolgt also „nie das Ziel, jemanden zu entmenschlichen“?

Nein, nein, vielmehr sucht er voller Hingabe nach dem „Wir“, um herauszufinden, „was uns zusammenhält“. Nach dem „Wir“ der ARD suchen wir auch. Dampz hat uns dabei tatsächlich sehr geholfen. Denn der unbedarfte Durchschnittsdeutsche könnte ja auf die Idee kommen, dass damit das ganze Volk wie in „Wir sind das Volk!“ gemeint sei. Weit gefehlt: Es ist die Gemeinschaft, die sich ein Sender vorstellt, in dem 92 Prozent der Volontäre bei einer Umfrage vor zwei Jahren angaben, Grün-Rot-Rot zuzuneigen. Andere Richtungen haben in einem solchen „Wir“ nichts zu suchen. Selbst in einer Demokratie ist man schließlich nicht gezwungen, auch demokratisch zu denken. Und aus dem „Wir“, das uns hier angeboten wird, glitzert tatsächlich typische Despoten-Denke hervor.

Bevor Despoten die Macht erlangen, spalten sie, was das Zeug hält, wofür die deutsche Linke einigende Begriffe wie „Nation“, „Volk“ oder „Gemeinschaft“ gezielt auf die braune Liste gesetzt hat. Sobald sie aber oben angekommen sind, predigen Despoten allenthalben das „Wir“ der Regierungsbegeisterten. Leute, die sich diesem Beifallskollektiv nicht anschließen mögen, sollen wenigstens die Klappe halten und gehorchen. Wer sich aber dem „Wir“ der Begeisterten und Gehorsamen entgegenstellt, dem soll es schlecht ergehen – wie einer geprügelten Ratte.

Mit der Amtsübernahme der Ampel und der Allgegenwart grünlinker Dominanz in den Institutionen von Staat und Gesellschaft glaubt man sich nun endlich an jener alles überragenden Macht angekommen, weshalb es nun eben Zeit ist, das große glückliche „Wir“ zu befehlen.

Aber dann kam dieser Musk dazwischen. Statt allein das linke „Wir“ zu stärken, will er bei dem mächtigen Twitter-Dienst wieder Meinungsvielfalt blühen lassen, was die Rattenjäger als Kampfansage interpretieren, denn genau das wollen sie ja gerade nicht.

Dann auch noch für die Republikaner!

Wie in jeder guten Kampfpropaganda werden auch Siegesmeldungen verbreitet, um die Truppe zu motivieren. Wie schlecht es um die Sache der Propaganda-Trompeten wirklich steht, lässt sich häufig an der Qualität der vermeldeten „Siege“ ablesen. So wird triumphierend berichtet, dass sich viele Prominente wegen Musk von Twitter verabschieden, beispielsweise Gigi Hadid und Amber Heard. Gigi ... wer? Ich muss sagen, dass ich von der schönen Frau noch nie gehört hatte. Tatsächlich handelt sich um ein 27-jähriges Fotomodell. Auf einmal findet sie Twitter ganz schrecklich, schon nach den ersten Tagen unter Musk. Dabei hatte der Tesla-Gründer die Praxis bei dem Dienst bis dahin überhaupt noch nicht geändert, für die Kunden war also alles beim Alten geblieben. Na ja, da benötigte wohl jemand einen Platz in den Schlagzeilen.

Und Amber Heard? Die ist eigentlich nur dafür bekannt, dass sie mit bekannten Leuten bekannt ist – oder war. Mehr nicht. Gerade erst hat sie eine juristische Schlammschlacht mit dem zu Recht berühmten Schauspieler Johnny Depp verloren. Einst war sie auch schon mal mit Musk liiert. Daher mag sie Twitter nun nicht mehr. Handelte es sich bei dieser Sorte „Prominente“ um Deutsche, würden sie uns mit ziemlicher Sicherheit irgendwann aus dem „Dschungelcamp“ zuwinken. Kurz gesagt: Musks Gegnern geht es derzeit ziemlich schlecht, gemessen an der Wucht ihrer „Siegesmeldungen“.

Wie schlecht, zeigt auch die Reaktion des Attackierten. Kurz vor den wichtigen US-Zwischenwahlen am vergangenen Dienstag hat der neue Twitter-Eigentümer offen dafür geworben, die Republikaner zu wählen. Das zeigt: Er weicht nicht nur nicht zurück, er provoziert seine Gegner auch noch lustvoll. Ein großes deutsches Medium nennt ihn voller Groll den „neuen Oligarchen“ und findet die offene Unterstützung eines so mächtigen Mannes für eine Partei einfach skandalös.

Nun, für „eine“ Partei wäre vielleicht etwas ungenau ausgedrückt. Nein, der Skandal liegt vielmehr in der Unterstützung einer Partei, die nicht links ist. Als George Soros, mächtiger Multimilliardär wie Musk, im Mai 2017 satte 764 Millionen US-Dollar an der Börse darauf gewettet hat, dass der Republikaner Donald Trump keine volle Amtszeit als US-Präsident durchhalte, fand das niemand anrüchig. Soros gehört halt zum richtigen „Wir“, Trump und Musk nicht.

Wie sehr Gemeinschaft wärmen kann, bewies auch der „Spiegel“ mit einer bezaubernden, mehrseitigen Geschichte über EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Dort lesen wir: „Sie hat keine Berührungsängste, egal, mit wem sie es zu tun hat, aber sie bewahrt sich immer Distanz. Sie ist selbstbewusst, ohne überheblich zu wirken, wohlerzogen, aber nicht brav. Sie kann austeilen, ohne die Haltung zu verlieren. Und sie vergisst niemals ihr Lächeln.“ Journalistische Distanz zur Macht haben wir uns immer genau so vorgestellt. Der beste Satz findet sich schon in der Ankündigung des Beitrags ganz vorn im Heft: „Als erste Frau an der Spitze der EZB kämpft sie an vorderster Front gegen die Inflation.“ Na? Können Sie noch? Vor Lachen? Lagarde, die im Interesse der verschuldeten Euro-Südstaaten die Inflation erst absichtlich angeheizt hat und sie dann seelenruhig laufen ließ, nun also als Kämpferin gegen den Geldwertverfall „an vorderster Front“. Was ein gepflegtes „Wir“-Gefühl so alles erfinden kann.


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Kommentare

sitra achra am 23.11.22, 11:45 Uhr

@ Chris Benthe
Emendation: Streicher, Julius, nicht Stürmer war der Herausgeber des Hetzblatts, das er 1923 unter dem Namen "Stürmer" gegründet hatte.
Ihre friedlich-schiedliche, quietistische, typisch deutsche Grundhaltung ist bewundernswert, aber den jetzigen Zeitumständen nicht mehr entsprechend. Wir befinden uns im Stadium einer gewaltigen Spaltung der Gesellschaft, die unsere Demokratie und unser Selbstverständnis als Gesellschaft infrage stellt. Dies wird von linker Seite aus als Große Transformation gefeiert. Eigentlich müssten die Warnleuchten die Bürger dieses Landes aufwecken. Es scheint aber, dass sie ängstlich wie das Kaninchen auf die braune Schlange vor ihnen schauen, während die Hydra hinter ihrem Rücken zum Schlag ausholt. Die jahrzehntelange Konditionierung hat ihnen den Selbstbehauptungswillen ausgetrieben, sodass niemand von ihnen bereit ist, diese Demokratie gegen ihre Feinde zu verteidigen.
Der Kampf um die Wahrheit muss fortgeführt werden, damit wir retten können, was noch zu retten ist.

Chris Benthe am 17.11.22, 07:54 Uhr

Niemand ist eine Ratte. Auch mein politischer Gegner nicht. Fällt manchmal schwer, das so durchzuhalten. Aber mit Julius-Stürmer-Rhetorik mache ich mich nicht gemein.
Guter Wochenkommentar, danke.

sitra achra am 13.11.22, 14:52 Uhr

Jeder Missstand hat irgendwann einmal ein Ende, aber was fangen wir dann mit den roten Ratten an? Sollen wir sie alle einlochen?

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