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Wo die „Gruba“ der gute Onkel der Stadt ist

Die alte Grube von Rybnik hat ihren Weg durch den Strukturwandel gefunden

Chris W. Wagner
01.07.2024

Es sei die bestgelungene Umstrukturierung einer Grube zum Kulturobjekt polenweit, heißt es seitens des Vereins Polnischer Stadtplaner. Dieser hatte die historische Hoymgrube [Kopalnia Ignacy] im oberschlesischen Rybnik 2022 mit dem ersten Preis seines Wettbewerbs für die Gestaltung des öffentlichen Raumes gekürt.

„Hoym-Gruba“, „Onkel-Gruba“, so beschreiben die letzten Arbeiter des 2008 stillgelegten Bergwerks ihren einstigen Arbeitsplatz. Seit 88 Jahren trägt die Grube offiziell den Namen Ignacy, doch kaum jemand von den Einheimischen nutzt die polnische Bezeichnung. Nach der Abstimmung in Oberschlesien 1921 annektierte Polen die Stadt Rybnik und einen großen Teil des Kreises. Die Stadt hatte mit über 70 Prozent für Deutschland, die Umgebung mehrheitlich für Polen gestimmt.

Die Hoymgrube bekam 1936 zu Ehren des damaligen polnischen Präsidenten Ignacy Mościcki (1867–1946) den Namen „Ignacy-Grube“, die Kumpel aber blieben dem deutschen Namen treu. „Jeder kannte hier jeden, in der Hoymgrube waren fast ausschließlich Einheimische beschäftigt“, so der emeritierte Elektriker Norbert Bąk. Seine Erinnerungen und die anderer Arbeiter kann man in dem historischen Bauwerk in der ulica Mościckiego in Rybnik-Niewidiadom erfahren.

Dass die Hoymgrube im oberschlesischen Kohlerevier nicht verfiel, ist den ehemaligen Grubenarbeitern und Enthusiasten der Industriearchitektur zu verdanken. Ab 2015 wurden die Grubengebäude sukzessive saniert; als letztes sind 2022 der Schachtkopf und die Maschinenhalle des Schachtes Grundmann (Kościuszko) für Besucher zugänglich gemacht worden.

Die Geschichte des Bergwerks begann 1788, als der preußische König Friedrich Wilhelm II. vom Grafen Anton Wengersky das Städtchen Rybnik mit 24 Dörfern kaufte. Damit gingen auch alle auf diesem Gebiet befindlichen Hüttenwerke in königlichen Besitz über. Zur Verwaltung dieser Betriebe wurde im selben Jahr das „Königliche Hüttenamt in Rybnik“ eingerichtet, das der Schlesischen Kriegs- und Domänenkammer in Breslau unterstellt war. Zu dieser Zeit wurden in Schlesien Versuche unternommen, Koks zur Eisenschmelze in Hochöfen zu verwenden. Aus diesem Grund veranlasste der Direktor des Oberbergamtes in Breslau, Friedrich Wilhelm von Reden (1752-1815), die Kohlesuche auf königliche Kosten. Mit der Suche nach „dem schwarzen Gold“ wurden Bergrat Ernst Reichardt und der

beeidigte Bergmann Salomon Isaac beauftragt.
1788 entdeckten sie Steinkohlenvorkommen in der Umgebung von Czernitz [Czernica], Niewidiadom und Czerwionka. Ein Jahr später folgen Berichte über weitere Funde in Rydultau [Rydułtowy]oder Pschow [Pszów]. Diese Vorkommnisse veranlassten das Königliche Hüttenamt in Rybnik weiterzusuchen. In Birtultau [Biertułtowy] stieß man auf ein mächtiges Flöz, und 1792 wurde dort eine Versuchskohlengrube gegründet, die später „Hoym“ genannt wurde. Benannt wurde sie nach dem preußischen Minister für die Provinz Schlesien, Karl Georg Heinrich von Hoym. 1794 ordnete er eine Inspektion der Anlage an.

Mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie 1856 nahm die Produktion der Hoymgrube von Jahr zu Jahr zu. Dampfmaschinen zur Entwässerung und später zur Förderung kamen zum Einsatz. 1874 wurde der Schacht Grundmann (Kościuszko) und 1899 der Schacht Oppurg (Głowacki) eröffnet. Diese wurden zu Hauptschächten. Der Schacht Grundmann wurde 1995 stillgelegt, 2008 fand die letzte Ausfahrt der Arbeiter über den Schacht Oppurg statt und der Dampf für die Fördermaschinen wurde abgestellt.

Im Schachtkopf Grundmann befindet sich heute eine interaktive Ausstellung zum Zeitalter der Dampfmaschinen. Besucherliebling ist der Wasserturm, von dem aus man bei gutem Wetter die Hohe Tatra und das Riesengebirge sehen kann.

Derzeit lockt die Hoymgrube mit einer Sonderausstellung, die über Frauen in der Industrie erzählt. Auf das Thema kam Kurator Mariusz Gąsior vom Schlesischen Museum zu Kattowitz [Katowice] beim Sortieren von Fotografien aus dem Ersten Weltkrieg. Er habe dabei erstaunlich viele Bilder von Frauen bei Schwerstarbeit entdeckt, sagt er. Sein Augenmerk habe er besonders auf die beiden Weltkriege gerichtet. Die Fotoausstellung wird noch bis zum 30. Dezember in der Galerie der Hoymgrube gezeigt.


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