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Zehn Wissenschaftler beobachten die Flugroute der Tiere – Besucher sind willkommen
Auf der Kurischen Nehrung gibt es viele Sehenswürdigkeiten. Eine der beliebtesten ist die Vogelwarte „Fringilla“. Hier werden Vögel beringt und untersucht. Die Station wurde 1956 auf Initiative von Lew Belopolskij von der Königsberger Staatlichen Universität wiedergegründet. Sie wurde auf der Grundlage der bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Johannes Thienemann gegründeten weltweit ersten Vogelwarte in Rossitten eingerichtet.
Die neue Station wurde nach einem der häufigsten Vögel auf der Kurischen Nehrung benannt, dem Finken, Lateinisch Fringilla. Die Vogelwarte besteht aus einem doppelstöckigen Gebäude in Rossitten [Rybatschij] und einer Feldstation, die sich in Höhe von Kilometer 23 der Nehrung befinden. Die Vogelwarte verfügt über die höchsten Fallen der Welt: riesige Netze mit einer Länge von fast 70 Metern und einer Höhe von 15 Metern. Am Ende der Netze befindet sich eine kleine Voliere, aus der die Ornithologen die Vögel herausholen. Es gibt zwei Fangnetze, eines ist nach Süden und eines nach Norden ausgerichtet.
Die Vogelwarte schließt Ende Oktober für die Wintersaison bis Anfang April. Die Vogelfallen sind für sieben Monate 24 Stunden am Tag im Einsatz. Sie sind in erster Linie für den Fang kleiner Singvögel wie Finken, Zeisigen, Meisen, Staren und Drosseln konzipiert. Aber es gehen auch Habichte, Spechte, Kuckuckvögel und Eulen ins Netz. Die Ornithologen bringen die gefangenen Vögel ins sogenannte Laboratorium, ein Holzhäuschen, das einer Märchenhütte ähnelt. Für jede Vogelart gibt es unterschiedliche Ringe, die aus dünnen Aluminiumstreifen gefertigt sind. Hier werden Daten des Vogels bestimmt und in ein Beobachtungsprotokoll eingetragen. Danach wird der Vogel sofort wieder freigelassen.
Über die Ergebnisse ihrer Beobachtungen während einer Saison berichten die Wissenschaftler – in der Regel sind es zehn – in Fachzeitschriften. Das Beringen der Vögel ist unverzichtbar für das Verständnis ihrer Flugrouten und -zeiten, ihrer Zwischenaufenthalte, der Veränderungen in der Anzahl, der Todesursache und Lebenserwartung von Vögeln. Es ist auch notwendig, um etwas über die Übertragung von Parasiten, Viren und anderen Krankheitserregern durch Vögel zu erfahren.
Andrej Muchin, Direktor der Vogelwarte, erklärt Besuchern der Einrichtung, dass die Ornithologen eng mit ausländischen Kollegen zusammenarbeiten, in erster Linie aus der Bundesrepublik, Polen, Litauen und Skandinavien. Die Beobachtungsdaten würden ständig ausgetauscht, die Wissenschaftler besuchten sich gegenseitig, gemeinsame wissenschaftliche Publikationen seien in Vorbereitung. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Zusammenarbeit sei die Verwendung von GPS-Sendern bei Kuckucken.
Der Satellitensender koste umgerechnet etwa 2500 Euro, der Satellitendienst zusätzlich 2500 Euro pro Jahr. Multipliziere man diese Zahl mit mehreren Dutzend Kuckuckvögeln, deren Bewegung verfolgt werden muss, erhalte man einen stattlichen Betrag. Dank der Zusammenarbeit mit Kollegen aus Dänemark war dies möglich, weil die Dänen die Ausrüstung zur Verfügung stellten. Dank dieser Unterstützung konnten 60 Kuckucke quer von Königsberg bis Kamtschatka verfolgt werden. Es kam heraus, dass jeder Kuckuck zum Überwintern quer durch Asien nach Angola und Namibia fliegt. Mit einer klassischen Beringung wären solche Daten nicht möglich gewesen.
Heute ist die Vogelwarte ein beliebter Ausflugsort für Touristen, der bei allen organisierten Exkursionen auf die Kurische Nehrung auf dem Programm steht. Der älteste Mitarbeiter der Vogelwarte, Leonid Sokolow, Doktor der Biowissenschaften, empfängt die Besucher. Seit 1973 arbeitet er auf der Vogelwarte. Er erzählt spannende Geschichten über die tägliche Arbeit, beantwortet humorvoll die Fragen der Ausflügler und lässt sie beim Beringen der Vögel zusehen. Die Anziehungskraft der Vogelwarte wächst von Jahr zu Jahr. Bis zu 100 Personen besuchen sie pro Tag.