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Wahlkampf

Wohnungskrise wird Topthema

Linkspartei wittert ihre Chance – Auch Konzepte von SPD und Grünen erinnern an Praxis in der DDR

Hermann Müller
02.10.2025

Bei Ost-Berlinern, welche die DDR noch bewusst erlebt haben, dürfte der Begriff „Kommunale Wohnungsverwaltung“, kurz „KWV“, vermutlich überwiegend negative Erinnerungen wecken. Bei Mieten, die vom Staat über Jahrzehnte auf dem Niveau des Jahres 1936 eingefroren worden waren, blieb den „volkseigenen“ Wohnungsverwaltungen vor allem die Aufgabe, Wohnungsmangel und baulichen Verfall zu verwalten. Die von der Politik erzwungenen Minimalmieten ließen kaum Investitionen in Instandhaltung und Neubau zu. Das Resultat war ein flächendeckender Verfall der Bausubstanz. Zum Ende der DDR war etwa jede vierte Wohnung dringend renovierungsbedürftig, schätzungsweise eine Million Wohnungen waren nicht mehr sanierungsfähig.

Die Ruinen, die das Konzept der sozialistischen Wohnungswirtschaft hinterlassen hat, sind inzwischen offenbar weitgehend vergessen. Ebenso die Erkenntnis, dass hohe Marktpreise ein Ausdruck von Knappheit sind. In Berlin präsentieren insbesondere Grüne und Linkspartei stattdessen nun Ideen, die Erinnerungen an das alte SED-Denken wecken können. Gemeinsamer Nenner der vorgelegten Konzepte ist es, Vermieter zum billigeren Vermieten zu zwingen.

Beflügelt vom Wahlerfolg im Februar
Hintergrund der Entwicklung ist der Erfolg der Linkspartei in den Berliner Wahlkreisen bei der Bundestagswahl. Überraschend hatte die Partei im Februar fast 20 Prozent der Zweitstimmen erhalten. Die Linkspartei war damit plötzlich Nummer eins bei den Berliner Wählern. Die anderen Parteien mussten registrieren, dass die Genossen sich im Wahlkampf als Mieterpartei in Szene gesetzt hatten. „Wir haben die Brisanz des Wohnungsmarkts unterschätzt“, so die Einschätzung des neuen SPD-Spitzenkandidaten für die Berlin-Wahl, Steffen Krach.

Ein Jahr vor der Wahl – im September 2026 – haben die Berliner Grünen nun die Grundzüge für ein „Bezahlbare-Mieten-Gesetz“ präsentiert. In Regierungsverantwortung wollen die Grünen Vermieter dazu zwingen, einen bestimmten Anteil ihrer Wohnungen zu günstigeren Preisen anzubieten. Vermieter mit 50 oder mehr Wohnungen sollen etwa dazu verpflichtet werden, zehn Prozent der frei werdenden Wohnungen an Menschen mit einem Wohnberechtigungsschein (WBS) zu vergeben: „Bei über 1000 Wohnungen sollen zudem besondere Bedarfsgruppen berücksichtigt werden“, so die wohnungspolitische Sprecherin der Grünen, Katrin Schmidberger. Gemeint sind damit offenbar Studenten, Azubis und Obdachlose.

Die Grünen fordern zudem, dass Vermieter einen Teil der Miete für laufende Instandhaltung nutzen oder ansparen müssen. Wohnungsunternehmen, die gegen diese Regelungen verstoßen, wollen sie dazu verpflichten, ihre Bestände zu verkaufen. Zur Kontrolle und Durchsetzung der Regelungen schwebt den Grünen ein neues Landesamt mit 50 Mitarbeitern vor. Um den Wohnungsneubau nicht zu behindern, will die Partei ihre Sozialregelungen nur auf bestehende Wohnungen anwenden. Berlins Grüne verstehen ihren Entwurf als „Ergänzung zur Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen ab 3000 Wohnungen“.

Die Berliner Sozialdemokraten haben bereits im Sommer einen Gesetzentwurf präsentiert, der privaten Vermietern bei Neuvermietungen bestimmte Quoten für billigere Mieten vorschreibt. Anders als die Grünen wollen sie auch bei Neubauwohnungen die Vermieter zwingen, eine bestimmte Anzahl an Haushalten mit niedrigem Einkommen zu vergeben. Damit in zehn Jahren Wohnen „keine Lebenssorge mehr darstellt“, sieht der SPD-Plan immerhin den Bau von 200.000 neuen Wohnungen in Berlin vor.

Klassenkampfjargon der Genossen
Die Linkspartei in der Hauptstadt versucht wiederum, mit einem „Sofortprogramm“ an ihren Erfolg bei der Bundestagswahl anzuknüpfen. Im Programm fordert die Partei je nach Größe des privaten Wohnungsbestandes sogar eine WBS-Quote von bis zu 50 Prozent. Gegen „Mietkriminalität“ will Co-Landeschefin Kerstin Wolter eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft einrichten: „Für uns ist Schluss mit lustig, Law and Order muss endlich mal die Richtigen treffen“, erklärt Maximilian Schirmer, Co-Vorsitzender der Linkspartei.

Angekündigt haben die Genossen eine bundesweite Mietenkampagne, die diesen Monat starten soll. Den Schwerpunkt werde die Forderung nach einem Mietendeckel bilden. Im Klassenkampfjargon erklären die Genossen: „Um den Mietendeckel durchzusetzen, müssen wir den Druck auf die Immobilienkonzerne und die Regierung erhöhen und uns gemeinsam gegen hohe Mieten und Vermieterabzocke wehren.“

Für die Partei scheint es sich politisch auszuzahlen, dass sie so stark auf die Themen Wohnen und Mieten setzt. Im Jahr 2024 noch auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit, kommt die Linke heute auch bundesweit auf immer bessere Zustimmungswerte und konnte unlängst sogar einen neuen Rekord bei der Mitgliederzahl vermelden.


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