02.10.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Dürfte an einer Koalition schwer zu schlucken haben: Dietmar Woidke (l.) mit Robert Crumbach
Foto: picture alliance/dpaDürfte an einer Koalition schwer zu schlucken haben: Dietmar Woidke (l.) mit Robert Crumbach

Nach der Wahl

Woidke vor schwierigen Verhandlungen

Koalitionsgespräche in Potsdam: Lässt das BSW Rot-Schwarz auflaufen?

Hermann Müller
02.10.2024

Mit seinem „Ich oder die AfD“ hat der SPD-Spitzenkandidat Dietmar Woidke bei der Brandenburg-Wahl einen knappen Sieg errungen. Allerdings trägt diese Strategie einen Anteil daran, dass dem alten und wohl auch neuen Ministerpräsidenten gleich drei potentielle Koalitionspartner abhanden gekommen sind. Grüne, Freie Wähler und Linkspartei sind nicht mehr im Landtag vertreten.

Das Scheitern an der Fünfprozenthürde wurde von den Betroffenen sehr unterschiedlich kommentiert. So hat die Co-Bundeschefin der Grünen Ricarda Lang kritisiert, dass ein Verhalten wie das von Woidke auf Dauer zu einem „taktischen Problem für die demokratischen Parteien“ werden könne. Ihre Partei sei bei der Wahl „unter die Räder gekommen“, so Lang. Andere Spitzenpolitiker der Grünen führten ihre Niederlagen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg dagegen sogar auf eine „russische Einflussnahme“ zurück.

Selbstkritisch gab sich dagegen der Spitzenkandidat von Brandenburgs Linkspartei, Sebastian Walther. Er hatte schon vor der Wahlniederlage eingeräumt, dass die Linke zu spät verstanden habe, auf welche Themen es ankomme. „Wir haben zu lange versucht, das Thema Frieden zu umschiffen, ohne dabei klar sein zu können. Jetzt stellen wir fest, dass Frieden im Osten Deutschlands das wahlentscheidende Thema ist.“ Der Linke-Landeschef erklärte auch, er habe sich auf unnötige Kulturkämpfe und Diskussionen, etwa mit der AfD übers Gendern, eingelassen.

Der Streit fängt schon an
Als Resultat ist die Linkspartei erstmals in den östlichen Bundesländern aus einem Landtag geflogen. Damit steht die Linke auch für Woidke nicht mehr als Mehrheitsbeschaffer zur Verfügung. Brandenburgs CDU hat nach einem Sondierungsgespräch mit der SPD bereits erklärt, kein Interesse an einer Dreier-Koalition mit SPD und BSW zu hegen.

Eine rechnerische Mehrheit ergibt sich für die SPD einzig bei einer Zusammenarbeit mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht. Der BSW-Landesverband Brandenburg war erst im Mai gegründet worden und ist auf Anhieb drittstärkste Partei in der Mark geworden. Gefasst machen müssen sich die Sozialdemokraten indes auf besonders schwierige Verhandlungen mit dem BSW.

Robert Crumbach, Landeschef des Wagenknecht-Bündnisses, war zwar selbst lange SPD-Mitglied. Auch andere Mitglieder von BSW und SPD kennen sich seit Jahren persönlich. Einstellen muss sich Woidke allerdings darauf, dass sich mit Sahra Wagenknecht die Parteigründerin des BSW direkt in die Koalitionsverhandlungen einmischen wird.

Auch weiter südlich stellt sich die Lage kompliziert dar. Der Auftakt der Verhandlungen in Dresden lässt sogar daran zweifeln, ob das BSW derzeit überhaupt mitregieren will. In Sachsen war das erste Kennenlerngespräch für eine sogenannte Brombeer-Koalition nämlich bereits von Streit überschattet. Noch vor dem ersten Treffen von CDU, SPD und BSW sickerte über einen Pressebericht durch, das BSW werde im sächsischen Landtag einen Antrag zur Einsetzung eines Corona-Untersuchungsausschusses einbringen. Die bisherigen Regierungsparteien CDU und SPD empfinden dies als nicht verhandelbare Forderung.

Parteichefin Wagenknecht bestand in einem Interview wiederum auf Einsetzung eines solchen Ausschusses. Zuvor hatte sie als Bedingung für Koalitionen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen bereits gefordert, die Landesregierungen müssten sich im Koalitionsvertrag klar gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland positionieren. Zudem machte Wagenknecht die Ansage: „Wenn die anderen sich nicht wirklich bewegen wollen, dann ist unser Wählerauftrag die Opposition.“

Wagenknecht im Wahlkampfmodus
Wagenknechts Vorgehen ergibt parteitaktisch gesehen durchaus Sinn: Geht das BSW bei Koalitionsverhandlungen in Dresden, Erfurt und Potsdam zu viele Kompromisse ein, kann dies die Chancen für die Parteigründerin bei den kommenden Bundestagswahlen schmälern. Beim Bestehen auf Maximalforderungen kann sie dies ihren Anhängern dagegen als Zeichen für besondere Standfestigkeit präsentieren. Werden die Maximalforderungen von den Verhandlungspartnern sogar akzeptiert, liefert dies den Wagenknecht-Wählern den Beweis, dass das BSW wirkt.

Aus Sicht der redegewandten, langjährigen Kommunistin stellen die kommenden Verhandlungen damit eine Situation dar, in der sie in jedem Fall gewinnen kann. Brandenburgs SPD muss sich also darauf einstellen, dass das BSW die bevorstehenden Gespräche bereits als erste Phase des Bundestagswahlkampfs begreift. Scheitern die Gespräche in Potsdam, hat die SPD nur noch eine Option, um Neuwahlen zu verhindern: die Aufstellung einer Minderheitsregierung mit dem bisherigen Juniorpartner CDU, die sich im Parlament beim BSW von Fall zu Fall um eine Mehrheit bemüht. Dabei ginge es jeweils um eine einzige Stimme, denn mit 44 von 88 Landtagsmandaten fehlt Rot-Schwarz in Brandenburg nur ein Mandat zur Mehrheit.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS