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Würde für die Verstorbenen

Die Wiederherstellung des historischen Friedhofs von Schreiberhau ist ein Projekt deutsch-polnischer Zusammenarbeit

Chris W. Wagner
19.11.2021

Heuer jährt sich zum 100. Mal der Todestag des schlesischen Dramatikers und Schriftstellers Carl Hauptmann. Seine letzte Ruhestätte fand der ältere Bruder des Nobelpreisträgers Gerhart Hauptmann auf dem evangelischen Friedhof in Nieder-Schreiberhau [Szklarska Poręba Dolna] im Riesengebirge. Es sei ein besonderer Ort, ein Pantheon der Sudeten, so Robert Wollny von der Landsmannschaft Schlesien, Landesverband Sachsen/Schlesische Lausitz. „Schreiberhau ist als flächenmäßig größtes Dorf Preußens einer der bekanntesten Urlaubsorte, bekannt auch durch die Glasmacherindustrie, um nur die Josephienhütte und die Familie Preussler zu nennen. Die Einmaligkeit dieses Ortes zog um die Jahrhundertwende viele bekannte Künstler an, die in Schreiberhau 1922 eine berühmte Künstlerkolonie gründeten“, sagt Wollny und weist darauf hin, dass Wilhelm Bölsche, Hans Fechner, Hermann Stehr und eben auch Carl Hauptmann zusammen mit bedeutenden Glaskünstlern auf dem evangelischen Friedhof beigesetzt wurden. Dass dieser Gottesacker so jämmerlich verwahrloste, empfand Wollny als unerträglich.

2017 wurden dort zwar kleinere Aufräumaktionen durchgeführt, aber es war nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, wie der Schreiberhauer Bürgermeister Mirosław Graf feststellen musste: „Es war schwer in dem Bewusstsein zu leben, dass wir hier einen Friedhof haben, der so wichtig für die Geschichte der Stadt ist, der sich aber in einem dermaßen desolaten Zustand befindet. Das musste sich ändern.“

Zu oft hat man es schon erlebt, dass solche Aktion zerredet werden und am Ende doch nichts passiert. Dafür, dass es in diesem Fall anders läuft, sorgte eine Gruppe deutscher Freiwilliger, die sich um Wollny scharrt. Diese Kinder und Enkel vertriebener Schlesier sowie Geschichtsinteressierte haben sich zur „Initiative zum Erhalt schlesischer Kulturgüter“ zusammengeschlossen. „Unser Ziel ist die Bewahrung des Erbes unserer Eltern vor dem Vergessen und dem Verfall. Wir möchten das Schlesien unserer Vorfahren mit anderen teilen. Wir wollen mit den heutigen Bewohnern der Region zusammenarbeiten und Freundschaften schließen“, so Wollny. „Mit jedem wiederaufgestellten und gesäuberten Grabstein bekommt der Tote seine Würde zurück“, sagte er. Ihm ist es gelungen,sowohl zum Bürgermeister Graf, als auch zu einer ganzen Reihe heutiger Schreiberhauer freundschaftliche Kontakte zu pflegen. Und das nicht nur wegen seiner offenen und überzeugenden Wesensart, sondern auch, weil er hervorragend Polnisch spricht.

Bereits beim zweiten der drei mehrtägigen Arbeitseinsätze in Schreiberhau halfen Polen mit. Neben den heutigen Bewohnern haben auch Vertreter der Stadt, des Hirschberger Kulturzentrums und der Freiwilligen Feuerwehr die Ärmel hochgekrempelt. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen, denn wie Bürgermeister Graf feststellte, sah der Friedhof endlich nach einem würdigen Ort für die letzte Ruhe aus.

Noch einen weiteren Erfolg konnte die deutsch-polnische Initiative verbuchen: die feierliche Einweihung des restaurierten Grabmals von Carl Hauptmann. Mit von der Partie waren Sachsens Beauftragter für Vertriebene und Spätaussiedler Jens Baumann, der Vorsitzende des Vereins zu Pflege Schlesischer Kunst und Kultur (VSK) Christopher Schmidt-Münzberg und Julita Izabela Zaprucka, Leiterin des Riesengebirgsmuseums in Hirschberg [Jelenia Góra].

Für sie war Hauptmann derjenige, dem man die Berühmtheit Schreiberhaus unter Künstlern zu verdanken hat. „Deshalb ist es ein netter und guter Akzent mit der Restaurierung seines Grabsteines anzufangen“, sagte die Trägerin des Kulturpreises Schlesien des Landes Niedersachsen. Sie ist Kennerin der Literatur der Gebrüder Hauptmann und schüttelt Hauptmann-Verse in der schlesischen Mundart nur so aus dem Ärmel. Die Museumsdirektoren hat mit Unterstützung des VSK eine Spendenaktion für die Restaurierung des Carl-Hauptmann-Grabsteines durchgeführt.

Für die Schreiberhauerin Sylwia Cybulska ist es wichtig, dass der historische Friedhof für nächste Generationen erhalten bleibt. Sie ist stolz darauf, dabei mitzuwirken. Sie habe während der Aufräumarbeiten viel über die Geschichte der Stadt gelernt, denn die umgefallenen Grabsteine geben Auskunft über die Berufe und den gesellschaftlichen Status der Verstorbenen. Ihr neuerworbenes Wissen gibt die Stadträtin auf ihrer Facebookseite an die Schreiberhauer weiter.

Und Wollny verspricht: „Zum Jahrestag unseres ersten Einsatzes wird jährlich ein Freundschaftstreffen in Schreiberhau stattfinden. Das erste Treffen ist für den 24. und 25. September im nächsten Jahr geplant“.


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Kommentare

sitra achra am 24.11.21, 14:51 Uhr

Die deutsch-polnische Zusammenarbeit bewahrt die Erinnerung an einen Teil der europäischen Kulturgeschichte. Sie kommt allen Europäern gleichermaßen zugute und reicht weit über die Gegenwart hinaus. Ein Beispiel gelebter europäischer Identität deutschen Ursprungs.

Waffenstudent Franz am 21.11.21, 10:50 Uhr

Im Nibelungenlied wird Wahrheit kund: "Treten die Mörder an die Leiche, beginnt diese erneut zu bluten!"

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