Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Swinemünde, Stettin und Danzig-Neufahrwasser verfügten damals an der Ostsee über diese Technik – einzig Danzig blieb
Im Laufe der Zeit gab es immer wieder technische Errungenschaften, die sich dann überlebten, weil sie durch eine weiterführende Technik ersetzt wurden. Dazu zählt auch der Zeitball, das war seinerzeit eine Signaleinrichtung zum Abgleich der Schiffsuhren.
Der erste in Cuxhaven
Ein Zeitball ist ein weithin sichtbarer Signalball, der es den Seeleuten erlaubte, ihre Schiffschronometer zu synchronisieren. Die genaue Kenntnis der Uhrzeit war notwendig, um die exakte Position eines Schiffes, genauer gesagt den Längengrad, auf See zu bestimmen. Auf Vorschlag des britischen Kapitäns Robert Wauchope hatte man 1829 in Portsmouth den ersten Zeitball getestet. Der bekannteste und heute noch existierende Zeitball in Greenwich (Observatorium) folgte dann im Jahre 1833. Der erste deutsche Zeitball wurde 1875 in Cuxhaven von Hugo Lentz errichtet, nachdem 1853 beschlossen wurde, in allen wichtigen Handelshäfen im Deutschen Reich solche Anlagen einzurichten.
Der Wasserbauinspektor Bernhard Hugo Lentz, * 29. November 1828 in Hamburg; † 4. November 1903 in Ritzebüttel, damals Leiter der Hafenbauverwaltung im Amt Ritzebüttel/Cuxhaven, konstruierte einen auf einer 16 m hohen Zeitballsäule befindlichen 8 m hohen Zeitballapparat. Es war ein von einer Stange geführter Ball, bestehend aus über ein Eisengerippe gespanntes geöltes Segeltuch, von 1,5 m Durchmesser, der wurde täglich um 12 h MEZ., bzw. 1 h nach Greenwich-Zeit 3 m tief fallen gelassen. Die elektrische Auslösung wurde im Telegraphenamt, dem sogenannten Efeuhaus in der heutigen Poststraße, ab 1879 bei der Alten Liebe, durch eine Pendel-Normaluhr betätigt, die über eine eigene Posttelegrafenleitung mit der Uhr der Sternwarte in Hamburg-Bergedorf im 2-3-Tage-Rhytmus verglichen und mittels elektrischer Signale justiert wurde. Zehn Minuten vor jedem Signal zog man den Ball auf halbe, 3 Minuten vor der Zeit auf ganze Höhe. Bei Störungen wurde ein kleiner roter Ball zur halben Höhe des Gerüstes gezogen.
Weitere Zeitbälle standen in den Häfen von Wilhelmshaven, Bremerhaven, Bremen, Hamburg, Kiel, Swinemünde und Danzig-Neufahrwasser.
Den Zeitball von Swinemünde kann man noch auf alten Postkarten finden. Auch befand sich einer auf dem Nordturm des Regierungsgebäudes in Stettin.
Der Zeitball auf dem Leuchtturm im Hafen von Danzig-Neufahrwasser [Nowy Port], der im übrigen immer noch als einer der schönsten an der Ostseeküste gilt, wurde 1876 erstmalig im Bereich der Ostsee auf einem Holzturm installiert, dann 1894 auf der Spitze des neu erbauten Leuchtturms. Der Turm leistete bis 1984 seinen Dienst und ging dann in Privatbesitz über. Seit 2004 wurde der Leuchtturm wieder für die Öffentlichkeit freigegeben. In seinem Inneren kann man gut erhaltene historische Apparaturen sowie eine faszinierende Ausstellung über Leuchttürme anschauen. Seit 2008 ist hier wieder die alte Zeitball-Technik zu bewundern. Man erfährt auch die interessante deutsch-polnische Geschichte des Besitzers, der den Leuchtturm nebst Zeitball zu neuem Leben erweckt hat. Der alte Leuchtturm von Danzig-Neufahrwasser wurde leider 2012 abgerissen. Er wurde 1842/1843 am Ende der Hafenmole an der Hafeneinfahrt erbaut.
Zeitbälle gab es aber nicht nur in den Häfen, sie wurden auch errichtet um den Bürgern die exakte Zeit anzuzeigen oder einfach nur als Attraktion. Uhrmacher hatten z.B. Zeitbälle auf ihren Häusern oder auch im Schaufenster ihres Ladens. Daher gab es sie auch in Berlin, Dessau, Jena und Nürnberg.
Es gab ungefähr 360 Zeitballstationen in ca. 260 Orten weltweit, aber nicht zeitgleich, 1908 waren es z.B. 254. Mit der Erfindung des Funkverkehrs wurden sie überflüssig. Heute existieren noch etwa 40 Zeitballstationen, aber keine in Deutschland.
In den 1920er Jahren wurden die meisten Zeitbälle rückgebaut, nachdem ab 1907 Zeitzeichensender eingesetzt wurden. Interessant: In New York wurde zu Silvester 1907 am Wolkenkratzer One Times Square, der Times Square Ball installiert, der seitdem alljährlich eine Minute vor dem Jahreswechsel mit einem Countdown an einem Fahnenmast herabgelassen wird. Diese traditionelle Ball Drop genannte Zeremonie zählt zu den Höhepunkten der US-amerikanischen Silvesterfeierlichkeiten und wird mittlerweile weltweit übertragen. Sie basiert auf der Idee des Zeitballs.
• Info Der Sammler Klaus Hülse betreibt seit 20 Jahren eine überaus interessante WEB-Seite mit Abbildungen und Angaben von Leuchttürmen, Zeitbällen, Zeitkanonen usw., weltweit. Das Anschauen lohnt. www.leuchtturm-welt.net