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Zeitenwende in der Kunst

Um das Jahr 1500 herum kam die Renaissance nach Deutschland – Das Frankfurter Städel stellt die Pioniere um Hans Holbein vor

Claus-M. Wolfschlag
02.02.2024

Nachdem die Wiederentdeckung antiker Proportionen und Motive in Italien bereits einige Jahrzehnte gewirkt hatte, schwappte die damals neue Kunstströmung der Renaissance um das Jahr 1500 über den Alpenrand. Diese Entwicklung ist eng verbunden mit den Malern Hans Holbein der Ältere (um 1465–1524) und Hans Burgkmair (1473–1531).

Eine große Schau im Frankfurter Städel-Museum kreist um das Werk der beiden Maler, ergänzt durch das Schaffen des Holbein-Sohns Hans Holbein der Jüngere (1497–1543), und setzt es in Verbindung zur Kunstszene jener Jahre. Anhand von 180 bedeutenden Kunstwerken werden anschaulich die Anfänge der schrittweisen Etablierung einer nordischen Renaissance in Deutschland präsentiert. Zu Recht ist dabei von einer „Zeitenwende“ die Rede, als deren deutsches Zentrum die von der Handelsfamilie Fugger geprägte freie Reichsstadt Augsburg fungierte.

Augsburg wurde Anfang des 16. Jahrhunderts von der Reformation ergriffen, was zur dortigen Förderung der von der Antike inspirierten Renaissance-Kunst beitrug. Symbolisch zeigte sich das in der Ersetzung der zentralen Brunnenfigur des Stadtpatrons St. Ulrich durch den antiken Meeresgott Neptun. Das Studium antiker Bodenfunde inspirierte somit auch die Augsburger Künstler. Der Bronze-Neptun steht nun prominent am Ausstellungseingang und führt die geistige Verschiebung jener Jahre deutlich vor Augen.

Kaiser Maximilian I. gehörte zu den Förderern der Entwicklung, erteilte er doch Burgkmair zahlreiche lukrative Aufträge zur Darstellung des habsburgischen Machtanspruchs. Da sich Maximilian gerne und häufig in der prosperierenden Fuggerstadt aufhielt, bekam er vom französischen König den Spitznamen „Bürgermeister von Augsburg“ verliehen. Typisch für die Zeit war aber auch, dass das anatomisch genau wiedergegebene menschliche Individuum gerade jenseits der Herrscherfunktion in das Zentrum der Kunst gestellt wurde. Exemplarisch wird das in der Schau durch von Hans Holbein d. Ä. gemalte Porträts von Angehörigen der Familie Weiß oder einem Doppelbildnis Burgkmairs von Jakob Fugger und dessen Braut Sybilla Artzt in prächtiger Gewandung gezeigt. Kleidungsdetails, etwa Ziegenlederhandschuhe oder kostbare Siegelringe, symbolisierten den Wohlstand der porträtierten Personen.

Die Fugger als Förderer
Jakob Fugger als Spross der mächtigen Kaufmannsfamilie sorgte wiederum für die deutsche Entdeckung der Renaissance-Architektur. Zwischen 1509 und 1512 ließ er mit seinen Brüdern in Augsburg eine monumentale, venezianisch inspirierte Grabkapelle errichten, die als frühestes erhaltenes Beispiel dieser Baukunst in Deutschland gilt.

Die deutsche Renaissance war allerdings nicht nur in der Architektur, sondern auch in der Malerei eine eigenständige Adaption der romanischen Einflüsse. Deutlich zeigt dies die Frankfurter Schau an dem Kupferstich „Kampf nackter Männer“ von Antonio Pollaiuolo. Der Italiener schuf um 1470 eine Szenerie mit Beilen, Säbeln und Bögen kämpfender Männer im antiken Stil. Jörg Breu der Ältere übernahm das Motiv in einer um 1516 geschaffenen Federzeichnung, ersetzte die Säbel aber durch Keulen, verdeckte die Scham durch Blattwerk und näherte die Figuren damit dem in der nordischen Bildkultur bereits bekannten Motiv des „Wilden Mannes“ an. In „Der Tod überfällt ein Liebespaar“ verbindet Burgkmair venezianische Arkadenbögen und Ornamentik mit dem aus der nordalpinen Tradition stammenden Motiv des Knochenmanns.

Kunst im „postkolonialen“ Kontext
Holbein d. Ä. bereitete seine Gemälde durch eine Fülle von Silberstift-Skizzen vor. Diese in der Ausstellung gezeigten Detailarbeiten zu späteren Kompositionen wirken in ihrer reduzierten Motivwahl bisweilen moderner als die End­ergebnisse.

Während Holbein nach der Lehre noch in die Niederlande zum Studium der dort geschaffenen Werke zog, begab sich Burgkmair nach dortigen Aufenthalten bereits, ähnlich wie Albrecht Dürer, nach Italien, um die Renaissance-Kunst vor Ort zu besichtigen. Bei Burgkmair mündete offenbar ein Besuch in der Handelsmetropole Venedig 1528 in dem großartigen Historienbild „Geschichte der Esther“, das als Vorläufer mancher Orientalismus-Werke des 19. Jahrhunderts gelten könnte. Durch die Übernahme niederländischer und italienischer Elemente bedienten beide Künstler folglich unterschiedliche Vorlieben ihrer Zeit. Die Verschmelzung beider Strömungen fand sich letztlich im Werk Holbeins des Jüngeren.

Burgkmair war ausgesprochen experimentierfreudig und suchte ständig nach neuen Motiven. Kokospalmen tauchten in seinen Bildern auf, ebenso fremde Völker, über deren Aussehen er sich von dem Handelsreisenden Balthasar Springer berichten ließ, der an einer portugiesischen Entdeckungsfahrt nach Afrika und Indien teilgenommen hatte. Burgkmair bemühte sich, die Schilderungen als einer der ersten deutschen Künstler möglichst authentisch in Bilder zu fassen.

Leider wird diese Leistung vom Museum nur dazu genutzt, sie in einer Bildbeschreibung in einen modischen „postkolonialen“ Kontext zu pressen. So konnte es der Kurator nicht unterlassen, dem vor rund 500 Jahren verstorbenen Burgkmair vorzuwerfen, „Stereotypen“ bemüht und sich durch Verwendung des antiken Kontrapost an „europäische Sehgewohnheiten“ angepasst zu haben. Durch die angebliche Darstellung von „unzivilisierten Wilden“ stünde Burgkmair „am Anfang einer absichtlich abwertenden Darstellungsweise von Menschen aus jenen Gebieten Afrikas, die die bevorzugte Herkunftsregion des Handels mit versklavten Menschen“ gewesen sei.

Holbein und die Renaissance im Norden“, bis 18. Februar im Städel-Museum, Schaumainkai 63, Frankfurt am Main, geöffnet täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr. Eintritt: 18 Euro. www.staedelmuseum.de


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