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Vor 125 Jahren wurde Erich Kästner geboren – Seine Geburtsstadt Dresden ehrt den Schriftsteller mit einem Festivalprogramm
Am Albertplatz in Dresden-Neustadt steht ein einbeiniger Tisch, auf dem Gegenstände abgestellt sind. Alles ist aus Bronze. In einem Bilderrahmen entdeckt man die Fotografie eines kleinen Jungen aus Kaisers Zeiten. Wer soll das sein? In dem gegen einen Stapel Bücher gelehnten Notizbuch steht: „Erich Kästner, geb. am 23.2.1899 in Dresden, gest. am 29.7.1974 in München.“
Die Kaffeetasse und das Whiskyglas weisen darauf hin, dass der Schriftsteller seine Texte gern in Cafés und Bars verfasste. Er veröffentlichte 39 Bände. Deren Titel sind auf die Rücken des Bücherstapels graviert. Obenauf sitzt ein Hut. Mit dem ist das von Wolf-Eike Kuntschke 1987 geschaffene Werk 1,66 Meter hoch – und damit annähernd so groß wie Erich Kästner gewesen ist.
In seinem 1957 veröffentlichen autobiographischen Roman „Als ich ein kleiner Junge war“ beklagt Kästner, dass seine schöne Heimatstadt Dresden kurz vor Kriegsende im Bombenhagel unwiederbringlich untergegangen sei. Da hat er sich allerdings geirrt. Seit seinem Roman schritt der Wiederaufbau mächtig voran. Und sowieso war Kästners Kiez, die Äußere Neustadt, mit ihren hauptsächlich in der Gründerzeit errichteten Bauten von Bombentreffern weitgehend verschont geblieben. Seinen letzten Besuch stattete Kästner Dresden 1967 ab. Er las im Zwinger aus „Als ich ein kleiner Junge war“. In dem schrieb er: „Und ich selber bin, was ich auch sonst wurde, immer eins geblieben: ein Kind der Königsbrücker Straße.“
Kästner wurde in der Mansardenwohnung der Mietskaserne Königsbrücker Straße 66 geboren. Seine Eltern, die Friseuse Ida und der in einer Kofferfabrik arbeitende Sattlermeister Emil Kästner, zogen mit Erich später in die Nummer 48, schließlich in Nummer 38 um. Treuer Begleiter war ihr Untermieter: der Lehrer Schurig. Er empfahl dem kleinen Erich die „richtigen“ Bücher und gab auch sonst wertvolle Anregungen. Weit mehr noch prägte ihn die Mutter. Sie besuchte mit ihm Museum, Oper und Theater. Nach Kästners Einschätzung hatte die Mutter „ihr eigenes Leben zugunsten ihres Sohns darangegeben, deshalb durfte ich sie nicht enttäuschen, deshalb wurde ich der beste Schüler und der bravste Sohn“. Auch die Kaserne, vor der er 1917 Wache stand, befand sich in der Königsbrücker Straße. Der Fronteinsatz blieb dem Pazifisten jedoch erspart.
Am Albertplatz steht eine Villa mit Garten, auf dessen Mauer seit 1999 die von Mátyás Varga geschaffene Bronzefigur eines Jungen sitzt. Sie stellt Kästner dar, der gemäß seiner Schilderung in „Als ich ein kleiner Junge war“ gern auf der Mauer saß, um das rege Treiben auf dem Albertplatz zu beobachten. Die Villa gehörte seinem millionenschweren Onkel Franz Augustin, dem Pferdehändler.
In bunte Schubladen gesteckt
Heute residiert in der Villa das Erich-Kästner-Haus für Literatur. Die Dauerausstellung umfasst 700 Exponate, von denen man zunächst fast nichts sieht. In einer Vitrine sind Hut, Jacke und Reiseschreibmaschine aus Kästners Nachlass zu sehen. Gegen den Gedichtband „Lärm im Spiegel“ (1929) lehnt eine Widmung des Autors vom November 1933: „... es ist bezeichnend für Ihren guten Geschmack, daß Sie diesen Band sehr mögen ... Ihr fast völlig verbrannter EK.“ Damit spielt er darauf an, dass seine Bücher mit Ausnahme von „Emil und die Detektive“ der von den Nationalsozialisten veranstalteten Bücherverbrennung zum Opfer fielen.
Der damals in Berlin lebende Kästner bekam in Deutschland zunächst Publikationsverbot, schrieb aber unter Pseudonym weiter. Das Drehbuch für den Spielfilm „Münchhausen“ verfasste er unter dem Pseudonym „Berthold Bürger“. Als Hitler davon Wind bekam, ließ er Kästner 1943 absolutes Schreibverbot erteilen.
Möbel mit Schubfächern enthalten laminierte Kopien von Fotografien, Dokumenten und Zeitungsausschnitten. Die grün lackierten Schubladen handeln von seinem Leben als „Deutscher aus Sachsen“ und seinen Anfängen als Journalist und Dichter in Leipzig. In den roten Schubladen geht es um den Gesellschaftskritiker und den Moralisten mit den zahlreichen Frauengeschichten. Seine erste große Liebe war die Chemiestudentin Ilse Julius. Nach der Trennung behauptete er, aufgrund dieser Liebesenttäuschung bindungsunfähig geworden zu sein.
Luiselotte Enderle, mit der er ab 1944 liiert war, wurde er trotzdem bis zum Lebensende nicht mehr los. Dabei hätte er doch gern mit seiner zweiten großen Liebe – Friedel Siebert – zusammengelebt. Ihr gemeinsamer Sohn Thomas wurde 1957 geboren. Die gelben Schubladen enthalten Material zu Kästners Werken für Kinder. Die blauen Schubladen handeln von Kästners vielfältiger Medienarbeit. Er schuf Gedichte und verfasste Romane für Kinder und Erwachsene, schrieb Theaterstücke, Hörspiele und Drehbücher, arbeitete für Zeitungen und Magazine.
Für das Magazin „UHU“ schrieb Kästner von 1929 bis 1933 mit Fotos oder Zeichnungen bebilderte Gedichte. Eine Auswahl stellt die Zentralbibliothek unter dem Titel „Lieschen Müller will Karriere machen“ aus. Ebenfalls bis zum 23. März läuft dort eine Sonderausstellung mit Illustrationen, die Ulrike Möltgen und Isabel Kreitz in den letzten Jahren zu Werken Kästners schufen. Das „theater junge generation“ im Kraftwerk Mitte beteiligt sich am Kästner-Jahr mit dem Stück „Fabian oder der Gang vor die Hunde“, einer Bearbeitung von Kästners Anfang der 1930er Jahre in Berlin spielendem Roman „Fabian“ (1931), dessen Verbrennung er 1933 in der Reichshauptstadt beiwohnte.
Dresdens Festjahresprogramm „Alles Kästner“: www.dresden-kulturstadt.de