Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Die Erntefeste waren stets etwas Besonderes im Lauf des Jahres, nach getaner Arbeit wurde gefeiert
Natürlich! Die „Kornkammer“ Deutschlands war früher Ostpreußen. Aber auch Pommern hatte seine landwirtschaftliche Gewichtung. Erinnert sei nur an die Bedeutung der Kartoffel oder Saatzucht. Auch das Getreide hat bei uns noch eine große Bedeutung, ebenso das damit verbundene Brauchtum – obgleich es im Laufe der Zeit Veränderungen unterworfen war.
Höhepunkt der Mahd war früher der letzte Erntetag, an dem aus den letzten Garben eine Strohpuppe – der oder die „Alte“ (platt: „de Olle“) genannt – gebunden wurde. Um diese wurde nicht nur ausgelassen getanzt, sie wurde auch singend durch das heimatliche Dorf getragen und dem Bauern oder Gutsherren von einem jungen Mädchen übergeben.
Natürlich wurde der „Alte“ nicht abgewiesen. Ganz im Gegenteil! Er wurde gegen Musik, Essen und Trinken eingelöst und zog in das jeweilige Bauern- oder Gutshaus ein. Zudem lud „Altenbier“ oder „Bunt Water“ – eine große Wanne im Hof, die mit Obst und einer Flasche Klaren gefüllt war – die Schnitter und Landarbeiter zu einer Auszeit ein. So fanden Ernte, Erntefest, Festessen und Tanzvergnügen entsprechend ihre Abrundung.
Höhepunkt im Jahreslauf
Bereits vor etwa 100 Jahren wurde das Erntefest – in Pommern am letzten Sonntag im September – zunehmend von den jeweiligen Ortsgruppen des Pommerschen Landbundes organisiert. Das Fest begann nun oft erst am Abend nach der Ernte. Unter sternenklarem Himmel und im Schein von Fackeln zogen die Bauern und Erntehelfer mit ihren Familien zur Kornmiete am Festplatz, der von brennenden Holzstößen begrenzt war.
Schon damals wurden Erntekranz und Erntekrone dem Vorsitzenden des Bundes übergeben, der sich mit herzlichen Worten an die Teilnehmer wandte. Nach kurzer Rückschau auf Ernte und Erträge stand der Dank an die Erntehelfer im Mittelpunkt, die diese geborgen hatten. Beschlossen wurde der Moment durch den Choral „Nun danket alle Gott“. Dann zog es die Bauern zum Feiern in die vorbereitete Gastwirtschaft.
Die pommerschen Erntezüge hatten örtlich recht unterschiedliche Ausgestaltungen. Es gab sie sowohl zu Fuß als auch mit Erntereitern und bunt geschmückten Wagen – so wie es überlieferter Brauch war. Nachdem Jahrzehnte staatlicher Organisation von Ernte und Erntefest in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts folgten, ist heute wieder der Bauernverband Ausrichter der Erntefeste in Pommern.
In dieser Woche läuteten nun wieder die Erntedankfestglocken – in Pommern wird das Erntedankfest immer am ersten Oktoberwochenende gefeiert – um zum Erntedank-Gottesdienst zu rufen. Schon vor 100 Jahren waren die Kinder übrigens zu eigenen Gottesdiensten unterwegs. Auch in der Nikolaikirche Stralsund. Sie trugen 18 Körbe herbei, füllten sie mit Früchten von Feld und Garten, dekorierten sie vorm Altar.
Alter Brauch in Stralsund
Und so sangen die 18 Klosterfrauen, die in den ersten Bankreihen des Kirchenschiffes Platz genommen hatten mit und ohne Orgelbegleitung Dank- und Erntelieder – aus Dankbarkeit gegen Gott und ihre Mitmenschen. Dann beschloss ein Geistlicher den Gottesdienst mit der Übergabe der 18 Körbe an die Empfängerinnen unter Verlesung von Sinnsprüchen und sang gemeinsam mit ihnen das Lied „So nimm denn meine Hände...“ Viele der alten Frauen sahen sich auf dem Heimweg begleitet von mehreren Kindern, in Achtung vor ihrem Alter. Saat und Ernte!
Ja, es gibt auch hier einen Bezug zwischen Ernte und Geistesleben. Denn ohne, dass die Saat für den Glauben gelegt wird, konnte es auch für das Christentum keine Ernte in Pommern geben. Und daher wurden viele Gemeinden im Laufe der Zeit dazu veranlasst, Missionsfeste durchzuführen. Bei diesen wurde gerne an die Aufhebekörbe erinnert, die einst der Herr durch seine Jünger füllen ließ, nachdem er Tausende in der Wüste gespeist hatte (Ev. Joh. 6, 12). Dieses, so meinen auch heute viele Christen, seien die Körbe unserer Zeit. Und wenn Gott sie wieder mit einer reichen Ernte gesegnet hätte, so solle man auch wieder die Aufhebekörbe beschaffen, um im Anschluss einen guten Griff für das Gottessaatfeld zu tun – als Erntedank!
„Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich“ (Psalm 118, 1).
Erntedankgottesdienste (Auswahl) 4. Oktober, 14 Uhr: Pfarrhof Sophienhof-Loitz; 17 Uhr: Kirche Bobbin; 5. Oktober, 9 Uhr: Gertraudenkapelle Köslin; 9.30 Uhr: Dorfkirche Pütte; 10 Uhr: Marienkirche Stralsund; Johanneskirche Greifswald; Kirche Zinnowitz; Kirche Richtenberg; Kirche Lassan; 10.30 Uhr: Kreuzkirche Stolp