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Eine selbstbewusste und unangepasste Frau: Emilie Flöge, die Muse des Jugendstilmalers Gustav Klimt, wurde vor 150 Jahren geboren
Das erste Bildnis, das der Wiener Maler Gustav Klimt von seiner Muse Emilie Flöge anfertigte, ist wenig bekannt. Es datiert aus dem Jahr 1891. Das Porträt ist in natürlichen Farben gehalten, der Stil realistisch. Sowohl der Künstler wie auch die 17-jährige Emilie stehen damals am Anfang ihres kreativen Schaffens. Weltbekannt dagegen ist das Werk Klimts aus dem Jahr 1902, auf dem Emilie in einem blauen Kleid zu sehen ist. Den Kopf hoch erhoben, drückt Emilies Haltung Selbstbewusstsein aus. Der Stil: typisch Klimt und geprägt vom Jugendstil.
In den elf Jahren, die zwischen diesen beiden Werken liegt, haben beide eine große Entwicklung erfahren. Doch die Meilensteine ihrer Karrieren, die stets ein wenig miteinander verknüpft sind, liegen noch vor ihnen. Flöge wird Mode aus Stoffen schneidern, für die der Maler zum Teil die Muster entwirft. Klimt wird durch seine Muse zu einigen seiner wichtigsten Werke inspiriert. Auch in seinem weltberühmten Werk „Der Kuss“ wird er Emilie abbilden.
Emilie Flöge, die am 30. August 1874 in Wien geborene Tochter eines Tischlermeisters, war eine Pionierin und eine der faszinierendsten Figuren der Wiener Moderne. Die innovative Kleidung, die Flöge entwarf, gehörte zu ihrer Art der weiblichen Revolution. Etwas überzeichnet könnte man sagen: Sie war eine Rebellin, eine Vivienne Westwood ihrer Zeit. In einer Zeit, in der Frauen kaum die Möglichkeit hatten, über ihr eigenes Schicksal zu entscheiden, schuf sie sich ihren eigenen Platz in der Welt – mutig, entschlossen und kompromisslos.
Zusammen mit ihren Schwestern Helene und Pauline eröffnete die geschäftstüchtige Emilie im Jahr 1904 den Modesalon „Schwestern Flöge“ in Wien, der rasch zum Zentrum der Avantgarde und des guten Geschmacks wurde.
Chefin von 80 Angestellten
Die Mode der Flöges war ausgefallen und revolutionär. Emilie, die jüngste der Schwestern, war der kreative Kopf der Firma. Bei ihren Entwürfen vereinte sie künstlerische Vision mit emanzipatorischem Geist. Ihr Reformkleid war der strikte Gegenentwurf zur gängigen Mode. Ihre Motivation: Die Befreiung der Frau vom Korsett. Dabei ging es durchaus nicht nur um das Korsett in der Mode, das damals gerade schwer angesagt war und den Frauen die Atmung erschwerte. Auch das Korsett aus gesellschaftlichen Konventionen mochte Emilie nicht akzeptieren. Sie strebte nach Befreiung, nach selbstbestimmter Lebensführung.
Emilie pflegte Kontakte zu vielen Künstlern unterschiedlicher Bereiche. Als Muse und Frau an der Seite des Malers Klimt setzte sie sich mutig über die gesellschaftlich vorgesehenen Formen des Zusammenlebens hinweg. Sie lebte unverheiratet. Als Managerin des Familienunternehmens mit 80 Angestellten reiste sie viel, unter anderem nach Paris, um die neuen Modetrends zu erfahren. Kurz: Flöge lebte ein selbstbestimmtes Leben wie nur wenige Frauen zu ihrer Zeit.
Die Sommermonate verbrachte sie von 1904 bis 1916 gemeinsam mit Klimt am Attersee im Salzburger Land. Fotos, aufgenommen während der Sommerfrische, zeigen sie stets in einem ihrer Reformkleider, Klimt stets im Malerkittel.
Das Miteinander der beiden war ein radikaler Bruch mit den Konventionen. Flöge gilt als Lebensgefährtin des Malers. Klimt pflegte jedoch viele sexuelle Beziehungen, unter anderem zu seinen Modellen, auch zeitgleich. Seine sieben anerkannten Kinder sind Zeugnis dieses freizügigen Lebensstils. Auch nach heutigen Maßstäben war es alles andere als ein gewöhnliches Leben.