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Fernsehen

Zwei außer Rand und Band

„Bella Block“-Heldin Hannelore Hoger kehrt als Rachegöttin ins TV zurück – Die 80-Jährige tritt zusammen mit ihrer Tochter Nina auf

Anne Martin
03.10.2021

Auf den ersten Blick ist es eine Paraderolle, ihr geradezu auf den Leib geschrieben. Hannelore Hoger, unvergessen als bärbeißige „Bella Block“, agiert im neuen ZDF-Film „Zurück ans Meer“ genauso wie einst als Kommissarin. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, verbeißt sie sich in den Fall wie ein rauflustiger Terrier. Ihre Methoden befinden sich am Rande, manchmal auch jenseits der Legalität.

Es passt nur ins Bild, dass sie trotzig mit dem Fuß aufstampft oder verächtlich ausspuckt, wenn sie etwa einen Vertrag unterzeichnen muss, der ihr zutiefst zuwider ist. Ihr Aufklärungseifer führt sie sogar in Untersuchungshaft, wo sie ungerührt auf der Pritsche hockt und weiter Rachegedanken schmiedet. Es rührt an, wie eine Ikone des deutschen Fernsehens da in ihre eigenen Fußstapfen tritt.

Gleichzeitig ist es etwas enttäuschend zu sehen, dass diese besondere Mischung aus Starrsinn und Ruppigkeit bei diesem Psychothriller nicht recht funktionieren will. Und es versöhnt auch nicht, dass die Protagonistin Hoger doch über 20 Jahre lang zu den Lieblingen des deutschen Fernsehens zählte, bis sie den Ermittlerinnen-Job als Bella Block vor drei Jahren altersbedingt an den Nagel hängte.

Nun also das Nachspiel der am 20. August 80 Jahre alt gewordenen Schauspielerin, die sich für „Zurück ans Meer“ (4. Oktober im ZDF) als Filmtochter ihre eigene, inzwischen 60-jährige Tochter Nina Hoger an die Seite geholt hat. In der Rolle der Mara Breuer darf die eher auf Serienkrimis abonnierte Nina Hoger endlich einmal zeigen, dass sie auch hartes Drama kann.

Ortsbegehung im Fehmarnbelttunnel

Die Handlung: Mutter und Tochter sind unterwegs nach Dänemark, wo die durch eine 20 Jahre zurückliegende Entführung schwer traumatisierte Mara eine Therapie beginnen soll – nicht die erste und wohl auch nicht die letzte angesichts ihrer misstrauischen Abwehrhaltung. Im Gespräch mit der Therapeutin gibt ihre Mutter Charlotte Einblicke in ein Familiendrama, das vor über zwei Jahrzehnten mit einer Entführung und der Forderung nach einem hohen Lösegeld begann und bis heute nicht beendet ist: „Wir leben wie Einsiedler. Im Grunde ist sie wie eingefroren. Fragen Sie mich nicht, wann wir unseren letzten normalen Tag hatten.“

Ein Schrecken ohne Ende, wäre da nicht diese alt gewordene Löwenmutter, die bei der Suche nach dem Kidnapper nicht aufgeben will: „Ich bin ihre Mutter. Ich mache weiter.“ Was damals während der Entführung genau mit ihr geschah, hat die Tochter verdrängt. Aber die Ängste sind weiterhin da: Eine Flasche Wasser braucht sie an ihrem Bett. Licht muss die ganze Nacht hindurch brennen. Und die Tür muss jederzeit zu öffnen sein.

Dann der schier unglaubliche Zufall: Bei einer Ortsbegehung des geplanten Fehmarn-Belt-Tunnels meint Mutter Charlotte den damaligen Entführer – heute ein erfolgreicher Industrieller – an seiner Stimme zu erkennen. Mit dieser kurzen Begegnung beginnt zumindest für die Mutter eine Wende. Endlich kann sie aktiv werden, endlich das Schicksal bei den Hörnern packen.

Sie wendet sich an die dänische Polizei, wird aber von den Beamten nicht ernst genommen. Ihr sei schon bekannt, dass der Verdächtige ein steinreicher Mann sei? Zudem seien Entführungen doch nach 20 Jahren verjährt! Daraufhin startet Charlotte Breuer im Alleingang einen furiosen Rachefeldzug.

Spätestens jetzt gerät das Drama um Schuld und Sühne zu einem wenig glaubhaften Gewirk aus psychologischen Binsenweisheiten und unglaubwürdigen Zufällen. Kann es sein, dass eine Frau den vermeintlichen Entführer ihrer Tochter Jahrzehnte nach der Tat nur an seiner Stimme erkennen will? Dass sie ihn mit ungebremster krimineller Energie verfolgt, ohne einen einzigen Beweis zu haben? So bricht die rächende Mutter mehrfach in das Haus des Industriellen ein, sprüht wie in einem schlechten Film Graffiti an dessen Wände („Schuldig!!“), verätzt ihn mit Spray, als sie auf frischer Tat ertappt wird, und macht auch dann noch ungerührt weiter, als sich der Mann vor Schmerzen am Boden windet.

Wie eine Furie

Hoger klaubt sich hier das Renitente aus ihrer Rolle als „Bella Block“, hat aber nicht ansatzweise deren Glaubwürdigkeit, sondern agiert als Furie außer Rand und Band. Die Tochter wiederum muss den Gegenpol bilden, eine erwachsene Frau, immer noch gebannt in der Situation einer Gefangenen.

Nina Hoger, ihrer Mutter bis hin zur Stimme ähnlich, spielt das zurückgenommen, ringt nach Atem, sobald sie in eine beklemmende Situation gerät. Immer wieder fällt der Satz „Ich will mein Leben zurück.“ Ihr zur Seite ein dänischer Anwalt, der behutsam versucht, die Traumatisierte mit ihrer verschütteten Erinnerung zu konfrontieren.

Das Finale findet in einer kühlen Büroetage statt, wo die Mutter einen Vertrag unterschreiben muss, wonach sie jegliche weitere Nachforschung unterlässt. Im Gegenzug nimmt der Geschäftsmann Kjell Mortensen (Jens Albinus) von einer Anklage wegen Hausfriedensbruch und Körperverletzung Abstand. Als vermeintlicher Sieger kehrt er in sein kühl verspiegeltes Haus zurück, wo eine Strafe jenseits der Justiz auf ihn wartet.

Die letzte Szene zeigt das wie befreit wirkende Mutter-Tochter-Gespann im Ostseewind auf der Fähre Richtung Heimat. Trauma überwunden, alles wieder gut? Der Schweizer Markus Imboden zählt zu den renommiertesten Regisseuren im Land, Fabian Thaesler zu den besten Autoren – aber dieser Film aus Psycho- und Krimi-Versatzstücken mit einem eiskalten Verdächtigen im Fadenkreuz, der bis hin zur jungen Geliebten dem Klischee eines skrupellosen Machtmenschen entspricht, ist ihnen entglitten. Schade um die Hoger. Und schade auch um die Erinnerung an ihren grandiosen Auftritt als Bella Block.


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Kommentare

Siegfried Hermann am 05.10.21, 10:59 Uhr

Jetzt muss ich doch mal meinen Senf dazu geben.
Herr Benthe hat doch vollkommen Recht.
Und.
Wer ist Bella Block???
Das sind doch diese gescheiterten Weiber 50-plus-x, die meinen einen auf 20 zu machen und den unbedarften Jungs mal richtig zeigen, wo es lang geht.
Allein, wenn ich an diese linke ideologische Überpampe Lindenstraße denke, oder den zutiefst deutschophoben Tatort, Kotze bis zum Abwinken.
Schimanski und Kressin werden dann nur zu Nachtstunden, wenn der arbeitenden Michel längst im Bett ist ab und zu schamhaft gezeigt. Und auch nur, weil man ja sooo tolerant ist, gelle!?
Ergo:
Das ist eben ein Frauenkrimi für ttt-bewegte 50-plus-Frauen-Generation aus der wolfskin und cafe latte -Ecke.
Also nix für richtige Kerle.

Chris Benthe am 04.10.21, 07:00 Uhr

Seit etwa 2012 nehme ich keine weiteren deutschen Produktionen mehr in mein Filmarchiv auf, von sehr wenigen gelungenen Ausnahmen abgesehen. Einfach nicht anschauen, dann kratzt es nicht an der positiven Erinnerung an Bella Block. Der deutsche Film wird dominiert von verblendeten Abgängern degenerierter Filmhochschulen, die insgeheim Hollywood nachahmen möchten, es natürlich nicht zugeben, schon gar nicht zustandebringen und unterm Strich nicht mehr als dogmenverseuchtes Belehrungsfernsehen herausbekommen. Hinzu gesellt sich eine satt und faul gewordene Fördergeld-Mentalität, diem+ sich ganz und gar aufs TV verlässt. Bequemes Geld, aber nie genug für bestes Kino, für das man sich beweisen muss, wie es nun einmal in USA die Regel darstellt. Wenn der zahlende Kino-/DVD-Konsument nicht das gnadenlose Voraussetzungskriterium für den Leistungswillen setzt, kommt immer wieder nur der sattsam bekannte deutsche Stümperfilm dabei heraus. Es gibt ein Indiz für die Gleichgültigkeit und Selbstzufriedenheit deutscher Filmschaffender, was mir absolut gegen den Strich geht: haben Sie schon einmal bemerkt, dass in 90 % aller deutschen TV-Produktionen der exakt gleiche Türklingel-Klang verwendet wird (Postproduktion am Mischpult) ? Egal ob sozialer Wohnungsbau oder gehobener Wohnstandard, es scheint nur dieses jämmerliche, gequetschte Standardgeräusch zu geben. Daginter steht die ignorante Mentalität: ach, der Zuschauer wirds schon nicht merken. Diese Detail-Schlampigkeit ist ein Markenzeichen des deutschen Films, der Wirklichkeiten völlig ausblendet. Ob (immer gute) Demonstranten oder (immer gute) Migranten, oft gibt es hier nur gekünstelte, weltfremde Einheitssauce, mittlerweile nimmt auch noch englischsprache, nichtssagende, gefühlsduselige Hintergrundmusik überhand, weil man nicht einmal mehr dem eigenen Idiom traut. Lässt sich alles beliebig fortsetzen. Good bye, deutscher Film.

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