Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Juli Zehs und Simon Urbans Roman „Zwischen Welten“ lebt vom Gegensatz zwischen Stadt und Land sowie von konträren politischen Ansichten
Teresa ist eine Milchbäuerin aus Brandenburg. Ihre Kinder sagen zu ihr „O Gott, Mama – die armen Menschen, die hier leben“, wenn sie sie mit dem Auto durch Berlin fährt. Teresas Leben dreht sich um ihren Hof, den sie vom Vater geerbt hat. Bei dessen Tod musste sie ihr Germanistikstudium abbrechen und mit dem Leben in Münster abschließen. Sie tat dies radikal und kappte den Kontakt zu ihrem Kommilitonen und Mitbewohner Stefan.
Dieser komplette Anti-Held ist eine Ausgeburt von Wokeness und eitler Geschwätzigkeit. Er hat keine Familie, aber dafür Karriere als Kulturchef bei einer linksliberalen Hamburger Wochenzeitung namens „Der Bote“ gemacht. Die Journalisten dort halten sich für eine „Bundesrepublik in der Nussschale“, sind aber privilegierte Zeitgeistjünger, die die Probleme der normalen Leute kaum kennen. „Irgendwie spielt ihr in eurer kleinen Blase doch ein Spiel, das nur euch selbst betrifft“, lästert Teresa in einer Nachricht an Stefan.
Juli Zehs gemeinsam mit dem Journalisten Simon Urban geschriebener neuer Roman „Zwischen Welten“ beginnt, als sich die beiden Protagonisten zufällig wiedertreffen und den Kontakt wieder aufnehmen. Sie tun dies per E-Mail oder Kurznachricht. Diese Form der Darreichung erinnert an Theodor Fontanes Effi Briest, der Briefmonologe und Dialoge rund um gesellschaftliche Trends zu Papier brachte.
Teresa und Stefan diskutieren die Themen des zurückliegenden Jahres: Klimapolitik, Ukrainekrieg, Rassismus. Beide Figuren machen eine Entwicklung durch: Teresa wird durch die Umstände radikalisiert. Aus der unpolitischen Bäuerin wird eine Aktivistin, die sich gegen die Drangsalierung der Landwirtschaft durch Großkonzerne und Regierungen zur Wehr setzen möchte. Stefan hingegen, dessen zwanghafte Gendersprache schwer zu ertragen ist, geht den anderen Weg. Er erlebt linksradikale Aktivisten, die Karrieren vernichten. Er verabschiedet sich vom Aktivismus.
Der Roman lebt vom Gegensatz aus Stadt und Land, Kuhstall und Onlineredaktion. Teresa repräsentiert eher den Boris-Palmer-Flügel der Grünen als die AfD, aber schon das ist ein Stachel im Fleisch des Zeitgeistes. Zeh spielt mit politisch unkorrekten Andeutungen. „Die sogenannten Qualitätsmedien haben ihren Kompass verloren“, schimpft Teresa. Ihr Freund beim „Boten“ ist Vertreter genau jener Zunft. So endet der Roman, der die aktuellen Debatten in Deutschland aufgreift, ohne Lösung oder glückliches Ende. Wie hätte es das für zwei so unterschiedliche Welten, die da aufeinanderprallen, geben können?