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Nationalsozialistischer Untergrund

Zweifel am üblichen Narrativ

Was der bayerische Untersuchungsausschuss NSU II erbracht hat

Wolfgang Kaufmann
24.08.2023

Der im März 2022 eingesetzte Zweite Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags (UA NSU II) zur weiteren Aufklärung des NSU-Komplexes erschütterte einige wesentliche Narrative über die angebliche rechtsextreme Terrorgruppe. So weckten die Zeugenbefragungen erhebliche Zweifel an der Alleintäterschaft von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Des Weiteren kamen neue Indizien dafür zutage, dass es sich bei den neun Morden an Immigranten, die auf das Konto des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) gehen sollen, nicht um die Tötung „willkürlich ausgewählter Repräsentanzopfer“ handelte, wie offiziell immer wieder behauptet wird. Außerdem fand der UA NSU II zahlreiche Hinweise auf eine bemerkenswert starke Involvierung von V-Leuten der Verfassungsschutzämter des Freistaates und des Bundes. Und das, obwohl die bayerischen Sicherheitsorgane und Behörden immer wieder Sand ins Getriebe der Ausschussarbeit streuten.

Beispielsweise erhielt das Gremium die gewünschten Akten nur äußerst schleppend – nach exzessiven Schwärzungen. Teilweise wurden sogar Unterlagen geschwärzt, die der erste NSU-Untersuchungsausschuss, der von Juli 2012 bis Juli 2013 tagte, noch im unzensierten Zustand einsehen konnte. Darüber hinaus vernichtete das bayerische Justizministerium 20 Akten mit Bezug zum NSU und dem V-Mann Kai Dalek, obwohl diese oft ganz klar unter das seit Ende 2015 bestehende Löschmoratorium für Polizei-Unterlagen fielen. Ähnlich bizarr ging es auch zu, wenn V-Leute wie Dalek dem Ausschuss Rede und Antwort stehen sollten und sich hinter ihren beschränkten Aussagegenehmigungen verschanzten, denen zufolge es ihnen verboten sei, über „nachrichtendienstliche Strategien“ zu sprechen.

Abschlussbericht mit 800 Seiten
Doch damit nicht genug: Die Sicherheitsbehörden diktierten den Ausschussmitgliedern ebenso noch die Regeln, unter denen sie zu arbeiten hatten. Beispielsweise galt ein striktes Verbot, Aufzeichnungen der Sitzungen vorzunehmen. Letztlich durften die Abgeordneten nicht einmal ihre persönlichen Notizen behalten.

Der Gipfel des Ganzen ist nun jedoch der Umgang mit dem 800 Seiten langen Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses. Mit der Begründung, das Papier verstoße gegen sowohl den Geheim- als auch den Datenschutz, wurde es in der Geheimschutzstelle des Landtages in München weggeschlossen und somit dem allgemeinen Zugang entzogen. Parallel hierzu legten die Regierungsfraktionen von CSU und Freien Wählern – im Ausschuss vertreten durch die Abgeordneten Josef Schmid, Petra Loibl, Stephan Oetzinger, Norbert Dünkel, Holger Dremel und Wolfgang Hauber – ihren eigenen Bericht vor, der dann faktisch zum offiziellen Abschlussbericht mutierte und inhaltlich weitestgehend die Standardversion der Sicherheitsbehörden stützt.

Allerdings erhielt der grüne Ausschussvorsitzende Toni Schuberl die Möglichkeit, gemeinsam mit seinem Fraktionskollegen Cemal Bozoğlu einen inhaltlich abgespeckten, „modifizierten“ und zum Teil geschwärzten „Minderheitenbericht“ herauszugeben. In diesem wird die Informationspolitik des bayerischen Verfassungsschutzes explizit als „Vertuschung“ bezeichnet und die Rolle der V-Männer problematisiert.

Darüber hinaus erstellten auch die Vertreter von FDP, SPD und AfD im UA NSU II Minderheitenberichte. Der Liberale Matthias Fischbach bezweifelt in seiner Ausarbeitung den Willen des Landesamtes für Verfassungsschutz, vollständige Angaben über Dalek zu machen. So enthielten die Akten zwar Hinweise auf Zahlungen an den V-Mann, jedoch nicht auf den Verwendungszweck. Dabei sei es möglicherweise auch um den Erwerb von Waffen gegangen.

Diverse Minderheitenberichte
Dahingegen bemängelt das Ausschussmitglied Arif Taşdelen von der SPD die „nicht restlose“ Aufdeckung der Hintergründe der Taten des NSU und äußert den Verdacht, die Behörden hätten ein Unterstützernetzwerk übersehen. Taşdelen, der aus Nürnberg stammt und das Mordopfer İsmail Yaşar persönlich kannte, hält es für ausgesprochen unwahrscheinlich, dass zwei ortsfremde Personen aus Thüringen selbstständig fünf Morde in Bayern begehen konnten.

Deutlich weniger kritisch kommt der Minderheitenbericht des AfD-Parlamentariers und Polizeihauptkommissars Richard Graupner daher. Darin wird eingangs der Versuch unternommen, „verdiente Landes- und Bundesbeamte“ gegen eine „Herabwürdigung“ durch diverse Unterstellungen zu verteidigen. Danach heißt es, der Verfassungsschutz sei zwar „intransparent“ aufgetreten, habe sich aber keiner Vertuschung schuldig gemacht. Desgleichen verneinte Graupner auch jeglichen „Bedarf an weitergehender Aufarbeitung“.


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Kommentare

Leo Krypos am 24.08.23, 15:43 Uhr

"Deutlich weniger kritisch kommt der Minderheitenbericht des AfD-Parlamentariers und Polizeihauptkommissars Richard Graupner daher."

Das überrascht mich... oder auch nicht. Ich frage mich, ob Herr Graupner hier als AfD-Abgeordneter berichtet hat oder doch eher als Polizeihauptkommissar (nach dem Motto: eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus).
Oder hat die Zurückhaltung auch damit zu tun, dass die AfD bei dieser heiklen Thematik auf gar keinen Fall auch nur im entferntesten irgendetwas von sich geben will, wodurch sie Kritik auf sich ziehen könnte. Und das wäre womöglich schon dann der Fall gewesen, wenn die AfD dieselben Bedenken und Kritikpunkte vorgetragen hätte wie die anderen Parteien.

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