10.10.2024

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„Theo von Brockhusen. Visionen von Landschaft“

Zwischen Impressionismus und Expressionismus

Das Kunstmuseum Schwaan widmet dem in Marggrabowa geborenen Maler, Zeichner und Radierer eine Sonderausstellung

Jörn Barfod
08.09.2024

Vor den Toren Rostocks, im Kunstmuseum Schwaan, wird mit einer Dauerpräsentation der bemerkenswerten Künstlerkolonie in dieser Kleinstadt gedacht. Dazu finden dort laufend zum Themenrahmen passende Sonderausstellungen statt. Unter dem Titel „Theo von Brockhusen. Visionen von Landschaft“ werden derzeit in Zusammenarbeit mit dem Museum der Havelländischen Malerkolonie in Ferch Arbeiten aus dem Werk des aus Ostpreußen stammenden Malers gezeigt. Aus 15 Schaffensjahren, zwischen 1903 und 1918, stammen die rund 40 ausgewählten Arbeiten, hauptsächlich Gemälde. Nur knapp 37 Lebensjahre waren dem Maler gegönnt. Er arbeitete am Übergang der Periode des Impressionismus zum Expressionismus.

Theo von Brockhusen, eigentlich Theodor Adolf Hillmann, wurde am 16. Juli 1882 in Marggrabowa, Kreis Olecko (später Treuburg) geboren. Sein Vater war der Rechtsanwalt und Amtsrichter Theodor von Brockhusen, seine Mutter Magda von Brockhusen geborene Hillmann. Er war das vierte Kind der Familie. Schon mit 15 Jahren wurde er Schüler der Königsberger Kunstakademie, was damals nach der Akademieordnung möglich war. Da über seine persönliche Biografie sehr wenig bekannt ist, muss man schlussfolgern, dass er sich in der Schule bereits als künstlerisch überaus begabt gezeigt hat.

Dort erhielt er eine gründliche Ausbildung. Seine Lehrer waren zuerst Max Schmidt (1818–1901) sowie später Olof Andreas Jernberg (1855–1935) als Lehrer der Landschaftsklasse und der seit 1901 amtierende Direktor Ludwig Dettmann (1865–1944). Damit war er Schüler eines zwischen der Romantik und dem Naturalismus stehenden Künstlers, eines zwischen Naturalismus und Impressionismus schaffenden Malers und eines deutschen Impressionisten, eben Dettmann, der 1898 zu den Begründern der Berliner Sezession gehörte.

Das Studium in Königsberg beinhaltete das Malen in freier Natur. Zusammen mit seinem Freund Waldemar Rösler (1882–1916), der zeitgleich an der Kunstakademie lernte, zog Brockhusen nach Klein Kuhren, einem Fischer- und Sommerfrischeort an der samländischen Steilküste. Hier entwickelte sich kurz nach 1900 ein Künstlerort, der bislang kaum erforscht ist, aber sicher bis in die 1920er Jahre von Künstlern besucht wurde.

Rund 40 ausgewählte Arbeiten
1903 beendete Brockhusen sein Studium in Königsberg. In dieses Jahr fällt auch seine erste bekannte Ausstellungsbeteiligung im Königsberger Kunstverein mit dem Gemälde „Ein trüber Herbsttag“. Aus den ersten Schaffensjahren sind wohl nur wenige Arbeiten erhalten oder derzeit bekannt. Die Ausstellung in Schwaan zeigt eine „Ostpreußische Landschaft“ in breitem, pastosen Farbauftrag, vor allem mit einem hohen Himmel mit großen Wolkenballungen, unten verschiedenen grünen Flächen und kleinen Bäumen. Die Formenabgrenzungen sind nur durch Farbflächen gestaltet, daher scheinen die Details des Motivs ein wenig zu verschwimmen.

In das Jahr 1903 fällt ein Kuraufenthalt in Zinnowitz auf Usedom. Ein Lungenleiden – ob früh erworben oder erblich disponiert ist nicht bekannt – überschattete das ganze Leben Brockhusens und führte schließlich auch zu seinem frühen Tod. In Zinnowitz schloss er Bekanntschaft mit der Familie Bothe aus Seelow im Oderbruch. Dort besuchte er sie später regelmäßig.

1904 zog Brockhusen nach Berlin und freundete sich mit dem Bildhauer Fritz Klimsch an, der ihn später in der Erinnerung so beschrieb: „... aus einem altadeligen Geschlecht stammend, in seinem Wesen vorherrschend Junker, herrisch und selbstherrlich, draufgängerisch, eroberungslustig, besaß er andererseits durchaus das Künstlerische, Großzügige, Leichtsinnige, Lebensfreudige, Begeisterungsfähige.“ Aus dem Zeitraum 1905 und etwas später stammt die Erinnerung von Arthur Degner an die Erscheinung Brockhusens in Klein Kuhren: „Theo von Brockhusen sichteten wir, seine imponierende Zwei-Meter-Größe durch einen Zylinderhut noch steigernd, in einem Schwarm hellgekleideter Damen.“

Der neue Wohnort brachte dem Maler sehr viele Gelegenheiten, sich in Ausstellungen mit französischen Impressionisten und anderen Neuen auseinanderzusetzen. Unter den ihn bereits seit jener Zeit besonders beeindruckenden Künstlern werden stets Vincent van Gogh und Max Liebermann genannt. In der Tat kann man schon ab 1905 eine Änderung in Brockhusens Malstil ausmachen. Er wendete den „Pinselstrich in Kommatechnik“ an, wie ein Bearbeiter es einmal plastisch ausdrückte.

Im Übrigen fand er schon bald seinen eigenen Weg der Darstellungen in einem mehr strukturierenden, zeichnerischen Schildern, eher nüchtern und sachlich. Das Malerische verfolgte er weniger, wie man in einem Vergleich mit den Arbeiten seines Freundes Rösler deutlich zeigen könnte. Zum gleichen Schluss kommt man im Vergleich mit Werken von Max Liebermann. Van Goghs rundlichere Strichlinien geben einen harmonischeren Eindruck als Brockhusens eher zum Kantigen neigende Formulierungen. Außerdem war er kein Figurenmaler, weshalb Personen eher selten, und dann nur weiter entfernt und recht schematisch in seinen Bildern auftauchen, mit Ausnahme der späten religiösen Szenen.

„Pinselstrich in Kommatechnik“
Brockhusen war „arm wie eine Kirchenmaus nach Berlin gekommen“, wie sich sein Freund Fritz Klimsch später erinnerte. Doch er fand rasch in die Gesellschaft der Künstler und Zugang zu bedeutenden Ausstellungen, schon 1905 zur Berliner Sezession etwa. Auch die Kritiker wurden bald auf seine Arbeit aufmerksam, schon 1906 begann der bedeutende Berliner Kunsthändler Paul Cassirer, Brockhusen zu unterstützen, und später nahm er ihn unter Vertrag. Als freier Künstler ausschließlich vom Verkauf der Werke zu leben war auch im kulturell reichen und lebhaften Berlin nicht leicht. Und so war der Maler auf weitere Unterstützung angewiesen. Er war beispielsweise seit 1905 immer wieder einmal bei seinem Vetter Eberhard von Brockhusen und dessen Ehefrau Johanna, einer Schwester seiner eigenen späteren Ehefrau, in Langen (bei Fehrbellin) auf dem Lande. Er lernte 1906 den Maler und Mäzen Curt Herrmann kennen und arbeitete seither fast jährlich dort in Baumgartenbrück an der Havel für Wochen. Cassirer und Herrmann unterstützten 1906 und in den folgenden Jahren seine Reisen nach Paris, London und in den belgischen Badeort Knocke.

Alle Beziehungen, die er sich in den ersten Jahren seiner Berliner Zeit aufbaute, deuten darauf hin, dass er bei allen herrschaftlichen Zügen, an die sich Klimsch erinnerte, doch im Umgang angenehm gewesen ist und die Gabe hatte, Menschen für sich einnehmen zu können. Drei Jahre nach seiner Ankunft in Berlin wurde er bereits in die Berliner Sezession als Mitglied aufgenommen. Er hatte es geschafft. Regelmäßige Ausstellungen in Berlin in der Sezession und bei Cassirer, die kunsthändlerische Förderung und Werbung, Ausstellungen in weiteren Städten Deutschlands, Reisen ins Ausland, Landaufenthalte. Die Reisen an die Nordsee und aufs Land allerdings dürften teilweise auch durch sein chronisches Lungenleiden motiviert gewesen sein.

Nach diesem Aufstieg zu gesellschaftlicher Anerkennung und wirtschaftlich guter Lage als Freischaffender tat er einen nächsten bürgerlichen Schritt und heiratete 1909 Hildegart Bothe (1884–1967) aus Seelow, deren Familie er schon sechs Jahre zuvor kennengelernt hatte. Mit ihr fährt er nach Paris. In den Jahren um 1910 verändert er seinen Malstil weiter. Dabei wird das zeichnerische Element der einzelnen Pinselstriche tendenziell stärker. Besonders auffällig wird dies bei den Motiven, die nicht reine Natur der Landschaft zeigen, sondern mehr menschengeschaffene Strukturen. Stadtlandschaften etwa in Belgien, die Holzbrücke in Baumgartenbrück.

Blüte vor dem Weltkrieg
Aber auch bei den Bäumen, die von Brockhusen besonders gern zum Motiv nahm, erkennt man diese Betonung der Struktur. So sitzen die weißen Blüten der Obstbäume auf fast bizarr sich windenden schwarzen Ästen. Selbst die Bäume im vollen Laub haben vor allem die Struktur des Stammes mit den Ästen. Nicht selten gestaltet der Künstler auch kahle, schmächtige Bäume mit dünnem, langem Astgewirr. Auf seinen Lithografien und Radierungen kommt dies oft besonders deutlich zur Wirkung.

Die Jahre 1911 und 1912 brachten Ausstellungen in weiteren Städten, in Köln, Leipzig, Bremen und wieder einmal Königsberg, wo er diesmal auffällig viele Arbeiten in der Jahresausstellung des Kunstvereins zeigen konnte. Aber er erlitt auch schwere gesundheitliche Einbrüche mit Lungenentzündungen, die durch Reisen in den Süden und aufs Land langwierig ausgeheilt werden mussten. 1911 fuhr Brockhusen nach Baden-Baden, in den Schwarzwald, nach Luzern und nach Gardone am Gardasee, 1912 nach Seelow zur Familie Bothe und nach Baumgartenbrück.

Für ein Gemälde der Brücke von Baumgartenbrück erhielt er den Villa Romana Preis, was zu einem sechsmonatigen Aufenthalt in Florenz, zusammen mit seiner Ehfrau, führte. Dieser lange Italienaufenthalt brachte eine Aufhellung der Farbpalette Brockhusens mit sich. Er widmete sich seither teilweise stärker dem Phänomen des Sonnenlichts. Nach dem Eindruck der italienischen Kunst der Renaissance begann der Künstler, sich mit religiösen Bildthemen zu befassen, damit erstmals auch mit eigentlichen Figurenkompositionen.

Auch 1913 brachte erneut viele Ausstellungen. Durch Differenzen über die künftige künstlerische Ausrichtung der Berliner Sezession verließen viele Maler diese Vereinigung. 1914 entstand die Freie Sezession, Brockhusen war Gründungs- und Vorstandsmitglied. Bei Kriegsbeginn wurde er als Freiwilliger wegen seines Lungenleidens zurückgestellt. Der Krieg machte sich alsbald im zurückgehenden Ausstellungsbetrieb bemerkbar. Damit gingen auch die Verkäufe, also die Einnahmen für die Kunst zurück. Schon im Folgejahr musste Brockhusen sich wieder um Unterstützungen bemühen.

„Grauenhaftes Künstlersterben“
Im selben Jahr 1915 wurde dem Ehepaar eine Tochter geboren. Zum Kreis der Freunde der Brockhusens kam der Dichter Eric Schwabach hinzu, auf dessen Gut in Kaiserswaldau in Schlesien der Maler mehrfach wohnte. Auch hier wurde die Landschaft mit Baumalleen zu Bildthemen. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten führten zur Trennung vom festen Vertrag mit dem Kunsthändler Cassirer. 1918 begann der Maler eine Zusammenarbeit mit dem Berliner Galeristen Ferdinand Möller.

1917 und 1918 wurden erneut Kuraufenthalte nötig, in Bad Tölz, in Boltenhagen an der Ostsee. 1918 übernahm Brockhusen das Amt des Präsidenten der Freien Sezession, mit großen Plänen, die aber in der schwierigen Zeit des zu Ende gehenden Krieges nicht ganz gelangen. Er beteiligte sich dann nach Kriegsende gleich im Arbeitsrat der Kunst. Aber die Unruhe der Zeit, die gewiss schwierigere Ernährungslage taten der Gesundheit des Künstlers nicht gut. Theo von Brockhusen verstarb an einer erneuten schweren Lungenerkrankung am 20. April 1919 in Berlin.

Der namhafte Kunstschriftsteller Kurt Scheffler schrieb in einem kurzen Nachruf: „Das grauenhafte Künstlersterben hält an. Nun ist ihm auch Theo von Brockhusen zum Opfer gefallen. Sechsunddreißigjährig, in einem Augenblick, wo er Präsident der Freien Sezession geworden war und hierin doch wohl so etwas wie eine Krönung sah. ... Im Anfang hoffte man auf ein besonderes Talent, in den letzten Jahren war man etwas enttäuscht. Es war ein Stillstand ... in Brockhusens Produktion gekommen. Immer aber sprach man von ihr mit großer Achtung.“

Brockhusens künstlerischer Nachlass ging an den Galeristen Ferdinand Möller, der mit ihm auch in den Jahren ab 1919 immer wieder Ausstellungen gestaltete, noch 1954 in Köln. Dennoch hat die Forschung den Künstler lange mehr oder weniger übersehen. Ein 1999 zu einer Ausstellung in der Ostdeutschen Galerie Regensburg erschienener Katalog scheint den bis heute gültigen Wissensstand zu haben, übernahm der nun für die Museen in Ferch und Schwaan produzierte Katalog zur gleichnamigen Sonderausstellung doch den wesentlichen Aufsatz Gerhard Leistners von vor 25 Jahren, da er „im Forschungsstand immer noch aktuell“ sei.

Die Sonderausstellung „Theo von Brockhusen. Visionen von Landschaft“ ist noch bis zum 29. September im Kunstmuseum Schwaan, Mühlenstraße 12, 18258 Schwaan, Telefon (03844) 891792, Fax (03844) 8900335, E- Mail: info@kunstmuseum-schwaan.de, zu sehen.


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