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Ukraine

Zwischen Pest und Cholera

Krimtataren im Zwiespalt – Ihre Rolle bei Plänen zur Rückeroberung der Krim macht sie zu Putins Feinden

Bodo Bost
20.06.2023

Die Krimtataren sind für Kiew vor allem diplomatisch von großer Bedeutung, weil sie durch ihren Widerstand gegen die jahrzehntelange Unterdrückung unter Stalin und Putin fester und anerkannter Teil des globalen Südens und der muslimischen Welt sind. Dabei sollte die Krim in Putins Geschichtsverständnis als Paradebeispiel für das Recht des Kremls auf ukrainisches Territorium herhalten.

Die Krimtataren, die einen türkischen Dialekt sprechen, betrachten die Halbinsel Krim als ihr historisches Heimatland. Sie beherrschten die Halbinsel vom 15. Jahrhundert bis 1783. Sie stellten zwölf Prozent der zwei Millionen Einwohner des Gebiets, als Moskau die Krim im Jahr 2014 illegal besetzte und annektierte. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine schlagen internationale Menschenrechtsgruppen Alarm wegen der Verfolgungskampagne Moskaus gegen Mitglieder der tatarischen Gemeinschaft auf der Krim und ihrer Loyalität zur prowestlichen Regierung Kiews.

Die Krimtataren waren mit den Russlanddeutschen – beiden hatte Stalin während des Zweiten Weltkrieges Kollaboration mit Deutschland vorgeworfen – die beiden einzigen der vielen unter Stalin deportierten Sowjetvölker, die selbst unter Gorbatschow trotz Rehabilitation nicht ihre einstigen Republiken wiedererrichten konnten. Erst unter der unabhängigen Ukraine konnte seit 1991 das Gros der Volksgruppe aus Zentralasien auf die Krim zurückkehren. Andererseits konnten die Krimtataren auch unter ukrainischer Herrschaft nicht mehr ihre einstige Stärke von 33 Prozent der Bevölkerung erreichen, die sie noch 1921 hatten, als Tatarisch neben Russisch Amtssprache der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik der Krim wurde.

„Befreiung“ der Krim ist Staatsziel
Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Krim in vielen Reden nach der Annexion von 2014 als „heilige Erde Russlands“ bezeichnet und sich nicht gescheut, die Halbinsel mit der Bedeutung Jerusalems im Judentum und Islam zu vergleichen. Die Krim war ab 1783 russisches Territorium, und das Christentum kam schon im Jahre 988 mit der Taufe der Kiewer Rus durch Fürst Waldimir erstmals nach Kiew, der damaligen Hauptstadt der Rus (Russlands).

Der ehemalige russische Präsident und stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrats, Dmitrij Medwedjew, sagte, dass jeder Versuch der Ukraine, die Krim zurückzuerobern, den Einsatz „aller Waffen“ rechtfertigen würde, einschließlich der Atomwaffen. Dessen ungeachtet die Regierung in Kiew entschlossen zu sein, die Krim im Rahmen einer Offensive zurückzuerobern. Für Präsident Wolodymyr Selenskyj ist die Krim einer der Gründe, warum er stärkere Waffen von der NATO fordert. Laut einer Umfrage des Kiewer Internationalen Instituts für Soziologie befürworten 64 Prozent der Ukrainer die Befreiung der gesamten Ukraine einschließlich der Krim.

Die krimtatarische Volksgruppe ist die einzige der Ukraine, die sich selbst als Teil des globalen Südens versteht. Viele Krimtataren flüchteten nach der russischen Annexion von 2014 nach Kiew. Dort haben Repräsentanten dieser Volksgruppe seitdem steile Karrieren gemacht, Karrieren, die es für sie vor 2014, als sie noch zur Ukraine gehörten, noch nicht gab. So hat Selenskyj vor drei Jahren die Krimtatarin Emine Dzhaparova zur Vizeaußenministerin der Ukraine ernannt. Und die Krimtatarin Tamila Tasheva wurde im April 2023 Bevollmächtigte Selenskyjs für die besetzte Krim.

Dubiose „Krim-Plattform“
Kiew gründete 2021 darüber hinaus die „Krim-Plattform“, eine internationale Koordinierungsstelle mit dem Ziel der De-Okkupation der Krim. Außerdem erkannte Kiew die autochthonen Völker der Krimtataren, Karaiten und Krimtschaken an. Während die Krimtataren Muslime sind, gehören Karaiten und Krimtschaken der jüdischen Religionsgemeinschaft an, sprechen aber dieselbe Sprache. Die Ukraine hat unter der „Krim-Plattform“ eine Strategie zur Entwicklung der krimtatarischen Völker verabschiedet. Dzhaparova und Tasheva sollen seit Kriegsbeginn 2022 den Ländern des globalen Südens, vor allem den muslimischen, das wahre Gesicht des russischen Imperialismus zeigen. Deshalb erhielt Selenskyj im Mai erstmals eine Einladung zum Treffen der Arabischen Liga in Dschidda.

Auch der türkische Präsident Erdoğan spielt in der Krim-Strategie von Selenskyj eine wichtige Rolle. Obwohl Erdoğan Putin in Syrien braucht, verlangt er von ihm die Rückgabe der Krim an die Ukraine, damit er sich als Beschützer der Krimtataren darstellen kann.

Eine militärische Rückeroberung der Krim wird sehr wahrscheinlich zu großen Verlusten für die ukrainische Armee führen, denn auf der Krim sympathisieren erhebliche Teile der Zivilbevölkerung mit Russland. Diese könnten aktiv Widerstand leisten und sich gegen Kiew-treue Gruppen wenden, vor allem gegen Teile der krimtatarischen Gemeinschaft. Diese fürchten daher eine Rückkehr in die „Spezialsiedlungen“, in welche die Krimtataren zwischen 1944 und 1956 in Zentralasien zwangsumgesiedelt wurden.


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Kommentare

Daniel Oehler am 30.06.23, 19:11 Uhr

Die Krimtartaren werden von Selensky und Co nur benutzt.
Wäre die Krim unter Kontrolle der ukrainischen Regierung, müssten auch dort alle Minderheiten um ihre Existenz fürchten. Die Ukraine hat gerade erst einen Feiertag zu Ehren des faschistischen Massenmörder Stefan Bandera eingeführt - immerhin für über 100000 ermordete Polen verantwortlich plus zahlreiche ermordete Juden -. Das Sprachengesetz dient dazu, die Sprachen der Minderheiten zu unterdrücken. Im Land der Bandera-Jünger ist kein Platz für die Kultur der Krimtartaren.

sitra achra am 29.06.23, 11:56 Uhr

Für mich ist der Beitrag ausgewogen und entspricht den historischen Tatsachen. Dieses russische Barbarenvolk hat auf der Krim und auf den von ihm im Laufe der Jahrhunderte auf grausame Weise annektierten Territorien nichts verloren. Ich verstehe auch nicht die Affenliebe der Westdeutschen für dieses Tätervolk. Wahrscheinlich ist, dass diese Liebe einer unbewussten Ähnlichkeit des Volkscharakters entspringt.
Jedenfalls hat die ehemalige Bevölkerung der DDR während der russischen Besatzungszeit aufschlussreiche Studien am russischen Charakter vornehmen können. Das prägt: ras, dwa, tri, Russen werden wir nie!

Michael Holz am 23.06.23, 15:43 Uhr

Wie kann man Ihren Beitrag nennen, Herr Bost?
Einseitig und Antirussisch. Das ist für die PAZ wirklich zu wenig und schadet der (fehlenden) Ausgewogenheit!

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