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US-Präsident Trump verärgert wieder einmal das politische Berlin – und legt zugleich die Schwächen der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik offen
Mit seiner Ankündigung, 9.500 der 34.500 in Deutschland stationierten US-Soldaten abziehen zu wollen, hat Donald Trump einen Nerv getroffen. Zugleich hat der Präsident – nach dem Karlsruher Urteil über die EZB-Politik und dem damit verbundenen Kompetenzstreit zwischen den EU-Institutionen und den Nationalstaaten – den Fokus auf ein weiteres strategisches Problem gerichtet: die sicherheitspolitische Abhängigkeit von den USA.
Das Problem ist keinesfalls neu: Spätestens seit der Amtszeit Barack Obamas und der seinerzeit vollzogenen Neuausrichtung der US-Außenpolitik auf das Schwerpunktgebiet Asien („pivot to Asia“) verloren die traditionellen NATO-Bündnispartner in Europa für die Amerikaner sukzessive an Bedeutung.
Zudem wuchs in Übersee der Frust darüber, dass die europäischen Partner – darunter Deutschland – seit Jahren ihrer Verpflichtung, zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts als Beitrag an das Bündnis zu überweisen, nicht nachkommen. Immer wieder hat Trump in seiner Amtszeit auf diesen Missstand verwiesen und gedroht, die US-Truppen abzuziehen, falls sich daran nichts ändern sollte. Sicherheitsexperten wissen, dass auch eine Regierung Hillary Clinton – oder Joe Biden – in dieser Hinsicht für die Europäer unangenehme Gesprächspartner wären.
Um so mehr müssen die deutschen Reaktionen auf die Trumpsche Ankündigung erstaunen. Dass Dietmar Bartsch, Vorsitzender der Links-Fraktion im Deutschen Bundestag, dazu sagt, Berlin sollte die Ankündigung dankend annehmen und mit Trump den Rückzug aller US-Truppen und der US-Atomwaffen aus Deutschland aushandeln – geschenkt.
Fragwürdige Reaktionen
Dass jedoch der verteidigungspolitischen Sprecherin der FDP, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, lediglich einfällt, „vermutlich weiß der Präsident der Vereinigten Staaten gar nicht, dass Deutschland der Dreh- und Angelpunkt logistisch und in der medizinischen Versorgung für die US-Armee ist – auch und besonders für Einsätze im Nahen und Mittleren Osten“, zeigt die ganze Hochnäsigkeit in Teilen der deutschen Politik unserer Tage. Ob Frau Strack-Zimmermann im Gegenzug um die Bedeutung der USA für die Sicherheit Deutschlands weiß?
Geradezu abenteuerlich ist die Aussage des SPD-Fraktionschefs Rolf Mützenich – dem immerhin Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur im nächsten Jahr nachgesagt werden –, der gegenüber der Funke-Mediengruppe sagte, Trumps Abzugspläne könnten zu einer „nachhaltigen Neuausrichtung der Sicherheitspolitik in Europa“ führen, in der sich Europa stärker auf sich selbst besinnen müsse. Gerade Mützenich, der einer der wenigen Außenpolitikexperten im Bundestag ist, sollte eigentlich wissen, dass alle bisherigen Bemühungen der Europäer, eine eigene Verteidigungsbereitschaft aufzubauen, seit der Ablehnung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft im französischen Parlament 1954 gescheitert sind.
Zudem muss, wer wie Mützenich von einer Neuausrichtung der Sicherheitspolitik in Europa träumt, den Menschen wenigstens in Grundzügen erklären, wie diese aussehen könnte. Die Realität sieht jedenfalls so aus, dass die Bundeswehr trotz ihres prekären – durch jahrzehntelanges Kaputtsparen entstandenen – Zustands noch immer eine der besten Armeen Europas ist. Die Lage der französischen und der italienischen Streitkräfte ist keineswegs besser, und die Briten – gehören seit Jahresanfang nicht mehr zur Europäischen Union. Der Rest spielt, mit Verlaub, kaum eine Rolle.
Die Wahrheit ist, das mag jedem einzelnen gefallen oder nicht, dass bis auf weiteres die deutsche und europäische Sicherheit von der Beistandsgarantie der USA abhängig ist. Entsprechend sollten alle Verantwortlichen das Bündnis pflegen – wozu auch das Entrichten der NATO-Mitgliedsbeiträge gehört. Ein sicherheitspolitischer Alleingang würde für die Europäer deutlich teurer werden.
Rudolf Kraffzick am 03.07.20, 16:20 Uhr
Wir brauchen auf absehbare Zeit keinen Schutz vor einem Russland, dass lange seinen Weltmachtstatus verloren hat.
Der Artikel tut so, als ob die Sowjetunion und den Warschauer Pakt noch gaebe.
Ein Grossteil des NATO/USA Schutzes war und ist in Wahrheit Ueberwachung und Beherrschung, siehe NSA-Affaere.
Thomas Meyers am 15.06.20, 10:46 Uhr
Moment mal...Wenn die Amerikaner abgezogen werden, müssen wir doch auch nicht mehr für den Unterhalt ihrer Stützpunkte aufkommen, oder sehe ich das falsch?
Zudem will mir auch nicht einleuchten, von welcher Seite uns Gefahr drohen sollte. Wer glaubt denn heute noch, dass die Russen hier einmarschieren, sobald die Amerikaner weg sind? Oder die Chinesen? Das ist doch absurd. Die Zeiten des übertriebenen Nationalismus sind in Europa ebenso vorbei.
Abgesehen davon wird hierbei wieder einmal die jahrelange Negativauslese in der Politik deutlich. Die deutsche Außenpolitik sollte sich auch heute noch an Bismarck orientieren: Ab- und Friedenssicherung nach allen Seiten (gerade als Exportnation), dabei trotzdem wehrhaft bleiben.
Allein, mir fehlt der Glaube... Bei den heutigen außenpolitischen Abhängigkeiten und den hochdotierten Bücklingen in der Politik wird das wohl eher nix...
sitra achra am 13.06.20, 11:00 Uhr
Ich kann mich nur wundern, dass die einzige Schutzmacht Europas von den deutschen Dilettanten dermaßen vor den Kopf gestoßen wird. Dass denen der Geduldsfaden endlich gerissen ist, kann nicht erstaunen.
Doch verlorengegangenes Vertrauen ist nur sehr schwer wiederherstellbar. Wir werden uns über das eklatante Fehlverhalten von Maas und Co. noch wundern, wenn die Konsequenzen dieser leichtfertigen Einstellung auf uns zukommen.
Solidarität ist in einem Bündnis keine Einbahnstraße. Der Verzicht auf Northstream2 gehört in diesen Zusammenhang.
Frank Schmidt am 10.06.20, 16:14 Uhr
Deutschland zahlt zukünftig einen genauso hohen Anteil an den Mitgliedskosten wie die USA. Der US-Anteil an den Gemeinschaftskosten ab 2021 von derzeit 22,1 Prozent wird auf 16,35 Prozent gesenkt. Der deutsche Anteil soll von 14,8 Prozent auf 16,35 Prozent steigen.Das sind jährlich 33 Millionen Euro mehr.
Die 2% des BIP beziehen sich auf den Anteil des nationalen Verteildigungshaushaltes. Das ist ein Unterschied.
In Wales wurde 2014 beschlossen, dass die NATO-Staaten "darauf abzielen, sich innerhalb von zehn Jahren auf den Richtwert von zwei Prozent zuzubewegen" und mindestens 20 Prozent davon in "neues Großgerät einschließlich damit zusammenhängender Forschung und Entwicklung" zu investieren.
Für Deutschland bedeutet dies, bis 2024 die Verteidigungsausgaben von derzeit etwa 1,2 Prozent des BIP fast zu verdoppeln. Dann käme - abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung - ein Betrag von etwa 60 Milliarden Euro zustande.
Dieses Geld muss man aber erstmal sinnvoll ausgeben.